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VEB Hertha BSC

Hertha BSC hätte die Lizenz für die zweite Bundesliga vermutlich nicht erhalten, wenn das Land Berlin nicht mit einer verzinsten Mietstundung eingegriffen hätte. Das berichtet die Berliner Morgenpost. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Vereinbarung zwischen der landeseigenen Olympiastadion Berlin GmbH und Hertha ist sicher nicht zufällig gewählt. In weniger als einer Woche treffen Union und Hertha das erste Mal seit 60 Jahren wieder im Kampf um Punkte aufeinander. Auf den Punkt gebracht wird das Vorgehen im verlagseigenen Hertha-Blog, wo plakativ die Frage gestellt wird: Wie ist das dem 1. FC Union Berlin zu erklären?

Zugang zum Olympiastadion vom U-Bahnhof

Die Antwort darauf ist einfach: Gar nicht! Aber das muss es auch nicht, denn es handelt sich um komplett verschiedene Vorgänge und ein Problem des Landes Berlin. Ein Engagement des Senats von Berlin für die Spielstätte an der Alten Försterei gab es de facto nicht. Formal zog man sich letzten Endes darauf zurück, dass die Kommune Träger sei, also der Bezirk Treptow-Köpenick eine Lösung finden sollte. Das Ende ist bekannt: Ein Erbpachtvertrag mit dem Bezirk, Sanierung aus eigenen Mitteln. Hertha hingegen spielt in einem Stadion, das vom Land Berlin betrieben wird und dessen Sanierung sich das Land erst durch Stimmenkauf im Bundesrat bei der rot-grünen Steuerreform leisten konnte.

Hertha hat sich mangels Alternativen in der Stadt langfristig mit einem Mietvertrag bis 2017 an das Olympiastadion gebunden. In der Bundesliga liegt die Miete bei kolportierten 4,5 Mio €. In der zweiten Liga sinkt der Betrag pro Spieltag um 25.000 € und die Prämie von zusätzlichen 75.000 € bei erreichten 50.000 sind nur bei entsprechendem sportlichen Erfolg denkbar. Das erwartete Minus der Betreibergesellschaft für den Zweitligafall liegt bei 700.000 bis 2,5 Mio €. Läuft es so, wie die Saison angefangen hat, müsste die Hertha in der zweiten Liga eine Stadionmiete in einer Höhe bezahlen, die beim 1. FC Union ca. 50% des Lizenzspieleretats ausmacht. Das Problem der Hertha ist also ein selbst für Erstligaverhältnisse exorbitanter Mietvertrag, aus dem der Verein erst in sieben Jahren ausscheiden kann.

Das eigentliche Problem liegt aber beim Land Berlin. Das betreibt mit einer Stadionbetreibergesellschaft eine Spielstätte, die mit dem Wegfall eines nicht zu ersetzenden Hauptmieters sofort Insolvenz anmelden müsste. Das erklärt auch, warum die Betreibergesellschaft nicht von privater Hand betrieben wird. Denn wirtschaftlich gesund ist etwas anderes. Hier rächt es sich, auf den Denkmalschutz des Olympiastadions und seiner Laufbahn bestanden zu haben. Würde die Betreibergesellschaft zahlungsunfähig werden, springt als Eigner wohl das Land Berlin, ergo der Steuerzahler ein. Um dieses Potential weiß seit langem auch Hertha BSC. Die Lizenz hätte man im unwahrscheinlichsten Fall auch mit einem preiswerten und kurzfristigen Mietvertrag im Stadion an der Alten Försterei erhalten können. So kann Hertha mit einer weichen Budgetschranke arbeiten wie ein sozialistischer Betrieb im Ostblock in dem Wissen, dass er gar nicht pleite gehen kann. Es können fix 2,5 bis 4,5 Mio € im laufenden Etat umgeschichtet werden.

Das Land Berlin hat also bis 2017 und eigentlich auch darüber hinaus nun einen VEB Hertha BSC am Hals. Und den blau-weißen Anhängern steht eine Saison bevor, über der die Überschrift steht: „Aufstieg oder Tod!“

19 Kommentare zu “VEB Hertha BSC

  1. Im Prinzip alles richtig, aber im ersten Satz fehlt ein „vermutlich“ hinter Bundesliga.

    „Hertha BSC hätte die Lizenz für die zweite Bundesliga nicht erhalten, wenn das Land Berlin nicht mit einer verzinsten Mietstundung eingegriffen hätte.“

    Würde eher sagen, daß Herr Ramos ohne den Kredit des Senats jetzt in Hoffenheim spielen würde.

    Wieviele VEB spielen danach z.Z. in der DFL? 10? 15? 20? Ist leider so und grundsätzlich eine Wettbewerbsverzerrung. Von den BSGs ganz zu schweigen.

  2. @matze Stimmt. Habe das kleine Wörtchen noch ergänzt. Danke für den Hinweis.
    Es gibt hier schon einen Unterschied zu solchen Abenteuern wie bei Schalke, Kaiserslautern oder Jena. Der Modus ist ein anderer. Hertha zahlt (hoffentlich) das Geld verzinst zurück. Ob und welche Sicherheiten der Verein hinterlegt hat, ist ja nicht bekannt.

  3. @Sebastian,

    man kann ziemlich sicher davon ausgehen, dass Hertha keine Sicherheiten hinterlegt hat. Wie hätten die aussehen sollen?

  4. bimmelbammel

    ist nen schwieriges thema
    als Unioner find ichs ne schweinerei…als herthaner würd ichs wahrscheinlich als normalen Kredit betrachten

    die frage für mich ist nur die ob hertha die 3,5 millionen (inkl der million der letzten saison) nicht aus eigener kraft hätte aufbringen können wenn dafür spieler verkauft bzw nicht verpflichtet worden wären…

    so ist das einfach nur nen teuer erkaufter aufstieg (dit wird sich ja erst noch zeigen) wo wahrscheinlich gleich wieder in neue spieler investiert wird und die 3,5 millionen mal einfach mit uff den schuldenzettel geschrieben werden und bei gelegenheit mal abgezahlt werden

    ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen das sie beim aufstieg gleich alles inkl. zinsen abzahlen

    sollten sie es doch machen hut ab

    so jetzt mach ick ma aber och langsam ma fertig
    ick statte dem olympiastadion heut nämlich nen besuch ab und werd ma schön uff nem mietfreien sitz lümmeln mit riesenbretzel und fernglas

  5. @ubremer Darüber habe ich gestern auch nachgedacht. Die Spieler fallen bei Lizenzentzug aus, Immobilien von Hertha kenne ich nicht. Mein persönlicher Schluss: Das Sterben der Stadionbetriebsgesellschaft wird künstlich verlängert. Schön für Hertha. Die haben bis auf eine eigene miserable wirtschaftliche Lage alle Trümpfe gegenüber der Stadt in der Hand, wenn es um eine Neuverhandlung des Mietvertrages geht. Würde mich nicht wundern, wenn der Vertrag vor Auslaufen durch einen neuen ersetzt wird.

  6. @ubremer

    Die „Sicherheiten“ bestanden wohl darin, daß mit dem Kredit ziemlich sicher (-heiten) davon ausgegangen werden konnte, daß die Betreibergesellschaft nicht pleite geht.

    Hertha wird nicht übermäßig nervös in die Verhandlungen gegangen sein ;-)

  7. @bimmelbammel

    mach mich jetzt auch auf den Weg. Habe ne mietzinsfreie Dauerkarte vermietet bekommen.

  8. @Sebastian und @Matze,

    zumal Hertha die meisten relevanten Sicherheiten (TV-Gelder) bis 2018 an seinen Sportrechtevermarkter Sportfive abgetreten hat.

    Das Kreuz aller Sportstätten dieser Dimension ist: Ob Olympiastadion, Alte Försterei, Wembleystadion, Stade de France oder . . . – von 365 Tagen im Jahr stehen diese Arenen an MINDESTENS 300 Tagen leer. Die Kosten für die Unterhaltung fallen aber jeden Tag an. Weil sie nicht rentabel zu betreiben sind, sind die Stadien in Europa fast alle an der öffentlichen Hand angedockt.
    Alernative Modelle gibt es in den USA und Canada. Da sind die Stadien dann mit einer Mall, Hotels, Casinos usw verbunden.

  9. Um der Fainess genüge zu leisten. Es gab rund 600 000 € vom Land für die Rasenheizung an der AF. Und die Erbpachtgebühr beginnt auch erst später. Das ist auch eine verdeckte Beihilfe. Vielleicht findet ja jemand die genaue Jahreszahl. Die Archivfunktion auf der vereinseigenen Homepage ist ja eher unterbewertet.

    Es kommt ja noch mehr dazu. hertha wurde aus der Stadionbetreibergesellschaft rausgelassen, als diese defizitär wurde. Die blaue Laufbahn kam ja auch vom Land.

    Grundsätzlich stehen diese Summen (Oly hier, AF dort) in keinem Verhältnis zueinander.

  10. Meine 50 Cent (gestundet) dazu:

    Hertha hat genau das gemacht, was jedes mittelständige Unternehmen machen würde, dem gerade die Produktionsstätte abgebrannt ist. Bei allen Gläubigern inklusive dem Vermieter nachfragen, ob irgendeine finanzielle Entlastung möglich ist – weil jeder Euro gebraucht wird, um den Betrieb wieder fit zu machen. Für Berlin ist es eine reine Risikoabwägung. Denn falls Hertha nicht aufsteigt, kann ich mir durchaus vorstellen, dass die nächste blau-weiße Zweitliga-Saison im Jahnsportpark stattfindet. Und dann wäre das Olympiastadion – das übrigens für die WM 2006 saniert wurde und nicht, aber auch gar nicht, für Hertha BSC – endgültig zur Friedhof für Steuergelder.

    Den Vorschlag, Hertha in der Alten Försterei spielen zu lassen, finde ich schon wieder putzig. Ist aber gar nicht als Ironie zu erkennen. Hmh.

  11. Ich verstehe die Aufregung nicht ganz. Diese permanenten Subventionierungen – teils verdeckt, teils sehr offensichtlich – gibt es quer durch die Bundesliga. Und da werden noch kleine Brötchen gebacken, wenn man das mit Banken oder Energieunternehmen vergleicht.

    Und ein weiterer Punkt gibt doch zu denken: Der Zeitpunkt der Veröffentlichung kurz vor dem Derby. Es gibt Dinge, die sind mir zu offensichtlich inszeniert, um mich darüber aufzuregen. Und schon gar nicht werde ich in die Union-Hertha-Vergleiche in diesem Zusammenhang eingehen.

    Was mich als Herthaner eher betrüblich stimmt, ist, dass ich die Hoffnung aufgeben muss, dass nach Hoeneß nun vielleicht solidere Finanzierungsmodelle bei Hertha eingekehrt sein könnten. Wie Daniel ganz richtig schreibt: Wir (Herthaner) waren diesbezüglich furchtbar naiv: http://www.hertha-blog.de/ein-heikler-deal.html

  12. @alorenza @enno Nur weil es woanders mehr duftet als hier, darf man trotzdem mal die Nase hinhalten, oder? Aus dieser Geschichte eine Hertha gegen Union Geschichte zu konstruieren halte ich auch für gewagt und habe das hoffentlich auch deutlich gemacht, dass es hier darum geht, dass vom Land Berlin eklatante Fehler im Sportstättenmangement gemacht worden, die durch diesen „Deal“ kaschiert werden sollen.

    @alorenza Es gibt nur zwei für den DFL-Bereich zugelassene Spielstätten in Berlin. Und natürlich ist der „Ausweichort“ Alte Försterei blanke Ironie, weil unter jedem Gesichtspunkt unannehmbar für die alte Dame. Aber es gibt die Option, so dass eine „Erpressung“ durch die Betreibergesellschaft des Olympiastadions ausgeschlossen werden kann.

  13. @enno

    Eben, es ist die permanente Subventionierung bei gelichzeitiger Verweigerung solcherlei Hilfe anderen Klubs zukommen zu lassen, die die rot-weiße seele empört. Wieso ist das nicht nachzuvollziehen?

    Und ja, Hertha muss das so machen. Völlig logsich. Es ist kein Vorwurf gegen die alte Dame, nur gegen den (West)Berliner Filz und Muff, der seit 1000 Jahren unter den Talaren regiert.

  14. 2:0 nach ein paar Minuten. Wenn’s so weitergeht, kann sich Hertha ein paar Tore stunden lassen …

  15. bimmelbammel

    so wenns jemanden interessiert ick bin wieder heil zuhause angekommen und kenne jetzt sämtliche schlager die son stadion hergibt

    und ich musste erkennen das ich zum schunkeln neige und die käsebretzel ist och nich dit wat ick erwartet hab

    aber nette nachbarn hat ick die anfangs freudig „Scheiss Union“ gerufen haben und nachdem ick sie fragt wann sie denn mal union gesehn haben nur fragend geguckt haben

    war nen lustiger nachmittag

  16. hackelschorsch

    @sebastian: wo siehst du denn in diesem fall fehler im sportstätten management? der vertrag ist doch super für das olympiastadion, wenn so viel geld für die Miete fließen würde (4,5 Mill. im Jahr 1. Liga?)! Und selbst der „Kredit“ der der hertha nun eingeräumt wird, ist doch ne betriebswirtschaftliche entscheidung der Betreibergesellschaft. Was nutzt der Betreibergesellschaft eine Hertha ohne Lizenz in der Oberliga. So besteht die berechtigte Hoffnung, dass Hertha wieder aufsteigt. Der Mietvertag besteht bis 2017. Also wären das ja noch mal fette Einnahmen für die Betreibergesellschaft. Und deine Minusrechnung ist ja dann auch ne Milchmädchenrechnung. kann man meiner Ansicht ´nicht mit nem sozialistischen Betrieb vergleichen. denn da Hertha bis heute nüscht zahlen müssen.

  17. @hackelschorsch: Miserables Sportstättenmanagement: Wo soll ich anfangen? Abriss des denkmalgeschützten Stadions der Weltjugend für Olympia 2000. Bau der Max-Schmeling-Halle, des Velodroms und der Schwimm- und Sprunghalle für für eine halbe Milliarde Euro, obwohl Investoren nach Zuschlag für Sydney abgesprungen sind.
    Ausbau des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks. Für wen eigentlich? Nach dem Umbau ist das Stadion immer noch nicht für Spiele im DFL-Bereich zugelassen.
    Renovierung und Umbau des Berliner Olympiastadions konservativ nach Denkmalschutzkriterien. Auf den Bau herausfahrbarer Tribünen, um das Stadion als Spielort für den Fußball attraktiv zu machen, wurde verzichtet.

    Wenn man schon umbaut und neu baut, dann sollte auf eine entsprechende Auslastung geachtet werden. Im Falle des Olympiastadions zahlt Hertha eine exorbitante Stadionmiete. Das sieht erst einmal gut aus. Aber erstens kann sich Hertha diese Miete auch in Liga eins nicht leisten und zweitens sieht es ganz traurig aus, sollte Hertha doch sich zu einem Stadionneubau entschließen. Dann hat man ein riesiges Baudenkmal, mit dem man nichts mehr anfangen kann. Aber dafür kann man sich dann auf den Denkmalschutz ein Ei pellen.

  18. hackelschorsch

    die letzten 20 Jahre kann ich nicht einschätzen, weil mir da einfach der überblick fehlt. mit dem abriss des stadion der weltjugend – dies würde mich noch mal interessieren. als kind war ich mal drin. im derzeitigen fall muss ich aber sagen: ein „guter“ vertrag, wenn geld fließt ein „schlechter“ für hertha. zum umbau des olympia-stadions frage ich mich, was es für alternativen hätte geben können, die im finanziellen rahmen gelegen hätten. und die mär der herausfahrbaren tribünen kommt immer wieder ins spiel, wenn es um den umbau von mehrzweckarenen geht. aber nirgendswo ist das umgesetzt worden, weils einfach zu teuer ist. das hertha in den nächsten jahren ein neues stadion baut halte ich auch für utopisch, da müsste schon die 50+1-Regel fallen. wie meinst du das mit auslastung – zuschauermäßig oder veranstaltungsmäßig? veranstaltungsmäßig ist das olympiastadion ja gut im geschäft. ich behaupte mal es wäre weniger wenn es ein reines fußballstadion wäre. und die stimmung? das liegt ja an den fans selbst.

  19. Dass die Führung von Hertha BSC so handelt und über diesen Deal sicherlich hocherfreut ist, kann ich sehr gut nachvollziehen.

    Aber ob das Ganze vom Berliner Senat tatsächlich finanztechnisch sauber und legal über realisiert wurde, wird doch bestimmt der Landesrechnungshof überprüfen und entsprechend würdigen. Also, keine Aufregung!

    Ein wenig Gschmäckle bleibt aber in jedem Fall.

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