Bei Union ist es heute relativ ruhig. Ein neuer prominenter Neuzugang wird immer noch antizipiert, aber nicht vermeldet. Und die Mannschaft ist in der ersten Bundesliga-Trainingswoche der Saison.
Medial geht es um Robin Gosens, der seine ersten Eindrücke als Union-Spieler schildert (BZ). Dabei geht es natürlich auch um seine Wahrnehmung der Stimmung im Stadion nach seinem ersten Spiel:
San Siro ist eines der Top 5 Stadien der Welt. Klar ist Union deutlich kleiner. Aber die Stimmung tut sich da ehrlich gesagt nicht viel. Der Unterschied ist die unfassbare Positivität, selbst bei Fehlpässen. Das ist in ganz Europa sehr außergewöhnlich.
Außerdem sind neue kritische Töne von Oliver Ruhnert in Richtung DFB (Kurier) und eben mögliche weitere Zugänge (MOZ) Thema.
Fremdwahrnehmung
Im Blog Meenzer on Tour gibt es einen Reisebericht aus Gästeperspektive zum ersten Bundesligaspiel. Ein ähnlicher „Was ist denn hier los“-Moment wie bei „Union spielt in der Champions League“ ist dabei, dass der Besucher aus Mainz Berlin für fortschrittliche Verkehrspolitik mit mehr Platz für Fahrräder lobt: „dass das Spurenkonzept von allen am Verkehr teilnehmenden in Berlin problemlos akzeptiert wird. Das Radeln auf Berlins Straßen […] war zum Großteil ein purer Genuss.“ Nicht unterschreiben würde ich (auch) seine Interpretation der wirtschaftlichen Lage und Strategie von Union, die auf einer bestimmten Analyse der Finanzkennzahlen beruht.
Ich finde letzteres aber interessant, weil das Narrativ, Unions Erfolg sei auf die ein oder andere Weise erkauft, geborgt oder fremdfinanziert durchaus verbreitet ist. Ein anderes Beispiel dafür ist die aktuelle Folge des Podcast von Christoph Biermann und Raphael Honigstein, in der ihr Gast diese Perspektive vorbringt.
Ganz falsch ist diese ja auch nicht: Tatsächlich ist Union in der 2. Liga mit Fremdkapital in eine Investition in die Leistungsfähigkeit des Kaders gegangen, die einerseits ein gewisses Risiko beinhaltet hat, andererseits wenig transparent war und ist. Etwa verbunden mit dem Stichwort ‚Quattrex‘ wurde das auch durchaus viel diskutiert, auch hier.
Aber nach dem Bundesligaaufstieg war es aus meiner Sicht immer der Fall, dass der sportliche Erfolg den finanziellen Einsatz von Union weit übertroffen hat. Damit hat man nicht nur die vorher eingegangene Wette gewonnen, sondern eben auch weitere Investitionen möglich gemacht. Ich glaube nicht, dass Unions Ausgaben in diesem Sommer über dem liegen, was sich der Verein als Bundesligavierter leisten kann. Wie man langfristig diese Welle surft, ist dann wie hier neulich schon diskutiert eine weitere Frage.
Und noch einen anderen Aspekt, der in dem Mainzer Blogpost auftaucht, teile ich nicht: dass Union sich mit dieser Strategie einen unfairen Vorteil gegenüber Vereinen wie Mainz oder vielleicht Freiburg verschafft. Denn das wäre nur der Fall, wenn Union mit Investitionen eben kein Risiko einginge, so wie das bei gewissen anderen Teilnehmern am Bundesliga-Spielbetrieb der Fall ist.
Union-Institutionen
Für die Stadionmusik bei Union inklusive der Playlists von den Heimspielen gibt es eine neue, alte Heimat im Internet (auf Spotify sind die Playlists selbst weiterhin auch zu finden.
Und von Union gibt es noch Hinweise zum Drachenboot-Fun-Cup am Sonntag.
Und sonst so
Die Alte Podcasterei meldet sich mal wieder mit einer Podcastfolge, und der Rasenfunk-Schwerpunkt, den es jetzt als eigene Podcast-Folge gibt, befasst sich mit dem nächsten Gegner von Union, dem Aufsteiger Darmstadt.
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„Aber nach dem Bundesligaaufstieg war es aus meiner Sicht immer der Fall, dass der sportliche Erfolg den finanziellen Einsatz von Union weit übertroffen hat.“ – das stimmt. „Neues Deutschland“ hat am Montag (glaube ich) in der Print-Ausgabe (online kann ich es nicht finden) eine Bundesligatabelle für die letzte Saison (oder das letzte Kalenderjahr) abgebildet, die nach dem Kriterium „investiertes Geld pro gewonnener Punkt“ erstellt wurde. Union war da auf dem 1. Platz mit 0,87 Millionen Euro pro Punkt. Und auf dem letzten Platz war Bayern, bei dem jeder Punkt über 4 Millionen Euro „gekostet hat“. (ps. die Zahlen zietiere ich aus dem Kopf, weil ich den Artikel gerade nicht zur Hand habe).
Neid und wilde Verschwörungstheorien muss man sich verdienen. Daher alles richtig gemacht.
Auf der Webseite der DFL sind die Bilanzen aller Bundesligaklubs bis zum 30.6.22 veröffentlicht. Danach wies Union ein negatives Eigenkapital von über 16 Millionen Euro und 62 Millionen Euro Schulden aus. Und das, nachdem man schon 3 Jahre in der 1.Bundesliga gespielt hatte! Zum Vergleich : Darmstadt und Heidenheim, die beiden aktuellen Aufsteiger weisen jeweils positive Eigenkapitale aus. Ergo: Natürlich hat sich Union seinen sportlichen Erfolg mit Geld, was eman eigentlich nicht hatte, erkauft. Wenn man dann noch berücksichtigt, daß Kino-Kölmel sein Darlehen jahrelang stundete, weiß man, auch ohne wie ich 30 Jahre Bilanzbuchhalter zu sein, welch hohes wirtschaftliches Risiko Zingler ging und geht. Deshalb ist es auch für Union überlebenswichtig, weiterhin sportlich oben zu bleiben weil nur so erhöhte TV-Einnahmen und Zusatzprämien (DFB-Pokal, CL) winken. In diese Logik reihen sich auch die Transfers von Gosens, Volland und gfs Bonucci ein. Diese Spieler holt man nicht, um nur für den Klassenerhalt zu spielen. Selbst von der Antrittsprämie für die CL wird dieses Jahr nicht viel übrig bleiben, wenn man die fälligen zusätzlichen Spielerprämien, die Mieten für das Olympiastadion und die nötigen Umbauten dort nach den strengen Vorgaben der UEFA berücksichtigt. Union muß aber nicht nur die Schulden der Vergangenheit aufholen, sondern auch Kosten für den Stadionausbau bald finanzieren. Wer sich die Entwicklung der Bau – und Zinskosten anschaut, ahnt, was da an neuen, zusätzlichen Belastungen auf den Verein, ohne ein „dickes“ Eigenkapital noch zukommt.
Schon wieder in das falsche Blog verirrt, Sven?
„Corona-Krise“ ist Dir ein Begriff, oder?
@Sven: Mach dir mal die Mühe und nimm an einer ordentlichen Mitgliederversammlung des 1. FC Union teil. Im Herbst 2022 wurden alle relevanten Zahlen der vergangenen Jahre gezeigt und detailliert erklärt. (ALLE Einnahmen und Ausgaben!)
Während Corona ging es natürlich auch bei uns kräftig bergab. Aber Dank unserer Crew auf dem Deck und unzähliger Helfer haben wir das überlebt und darüber hinaus sogar das Gelände in der AF kaufen können.
Nach solch einer transparenten Veranstaltung kann man sich eigentlich alle weiteren haarsträubende Parallelanalysen ersparen.
Ich traue da eher den UNION- Bilanzbuchhaltern.
Welche Stadionmiete und wieviel hat der Big City Club bezahlt (0 Euro) um seine Lizenz für die 2.Liga unter Vorbehalt zu bekommen. Liebe Grüße an Sven du machst wirklich einen richtig guten Job als Fachmann.
Hier auch noch eine weitere Einschätzung dazu. https://www.rbb24.de/sport/beitrag/2023/05/interview-henning-zuelch-fussball-bundesliga-union-berlin-champions-league-finanzen.html
ja, das ist eben der Unterschied, die „Experten“ hantieren mit Zahlen von 21/22 und Zingler mit Zahlen von 22/23 und zum Teil auch schon 23/24.
Find den Fehler.
Dass Union vor allem in sportlichen Erfolg investiert (um daraus in der Folge wirtschaftlichen zu generieren), hat Zingler ja selbst mehrfach betont. Ich würde mir dennoch wünschen, hier und da mal nen Euro beiseite zu legen, wenn es nicht schmerzt. Zumal die Steigerungsmöglichkeiten nicht mehr so massiv sind wie noch vor 3 Jahren. Ob das passiert, werden die nächsten Bilanzen zeigen. Ich gehe zumindest davon aus, dass noch ein paar Abgänge (Jordan, Sheraldo) folgen, die Geld einspielen, sodass die Transferbilanz am Ende nicht mehr ganz so nach „wir geben alles aus, was wir haben“ aussieht.
Danke Sven für deinen Reminder!
Wirklich Bauchschmerzen macht mir, dafür muss ich nicht 30 Jahre Bilanzbuchhalter sein, wenn sich die Spirale wieder nach unten dreht und du als Verein in Beine stat Steine investiert hast.
Die Einnahmen (TV-Gelder/ Start-Prämien Europacup/ Werbeeinnahmen/ Ablösen) fallen drastisch und du musst die Gehälter weiter bezahlen und bist nicht mehr Handlungsfähig, sowohl strategisch als auch angemessen auf dem Transfermarkt zu handeln. Das hat schnell (Hertha/ Schalke) oder schleichend (HSV/ Bremen) in die 2te Liga geführt.
Das Zauberwort heißt Personalaufwand! Wir normal(un)sterblichen kommen ja auch ins trudeln, wenn wir über 60%+ unseres Einkommens allein für die Bude berappen müssen/ müssten und dann wird alles teurer, die Waschmaschine geht kaputt oder Mutti steckt dir keine 200€ mehr zu.
Wenn wir es trotz der namhaften und starken neuen Spieler schaffen, den Personalaufwand im neuen Gehaltsgefüge im Lot zu halten bzw zu reduzieren und auf negative Eventualitäten vorbereitet sind, dann sollten wir zügigst anfangen die Euros, die die Spirale nach oben abwirft bei Seite zu legen.
eisern
In Zeiten von Inflation zu Sparen ist aus finanztechnischer Sicht absoluter Unsinn. Emotional mag es aber sinnvoll sein.
Ich kann mich nicht mehr so 100%ig an die letzt MV erinnern, aber hieß es da nicht positives Eigenkapital und schuldenfrei diese Saison?
Hinsichtlich des positiven Eigenkapitals hast Du Recht, das will Union in diesem Geschäftsjahr erstmalig ausweisen. Was die Schuldenfreiheit angeht, lässt mich mein Gedächtnis gerade aber leider auch im Stich ;-)
4Mio€ positives EK nach Saison 23/24 werden laut Zingler, zur Jahresabschlussversammlung im Tempodrom, erwartet.
Dort sind alle Zahlen transparent aufgelistet (leicht bei YT zu finden).
Wenn diese alle hier gesehen haben kann die Diskussion beginnen bzw. ist dann klar, dass sie umsonst war.
Das stimmt so nicht ! Union wollte, und wird wohl auch bereits im letzten Geschäftsjahr ein positives Eigenkapital ausweisen.
Ist immer toll wenn so Finanzexperten wie der Prof. aus Leipzig aktuelle Entwicklungen mit DFL Zahlen erklären wollen, diese Zahlen sind bei ihrer Veröffentlichung schon älter als ein Jahr.
„Wird wohl“ ist bei Finanzen immer ganz dünnes Eis und also wenig belastbar.
@uli49
Da Dirk Zingler sich im Saisonabschluss Interview in die Richtung geäussert hat kann man wohl davon ausgehen.
Aha. Weil der Chef sich „in die Richtung“ geäußert hat, kann „man wohl“ davon ausgehen.
In der Welt realer Zahlen zählen Absichtsbekundungen erst mal wenig. Die Losung „die Partei hat immer recht“ noch weniger.
„Die Partei hat immer recht“ Noch ganz gesund ?