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„Dieser Film ist keine Propaganda.“

In seinem Film „Das Rudel“ begleitet Regisseur Alexander Schimpke die Ultras vom Wuhlesyndikat an zwei Spieltagen. Der Streifen erhielt letztes Jahr beim Dokumentarfilmfestival in Leipzig eine „lobende Erwähnung“ durch die Jury. Nach der Vorstellung des Filmes beim 1. FC Union Berlin Abend des Fußballfilmfestivals 11mm kamen einige Fragen auf, die wir an Alexander Schimpke weitergereicht haben.

An Ihrem Film „Das Rudel“ wurde bemängelt, dass es kein richtiger Dokumentarfilm sei. Es wird vorgeworfen, dass Sie sich zum Sprachrohr derjenigen machen würden, die Sie porträtierten. Wie stehen Sie dazu?

Zuerst würde ich gerne wissen, wer das wo festlegt, was ein richtiger Dokumentarfilm ist?! Aber im Ernst: Ich denke, dass dieser Film ein authentisches Bild der Szene ist. Er zeigt, wie diese Szene funktioniert und welche Bedürfnisse bedient werden. Und das war mir auch wichtig, dass der Film dieses authentische Bild ist. Aber das heisst noch lange nicht, dass dieser Film Propaganda ist, oder ich ein Sprachrohr bin. Ein Sprachrohr gibt die Meinug anderer wieder. Wenn ich aber aus 2 Millionen Möglichkeiten, wie man diesen Film gestalten kann, eine Möglichkeit auswähle, dann steckt da sehr wohl eine eigene Meinung und Haltung dahinter. Alles in diesem Film beruht auf Beobachtungen, Überlegungen und Entscheidungen, die ich mit meinem Team zusammen getroffen habe. Und natürlich ist dieser Film dann ein Ausdruck meiner Sicht auf die Dinge. Und auch wenn ich aus einer anderen Perspektive erzähle, heisst das ja nicht, dass ich als Autor nicht mehr existiere. Es kam ja auch keiner und hat gesagt „Schreib drei Zeilen zu Gewalt und dann bitte nur noch von Fahnen und Auswärtsfahrten!“. Natürlich gibt es auch Dinge, die ich außen vor lasse. Aber wenn ich einen Film mache, muss ich mich immer irgendwie beschränken – und zwar auf das, was ich als wesentlich empfinde. Dass ich eine Sympathie für die Leute habe, mit denen ich es zu tun hatte, das steht außer Frage. Aber dass man merkt, dass hinter diesem Film ein Autor steht, der die Leute mag, mit denen er es zu tun hat, das ist für mich kein Verbrechen.

Ich glaube auch, dass es ein Missverständnis ist, wenn es um Dokumentarfilme geht, dass diese so weit wie möglich objektiv sein müssten. Mir geht es beim Filmemachen darum, auch beim Dokumentarfilm,  meine persönliche Sicht auf die Dinge zu vermitteln. Ich meine jetzt nicht, dass ich irgendwelche Lügen oder Unwahrheiten auftischen will. Aber es gibt eben auf alles eine unterschiedliche Sicht.

Sie haben den Film voriges Jahr auf dem Dokumentarfilmfestival in Leipzig vorgestellt. Wie waren die Reaktionen dort?

Also erstmal habe ich es als eine sehr große Ehre empfunden, dass wir dort im Deutschen Wettbewerb laufen dürfen. Was bis zu mir durchgedrungen ist, war in der Regel positiv. Das war zum Teil richtig schön von den Reaktionen. Natürlich habe ich auch Kritik bekommen, aber ich fand das absolut im Rahmen. Ich habe auch nicht den Anspruch, einerseits unfehlbar zu sein, und anderseits will ich es ja auch nicht allen recht machen. Ein bißchen ätzend war es dann, im Nachhinein die Berichterstattung zu verfolgen, wenn man merkt, dass da Leute versuchen, einen vorsätzlich runter zu machen, mich zu diskreditieren mit falschen Zitaten oder völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Aussagen – mir aber gleichzeitig dokumentarisches Versagen vorzuwerfen. Das finde ich schon sehr komisch. Aber wenn sich einer empört, dass ich die vedreckten Züge bei Auswärtsfahrten unterschlagen würde, dann denk ich mir auch: Meine Güte, hat der mal aus Versehen im falschen Zug gesessen? Ich glaube, für manche sind die Leute aus dem Film und ihr Verhalten einfach nur Pöbel. Mehr nicht. Und dann ist dieser Film natürlich eine Provokation.

Der Film wird durch eine Stimme aus dem Off begleitet, Gesprochen von einem Mitglied der Ultravereinigung. Dadurch entsteht der Effekt, dass man meint, die „innere Stimme der Ultras“ zu hören. Wie ist der Text für die Off-Kommentare entstanden? Waren die Ultras daran beteiligt?

Der Text ist so entstanden, dass ich Gespräche mit den Ultras geführt habe, die ich aufgezeichnet habe. Ich habe dann den Text geschrieben und mich orientiert an Aussagen, die ich wichtig fand oder die mich berührt haben. Die Art, wie sich die Leute ausdrücken, war natürlich sehr unterschiedlich. Daraus konnte man nicht eine Textfigur machen. Ich habe also nicht 1:1 übernommen, sondern neu getextet und dabei mit Kernaussagen oder einzelnen Formulierungen gearbeitet, die ich eben aus den Interviews hatte. Der Text ist in dem Sinne also keine wirkliche Collage. Und wie schon gesagt, mir war es aber sehr wichtig, dass der Text von den Protagonisten als echt empfunden wird, dass sie sagen können: „Ja, wir können uns darin wiederfinden.“ Da ich nicht aus Berlin komme, war alles in Hochdeutsch geschrieben, abgesehen von bestimmten Redewendungen, und der Sprecher hat den Text dann sozusagen zurück ins Berlinerische übersetzt.

Im Film nimmt man die Ultras in ihrer Selbstsicht wahr. Die Kamera nimmt meistens die Blickrichtung des Capos ein. Warum haben Sie auf Szenen von der Vorbereitung der Chroreographien, von Diskussionen oder Konflikten verzichtet? Dem Zuschauer wird es dadurch ja nicht sehr einfach gemacht, das Geschehen einzuordnen.

Das hat unterschiedliche Gründe. Zum einen wollte ich den Film auf einen Spieltag reduzieren. Auch weil ich zum Beispiel bei vielen der englischen Hooligan-Filme den Eindruck hatte, dass es nicht funktioniert, diesen wöchentlichen Rhythmus, die ständige Wiederholung dramaturgisch zu verarbeiten. Ich dachte, die Emotionen, um die es geht, die liegen ja in jedem einzelnen Spiel, wie eine Essenz. Warum sollte ich das wieder verdünnen?

Diskussionen oder Konflikte sind, glaube ich, vor allem dann spannend, wenn es um eine Entwicklung geht, an der man teilhaben kann als Zuschauer. Aber das Thema war das eben nicht, dass jetzt die Entwicklung Einzelner oder einer ganzen Gruppe beobachtet wird über eine gewisse Zeit. Und ein wichtiger Grund ist, dass eine Kurve ihre Anziehungskraft durch das Raue und Martialische entwickelt, was ich eben filmisch unterstreichen wollte. Und das führt dann zu einer bestimmten Form, die dieser Film nun hat. Ich wollte mich konzentrieren auf bestimmte Aspekte und diese filmisch, mit gestalterischen Mitteln, darstellen. Und ich gehe gleichzeitig von einem mündigen Zuschauer aus, der seine eigene Meinung hat und sehr wohl in der Lage ist, das Gesehene zu reflektieren und sich seine Gedanken dazu zu machen, ohne dass man ihm zehnmal die Moral von der Geschichte vorkaut.

Würden Sie heute den Film genauso schneiden oder in bestimmten Punkten ändern, und wenn ja, in welchen?

Die Frage ist ein Jahr zu früh… Jetzt ist das alles noch frisch und man hat ja alles aus bestimmten Gründen gemacht. Und ich finde es richtig, wie wir es gemacht haben. Aber wie gesagt, wir sind jung und nicht unfehlbar. Vielleicht schaut man in einem Jahr wieder mal den Film und sagt, das und das vielleicht ein bißchen anders. Aber jetzt würde ich sagen, dass ich es es genauso machen würde.

Bisher wurde der Film einmal in Leipzig und einmal in Berlin gezeigt. Wird es eine weitere Verwertung geben? Aus den Reihen der Fans wird zum Beispiel stark nach DVDs zum Kaufen gefragt. Kann man damit rechnen?

Wir dürfen den Film noch am 16. April in Hamburg und danach in Linz auf Festivals zeigen, was mich sehr freut. Vielleicht kommt noch was hinterher. Das muss man sehen und wäre natürlich schön. DVDs sind leider nicht möglich, weil wir dafür Lizenzgebühren zahlen müssten für bestimmte Fremdrechte, wie zum Beispiel Archivmaterial oder Musik. Und das Geld haben wir leider nicht. Es freut mich natürlich, wenn es den Wunsch gibt. Nur leider muss ich da enttäuschen…


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4 Kommentare zu “„Dieser Film ist keine Propaganda.“

  1. Seinen Anspruch hat Alexander Schimpke auf jeden Fall erfüllt. Der Film zeigt einen guten kleinen Einblick in das „Innenleben“ der Ultras.

    Sehr gut auch die Reaktion auf die Frage nach einem „echten“ DokFilm. Eine gute Frage, wer definiert so etwas? Warum sollte ein Dokumentarfilm neutral sein. Darf man nicht mit einem Tierfilm vergleichen, wo die Macher auf gar keinen Fall in den Lauf der Natur eingreifen wollen …

    Man darf auch nicht vergessen, dass es sich um ein studentisches Erstlingswerk (in dieser Länge) handelt und das Budget wahrscheinlich eher überschaubar war. Sonst hätte man vielleicht ausführlicher auf das Geschehen rund um den Spieltag eingehen können, doch dann wäre es auch ein ganz anderer Film geworden.

  2. ich hoffe, dass es noch Möglichkeiten gibt sich diesen Film in Berlin anzuschauen.
    Sehr schönes Interwiev.

    Am Wochenende habe ich bei meinem Sohn erste Ultra Ansätze entdeckt. Die Choreo und das Lied für Tusche haben ihn schwer beeindruckt. Nachdem er schon die Aktion beim Werder Spiel Klasse fand, wie er mir am Sonntag erzählte. Jedenfalls findet er die Ultras sehr cool und als wir am Eingang standen und er nicht abgetastet wurde, meinte er zu mir, dass dies doch doof sei, wenn ich Bengalos mitnehmen wollte, bräuchte ich sie doch nur ihm zu geben. *hüstel*

    Tja so geht das wohl.

  3. @Palei: Na dann lass ihn lieber nicht den Film sehen, sonst steht er nur noch beim TSK :-)

  4. @David noch muss er bei seinem alten Herrn an der Mittellinie rumstehen mit seinen 8 Jahren. Aber ich befürchte mal, dass ich ihn nicht mehr lange halten werde.

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