Blog State of the Union

Wir wären trotzdem gern da gewesen

Und ich dachte, ich hätte vor dem Spiel wenig Lust auf dieses Derby gehabt. Nun, Union hat das Derby gestern sehr klar und verdient mit 4-0 verloren. Aber obwohl die negativen emotionalen Ausschläge dieses Spiels sehr viel stärker gewesen wären, wenn ich gestern in Charlottenburg gestanden hätte, wäre ich trotzdem viel lieber dort gewesen, um die Mannschaft in diesem Spiel zu unterstützen. Selbst nach so einem Spiel.

Weil das so ist, haben mich gestern auch Bemerkungen, die schadenfroh (wenn das das richtige Wort ist) darüber waren, dass Hertha seinen Sieg nicht feiern konnte, sehr genervt. Denn worüber sich Hertha freut, ist mir ziemlich egal. Aber mir hat gestern wegen der Entfernung zum Spiel auch etwas wichtiges gefehlt.

Irgendwann, nachdem Herthas viertes Tor gefallen war, habe ich mich gestern gefragt, ob das Ergebnis zu hoch ist. Und in gewisser Hinsicht glaube ich auch, dass das der Fall war und vor allem das zweite und vierte Tor unnötig gefallen sind. Das ist aber nicht der entscheidende Punkt. Denn der ist, dass Union es gestern zu keiner Zeit des Spiels geschafft hat, defensiv stabil zu sein. So kam Hertha konstant zu guten Chancen, und haben dann auch die vier Gegentore absolut zum Spiel gepasst.

Dass Union defensiv große Probleme hatte, war auf der linken Abwehrseite am deutlichsten zu sehen. Dort hatte Ken Reichel ein klares Geschwindigkeitsproblem im Vergleich mit Dodi Lukebakio, und hatte auch Micha Parensen es schwer damit, hinter ihm abzusichern. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was die entscheidenden taktischen Mechanismen in dem Spiel waren. Aber dass Robert Andrich immer wieder auf dem linken Flügel helfen musste, war nicht gut für Unions Kompaktheit.

Das hat auch schon in der ersten Halbzeit zu Torchancen für Hertha geführt, bei denen Rafa? Gikiewicz sehr gut gehalten hat. Insofern kann ich auch Urs Fischers eher positiver Analyse der ersten 45 Minuten und seiner Kritik an großen Fehlern, die Union danach gemacht hat, nicht ganz zustimmen (sozial distanzierte Pressekonferenz).

Beobachten konnte man in dieser ersten Halbzeit aber noch etwas anderes: Union hat sich offensichtlich bemüht, und es auch immer wieder geschafft, sich spielerisch aus der Abwehrlinie zu lösen und den Ball in und durch das Mittelfeld zu bringen. Da hatten neben Marvin Friedrich auch Micha Parensen gute Momente, und hat sich auch das Potenzial des Duos Grischa Prömel und Robert Andrich angedeutet. Was aber komplett gefehlt hat, war ein Weg in den Strafraum. Das hatte mit individuellen Formschwankungen zu tun (Marius Bülter hatte keinen guten Tag, die Flanken waren ungewöhnlich schwach).

Bitter war dann, dass Union in den ersten Minuten der zweiten Halbzeit einige Male sehr gut selbst auf der linken Seite in den Strafraum kam, aber wieder die Vorlagen in die Strafraum-Mitte nicht gepasst haben. Nach dem Rückstand, der sich viel zu schnell verdoppelt hat, war Union dann in der für diese Mannschaft maximal ungünstigen Position, defensive Absicherung aufgeben zu müssen, wenn nach vorne noch etwas gehen soll. Darauf ist aber weder Unions Defensive noch die Offensive ausgelegt, und so hat dann auch die letzte halbe Stunde ausgesehen.

Was nehmen wir nun mit in den Rest der Saison? Ich müsste lügen um zu sagen, dass ich mir gestern nicht doch noch einmal Sorgen um Unions Stand in der Tabelle gemacht hätte. Insgesamt sollte der aber mit Blick auf den Abstieg immer noch gesichert sein. Dieses Spiel hat aber eben auch Baustellen klar aufgezeigt.

Die Berliner Medien über das Derby

Die BZ bringt uns die Erkenntnis näher, das Derby nicht noch einmal so erleben zu wollen, und schaut auf einige Kneipen, wo Union- und Hertha-Fans das Spiel zusammen geschaut haben (die gleiche Idee haben auch die Berliner Zeitung und die Morgenpost). In meinen Augen ist das immer noch eine ziemlich schlechte Idee.

Der Mai vor einem Jahr

Wer noch etwas Aufheiterung braucht: Vor genau einem Jahr hat Union in der Relegation in Stuttgart gespielt, und es war ein unfassbar guter Auswärtsspiel-Tag.


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8 Kommentare zu “Wir wären trotzdem gern da gewesen

  1. Ich hatte ja ne Derbykarte. Aber daß es dann so laufen würde, hätte ich nie gedacht. Das Ergebnis: Nebensache!
    Chronologie des Irrsinns:
    War um 20.00 im Hot and Spicy am Ostkreuz verabredet. Überraschend leer – 2 Bier. 20.20, 10‘ vor Anpfiff (es lief noch 2. Liga auf Sky) Frage an den Kneiper: Union läuft doch? „Nee, glaube wir haben den Kanal nicht.“ Ringsrum TV-technisch tote Hose.
    Plan B: Sportkneipe am Ostbahnhof. 2 Stationen S-Bahn. Erreichen den Laden tatsächlich zur Anstoßzeit. Da probieren sie schon wie verrückt an der Fernbedienung rum. Auf DAZN läuft aber nur Snooker. Wir sagen: Getränke erst, wenn Ihr den Kanal findet. Barmann telefoniert hektisch mit dem Chef am Potsdamer Platz. Derweil schaltet er lustig 1800 Kanäle durch. Ich versuche am Tresen einzugreifen. Nützt alles nichts. Er findet nur Sky und andere nutzlose Sender. Inzwischen sind 30‘ rum. Aber noch 0:0 wie wir von Leuten erfahren, die auf dem Handy schauen. Den wenden wir uns dann zu. Denn auch das Freibier, das sie wegen der Chaoslage spendieren, hilft ja nicht weiter. Auf dem Mini-Display passiert nicht viel. Plan C: in der Halbzeit runter zu Penny, Bier kaufen, dann draußen auf dem Handy-Bildschirm weiter sehen. Gesagt getan. 4 Becks („nur die sind kalt“ sagt der Kassierer) für 4,60, dann draußen an die Tische aus Euro-Paletten, Handy an 2 Bierbüchsen gelehnt. Nette Truppe: eine Fanbeauftragte von Union in Kurzarbeit und ein jetzt arbeitsloser Kreuzfahrtschiffsoffizier aus Marzahn, der Union sonst aus der Ferne verfolgt. Kneipenpersonal entschuldigt sich 1000 mal für das Desaster und ist froh, daß der Chef technische Probleme geltend macht: „Sonst hätte der uns morgen wieder zusammen geschissen.“ Es folgt der desillusionierende Verlauf von HZ2, so daß wir generelle Probleme von Fußball in Zeiten von Corona auf erstaunlich hohem Niveau diskutieren können. Und uns über ein im Tisch eingeritztes Hakenkreuz beim Personal beschweren. Das Datenvolumen reicht gerade noch bis zum Abpfiff und dann kommt auch schon mein Bus. Ein denkwürdiger Abend.

  2. silberhacke

    leider wörtlich zu nehmen: „sang- und klanglos“ verloren. man kann verlieren, klar. aber ohne auf den putz zu hauen, ohne zu singen und zu schreien, die niederlage hinnehmen zu müssen, ist schlicht sinnlos und frustriert ungeheuer. ich fühl mich betrogen. ein blöder quatsch sind diese geisterspiele. hertha jetzt geisermeister – geschenkt.

    EISERN

  3. Ich finde es am bedenklichsten, dass wir zu wenig das Spiel machen können und uns daher ein Plan B fehlt, wenn wir zurückliegen. Daher können wir auch keinen 0:1-Rückstand drehen. Dazu kommt, dass die Gegner inzwischen unsere Spielweise kennen und Mittel dagegen gefunden haben. Und der zwölfte Mann fehlt uns jetzt mehr als anderen, die generell weniger von ihren Fans angefeuert werden. Ok, das sind alles keine neuen Erkenntnisse, aber das Derby hat sie bestätigt. Daher mache ich mir für den Abstiegskampf durchaus Sorgen. Nun, hoffen wir, dass es gegen Mainz besser läuft! Und ohnehin gilt, ob Sieg oder Niederlage: UNVEU!

  4. SORGENKIND

    Ich bin mir ganz sicher, das Union die Qualität für die erste Liga besitzt. MEn sollten 4,5 weitere Punkte auf der Habenseite reichen um auch nächstes Jahr erstklassig zu sein. Der Sieg gestern war irgendwie tagesform abhängig. Geschenkt. Berlin braucht beide Vereine in der Liga! Ich sowieso…

  5. Karl Lehmann

    Eine blutleere und uninspirierte Vorstellung.
    Die Erstliga Tauglichkeit kann man da schon mal in Frage stellen.
    Schon wieder „Mund abputzen und weiter gehts“?
    Danke Union für den tollen Kampf gestern Abend!

  6. Ich fand es nicht blutleer, aber in den entscheidenden Momenten einfach zu fehlerhaft, offensiv wie defensiv. Das sollte man durch Training beheben können.

  7. Eiserner66er

    Vielleicht auch mal anderen Spielern die Chance geben sich zu zeigen. Damit wir eben grade weniger ausrechenbar sind. Enttäuschend das Spieler wie Polter, Gogija, Kade oder auch Flecken so wenig Chancen bzw.gar keine Chancen und Möglichkeiten bekommen sich zu beweisen. Bei nunmehr fünf Auswechselmöglichkeiten kann doch da auch mal schneller reagiert werden.

    • @eiserner66er Gogia ist noch in der Reha. Er war noch nicht im Mannschaftstraining. Polter hat gegen Hertha gespielt. Von Kade und Flecker würde ich jetzt allein einen Umschwung erwarten.

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