20 Jahre ist das also schon her, dass der 1. FC Union Berlin im DFB-Pokalfinale gegen Schalke 04 stand (das ganze Spiel gibt es beispielsweise noch einmal hier). 20 Jahre, in denen wir dachten, dass so etwas wie Union im Europapokal nie wieder kommen würde. Der Frühling 2001 war ein Dauerrausch, so etwas wie eine nachholende Party für all das, was in den zehn Jahren seit der Wiedervereinigung bei Union schiefgegangen ist. Viele Stunden nach dem verlorenen Pokalfinale standen wir wieder auf. Dieses Mal im Oberbaumeck am Schlesischen Tor. Und wir sangen: „FC Union du sollst leuchten wie ein Stern am Himmelszelt, du hast viele tausend Freunde auf der ganzen Welt …“
Der Film „Pokalhelden der Herzen“, der heute um 22.15 Uhr beim RBB läuft, war der Anlass, mich zu fragen, woran ich mich noch erinnere und woran nicht. An das Schneeschippen vor dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach natürlich. Auch so ein legendärer Unionmoment, der vor allem durch das unfassbare Halbfinale danach diesen Status gewann. Klar, das kennen wir alle. Im Mai ständig Empfänge und Partys. Auch klar. Oder unsere Gesichter, als wir erfuhren, dass Daniel Teixeira im Finale nicht von Anfang spielt.
Unter der Dusche mit Sonya Kraus
Aber ich hatte nicht mehr auf dem Schirm, wie schlimm der Rasen im Halbfinale wirklich aussah. Wir reden zwar die ganze Zeit von einem Spielfeld als Ackerlandschaft, aber als ich die Bilder wieder sah, dachte ich nur: Heute wäre das nie im Leben angepfiffen worden. Schneeschippen hin oder her. Sven Beuckerts Gehirnerschütterung aus dem Viertelfinale gegen Bochum? Hatte ich ebenso keine Erinnerung daran wie der Torwart an bestimmte Szenen des Spiels. Dass die Spieler vor dem Finale für Fotoshootings mit Sonya Kraus unter der Dusche standen? Wusste ich nicht mehr.
Die 45 Minuten des RBB-Films sind eine Zeitreise, die Archivmaterial von damals mit Erinnerungen von Akteuren und Fans kombiniert. Sven Beuckert, Ronny Nikol und Daniel Ernemann erzählen als Pokalhelden Geschichte. Der damalige Präsident Heiner Bertram erzählt, wie er Schalke zu einer Bootsfahrt vor dem Spiel eingeladen hat, aber Rudi Assauer nur entgeistert ablehnte. André Rolle als damaliger Stadionsprecher erzählt und ich durfte ein paar Fan-Anekdoten beitragen. Der Film ist wie eine warme Decke, die man sich an einem kühlen Frühlingsabend überwirft, um noch etwas am Feuer zu sitzen.
Vor allem macht die Erinnerung klar, dass dies eben nicht das einmalige Highlight in der Uniongeschichte war. Das Frühjahr 2001 mit Zweitliga-Aufstieg, Pokalfinale und Europacup kam uns zwar so vor, als ob Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen, aber es war nicht das Ende einer Geschichte. Wir schauen eben heute nicht bei Sport im Osten, ob es da ein Fitzelchen Bewegtbild von einem Unionspiel bei Meuselwitz gibt, weil uns der RBB vergessen hat. Nein, heute meckern wir nicht über den RBB, sondern es beschweren sich Herthafans, dass von ihren Gebühren beim RBB über Gebühr über Union berichtet wird.
Wir haben Aufstiege erlebt. Wir haben das Relegations-Trauma besiegt. Wir sind dem Abstieg entgangen. Wir haben Fußballgötter kommen und gehen sehen. Das Stadion ist heute so, wie wir es vor 20 Jahren nicht einmal erträumt hätten. Union spielt Bundesliga und Schalke Zweite Liga. Ich nehme einen ganz tiefen Schluck aus der Nostalgiepulle beim Anblick der Bilder von vor 20 Jahren. Sie erinnern mich daran, wie ich das ganze Glücksgefühl damals aufgesogen habe, weil ich dachte: „So was kommt nie wieder!“ Und daran denke ich auch jetzt. Momente genießen und die Glücksgefühle speichern. Wir werden es vielleicht irgendwann einmal wieder brauchen.
Ich habe mit Christian Dexne eine Podcast-Episode über den RBB-Film und die Zeit vor 20 Jahren aufgenommen, die ich euch ebenso ans Herz lege wie den Film heute Abend um 22.15 Uhr. Vielleicht schaut ihr den Film und könnt sagen, woran ihr euch besonders erinnert oder was ihr total vergessen habt. Ich würde mich über Kommentare dazu freuen.
Natürlich gibt es noch mehr zum Finaljubiläum in den Berliner Medien:
- „Es war eine Schlammschlacht“ (RBB)
- Fette Party (Tagesspiegel)
- Am Mittwoch auf RBB: Eisern Union – der Pokalsieger der Herzen! (Kurier)
- „Ich werde dieses Spiel NIE vergessen!“ (Bild/BZ)
Zurück in die Gegenwart. Die Spieler haben sich in den Urlaub verabschiedet und damit bleiben uns vor allem Transfernews und Transfergerüchte. Serdar Dursun könnte Union als Stürmer verstärken wird seit Monaten geschrieben. Und die Anzeichen verdichten sich, indem sich die Berichte dazu häufen (Bild schreibt von Zweijahresvertrag, Kicker). Gleiches gilt für eine Verpflichtung von Genki Haraguchi (Kurier, Kicker). Doch noch ist kein weißer Rauch über dem Forsthaus aufgestiegen.
Ebenso wird in Kicker und Bild von Unions-Torwartsuche berichtet. Stefanos Kapino sei ein Kandidat. Mal schauen, was daraus wird.
Immerunioner
Steven Skrzybski verabschiedet sich vom FC Schalke und ich wünsche ihm für seine nächste Station vor allem, dass er verletzungsfrei bleibt und wieder in die Erfolgsspur kommt.
Und sonst so?
„Und schreibst du jetzt jedes Jahr ein Buch über Union?“, haben wir wohl alle Christoph Biermann gefragt, nachdem wir „Wir werden ewig leben“ über das erste Bundesligajahr des 1. FC Union Berlin gelesen hatten. Vollkommen zurecht wandte er ein, dass man nur einmal zum ersten Mal Bundesliga spiele und sich vieles wiederholen würde. Da wussten weder er noch wir, dass sich Union das erste Mal überhaupt in der Vereinsgeschichte über eine Top-Platzierung in der Liga für den Europacup qualifizieren würde (Puristen werden korrekterweise einwenden, dass 1986 der Intertoto-Cup gewonnen wurde, aber den zähle ich wirklich nicht mit). So gibt es zur Neuauflage von Biermanns Buch auch ein Update, wie der Autor auf Twitter verriet.
Im Herbst erscheint die Taschenbuch-Ausgabe und darin wird es zumindest einen Bonus-Track über diese Saison geben.
— christoph biermann (@chbiermann) May 25, 2021
Und Respekt an Marvin Friedrich für fünf Mal Elf des Tages im Kicker. Das sind mehr Nominierungen als Serge Gnabry, Joshua Kimmich oder Kingsley Coman in dieser Saison haben. Verrückt, wie sehr wir uns an diese hervorragenden Leistungen gewöhnen.
? Der krönende Abschluss eine überragenden Saison: Glückwunsch, Marv!
??#FCURBL | #fcunion pic.twitter.com/3n7xwfsfli
— 1. FC Union Berlin ??? (@fcunion) May 25, 2021
Zum Abschluss noch der Hinweis auf einen sehr warmen Text über Oskar Kosche (auf Englisch), den Jacob Sweetman in seinem Blog geschrieben hat. Die Worte stehen für alle Torhüter, die einfach da sein und ihren Job erledigen müssen. So wie Andreas Luthe das in den Spielen gegen Leverkusen und Leipzig getan hat.
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Kleiner Hinweis am Rande, der Torhüter heißt Stefanos Kapino, er ist Grieche. ?
@hötti Danke dir. Habe ich gleich korrigiert.
Ich habe im Januar 2001 mein erstes Kind bekommen ! Zum Pokalfinale war sie das 1.mal woanders also bei meinen Eltern das icv da hinkonnte ! Habe viele schalker getroffen die Atmosphäre werde ich nie vergessen! Stellte fest weil ich sehr weit oben stand im oly das ich unsere Spieler anhand des laufstils erkennen kann! Damals völlig ungewohnt da sie gefühlt unendlich weit weg waren!
War das ein Tag heute vor 20 Jahren:
Nach dem Lastminutetor von Ernemann im Viertelfinale gegen Bochum – ausgerastet- , nach dem Elfmeterkrimi mit Beukert im Halbfinale gegen Gladbach auf aufgeweichtem Rasen- Extase – nun auf zum Finale ins Oly. Treffpunkt zunächst am Alex, weiter zum Nikolaiviertel. Dort mit Schalkern Bier im Georgsbräu getrunken. Weiter zur Union-Party im Pfefferberg am Senefelder Platz und schließlich vor dem Oly wieder friedlich mit Schalkern gequatscht und mit weiteren Bieren ein gutes Spiel gewünscht. Dann alle mit unseren roten Perrücken die tolle, weitaus bessere Stimmung als in den Schalkeblöcken genossen.
Wir haben dann zwar mit 0:2 mit viel Pech verloren, aber das hat diesem unvergesslichen Tag keinen Abruch getan. Vielelicht erleben wir in der kommenden Saison ja ma etwas Ähnliches. Eisern!
Ergänzung nach dem Film:
Rot-weiße Perrücken gab es damals nicht.
[…] habe gestern beim Schauen der tollen RBB-Doku zum Pokalfinale auch einige Male an der Nostalgiepulle genippt und mir ist dabei sehr warm ums Herz geworden. Für mich als kleiner Junge war diese Saison einfach […]