Blog State of the Union

Eine Gelegenheit zu sehen, wozu unabhängige Journalisten gut sind

Normalerweise schreiben wir hier an Tagen vor einem Spiel über die Themen, die aus der Pressekonferenz am Tag zuvor entstehen. Das geht in dieser Woche nicht, denn eine wirkliche Pressekonferenz hat bei Union gestern nicht stattgefunden, womit sich gegen Ende einer sportlich missratenen Saison nun der Konflikt zwischen dem Verein und den Berliner Medien zuspitzt.

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Journalisten bei Union sehen mehr von der schwarzen Folie um die Trainingsplätze als von Trainer Hofschneider, Photo: Matze Koch

Diese Zuspitzung besteht darin, dass die Berliner Medien sich gestern entschieden, nicht an der Pressekonferenz teilzunehmen. Damit reagierten sie darauf, dass die Spieler seit Wochen keine Interviews geben und es kaum öffentliche Trainingseinheiten gibt. Damit fehlt die Informations-Grundlage, auf der Pressekonferenz journalistische Fragen zu stellen. Die Sichtweise der Journalisten schildert der RBB (der neben dem Neuen Deutschland als einziges Medium auf der Pressekonferenz vertreten war).

Was die Berliner Medien trotzdem schreiben:

Man kann verstehen, dass Interviews zu geben den Spielern in den letzten sechs Monaten selten Spaß gemacht hat. In dieser Zeit stellten sich mangels sportlicher Fortschritte ja in der Tat oft die selben Fragen, auf die sie (im Rahmen dessen, was man als Fußballer in Interviews eben so sagt) nur Antworten geben konnten, die sich für sie immer gleich anhören. Daraus folgt aber nicht, dass diese Antworten keinen Informationswert haben, oder dass es für Journalisten nicht wichtig ist, Fragen stellen zu können. Gleiches gilt für die (medien-)öffentlichen Trainings.

Vor allem hat Unions sportliche Krise aber nichts mit einer übermäßig kritischen oder reißerischen Presselandschaft zu tun, die es in Unions Umfeld schlicht nicht gibt. Das zeigt gerade die Amtszeit von Hofschneider (über die gerechnet Union weiterhin Tabellenletzter ist).

Dass unabhängige Journalisten, die sich täglich mit ihrem Thema befassen, wichtig sind, hat man der ‚Pressekonferenz‘, die dann stattfand, auch angesehen. Dort interviewte sich der Verein (in Person von Trainer Hofschneider und Pressesprecher Christian Arbeit) vor allem selbst. Aussagen wie die von André Hofschneider über die Schiedsrichter-Leistungen bei den letzten Auswärtsspielen (mit denen Hofschneider „nicht immer zufrieden gewesen“ sei) werden dabei nicht hinterfragt. Dabei sind diese Aussagen, die sich konkret auf die gelb-rote Karte für Marvin Friedrich bei St. Pauli und einen angeblich klaren, nicht gegebenen Elfmeter in Kaiserslautern bezogen, durchaus wert, kritisch beleuchtet zu werden.

Denn Kritik an Schiedsrichtern ist immer unsouverän. Umso mehr, wenn sie sich auf Entscheidungen bezieht, die korrekt waren, oder die knapp zwei Monate zurück liegen – Zeit, in der genug passiert ist, auf das man selbst Einfluss nehmen konnte.

Ob nun Umfragen wie diese in der B.Z. der journalistischen Weisheit letzter Schluss sind, mit dem Thema umzugehen, lasse ich mal dahingestellt. Nur soviel: Das mit Referenden, die 53-47 ausgehen, eine Sache nicht unbedingt entschieden und besiegelt ist, konnte man in den letzten anderthalb Jahren ja an einem prominenten Beispiel gut lernen.

Spiel-Plan

Erfahren konnte man in André Hofschneiders Ausführungen dann noch, dass sich Grischa Prömel ‚auf dem Weg zurück ins Mannschaftstraining befindet,‘ Felix Kroos nach Wochen, in denen er trotz Schmerzen gespielt hat, ein Belastungslimit erreicht hat (auch das ein Thema, das Nachfragen verlangt), und dass Christoph Schösswendter sich im Training bei einem Zusammenstoß verletzt hat.

Bei Darmstadt gab es im Gegensatz zu Union eine Pressekonferenz, die sogar rekordverdächtig ausführlich lang wurde. Man darf den Ausführungen von Trainer Dirk Schuster entnehmen, dass Darmstadt gegen Union keinen Fußball zeigen wird, der sich allzu sehr von der Herangehensweise unterscheidet, die den St. Paulianer Bloggerkollegen Tim Eckstein zu diesen schönen Zeilen animiert hat:

Meine persönliche Erwartung an ein Fußballspiel sinkt immer massiv, wenn Darmstadt 98 beteiligt ist. Das war vor allem unter Dirk Schuster im Aufstiegsjahr und dem ersten Jahr in der 1.Liga so. Norbert Meier und Thorsten Frings haben der Truppe aber auch den Teufel nicht austreiben können. Und nun ist Dirk Schuster sogar wieder Trainer. Noch bevor wir weiter darüber diskutieren, ob uns der schleichende Zerfall von 50+1 oder die zunehmende Kommerzialisierung den Fußball kaputt macht, müssen wir uns über den Fußball den Darmstadt 98 salonfähig gemacht hat, unterhalten. Das mag recht drastisch formuliert sein, aber das Interesse an dem Spiel Fußball als solches hat in der 2.Liga in den letzten Jahren massiv abgenommen.

Trotzdem ist mir, als ich darüber nachgedacht habe, wie das Spiel laufen könnte, ein Vergleich zu einem der Champions League Halbfinals eingefallen (und das noch bevor Dirk Schuster nach seiner Einschätzung der Chancen von Bayern für das Rückspiel gefragt wurde). Dirk Schusters Fußball besteht offensiv vor allem immer aus langen Bällen auf die Außen, wo idealerweise jemand schnell ist und den Ball in die Mitte ablegen oder flanken kann. So etwas ähnliches hat auch Liverpool gegen Rom gemacht (nur eben, wie Niko Kovac sagen würde, dem ‚Stand jetzt‘ besten Spieler der Welt). Das Problem der Roma war, dass sie mit einer hoch stehenden Dreierkette das Ziel für diese langen Bälle sehr groß gemacht haben. Eine ähnliche Erfahrung hat Union schon im Hinspiel gegen Darmstadt gemacht. Eine Wiederholung dessen sollte Union, ob mit Dreierkette oder Vierer-Abwehr mit hoch aufrückenden Außenverteidigern, vermeiden, wenn man sich endgültig vom Morast der Tabelle entfernen will.

https://www.instagram.com/p/BiAV8-KljBR/

Stadion und Lizenz

Vorschnell-bis-falsch wurde gestern berichtet, Holstein Kiel bekäme keine Lizenz dafür, im Fall eines Aufstiegs im heimischen Stadion in der Bundesliga zu spielen. Der Verein kommentierte eine dementsprechende Meldung von Sky mit dem Hinweis, um eine Ausnahmegenehmigung gebeten zu haben.

Auf keinen Fall ist davon auszugehen, dass Kiels Teilnahme an der Bundesliga überhaupt an der Stadionfrage scheitern wird.

Abstiegskampf

Während Union nur noch davon träumen kann, in der Zweiten Liga mit Kiel um den Aufstieg zu konkurrieren, ist vor Holstein zu landen das essentielle Ziel der A Jugend von Union. Aber unter anderen Vorzeichen. Denn das Thema Abstieg ist für Unions U19 noch akuter als für die Zweitligamannschaft. Vor den letzten beiden Spieltagen (zuhause gegen den oberen Tabellennachbarn Niendorf, bei Wolfsburg das im vorderen Tabellen-Mittelfeld steht) hat Union einen Punkt Vorsprung auf Kiel (Holstein spielt noch gegen Braunschweig, dessen letzte Chance das ist, den Abstieg zu verhindern, und bei Dresden, wie Wolfsburg im Mittelfeld).

Anpfiff im FEZ ist am Sonntag um 13 Uhr.

Tusche-Watch

Nachdem Altglienickes erstes Spiel mit Torsten Mattuschka und Lothar Hamann als Trainergespann dramatisch-unglücklich verloren ging, gibt es besorgte und mutmachende Texte zu lesen. Und ein Interview mit ihrem Vorgänger, das ein bisschen an eine andere Trainerentlassung in dieser Saison erinnert.

Und sonst so

Marta Torrejon, ist Unionern bekannt als die Schwester von Marc Torrejon, vor allem aber selbst langjährige Stammspielerin der spanischen Nationalmannschaft und des FC Barcelona.

Mit diesem Tweet unterstützt sie die Proteste gegen ein Urteil der spanischen Justiz, in dem fünf Männer ’nur‘ wegen sexueller Misshandlung verurteilt wurden – und nicht, wie weithin verlangt, wegen Vergewaltigung.


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16 Kommentare zu “Eine Gelegenheit zu sehen, wozu unabhängige Journalisten gut sind

  1. Fürwahr eine bizarre Veranstaltung, die gestrige ‚PK’…

  2. Ich hätte bei 2/3 aller Pflichtspiele des 1.FC Union gegen den SVD deutlich lieber Auftreten und Spielweise des Gegners auf unserer Seite gesehen. Was einen St.Paulianer zu einer solchen Aussage bewegt, kann ich aber nicht einschätzen.

  3. Jens Otto

    ich bin was die Art und Weise wie Union seit gut 5 Monaten kommuniziert auch hin- und her gerissen, auf der einen Seite verstehe ich dass es nicht einfach ist über den Trainerwechsel am 4. Dezember 2017 zu berichten, anscheinend gibt es da auch Dinge die man nicht berichten darf, alles verständlich, auch verstehe ich dass man nicht all zu viel sagen möchte, es ist (fast) alles gesagt, viel diskutiert worden ABER trotzdem wirkt das Verhalten nicht souverän und macht uns angreifbar. Ich mag viele Medien (SKY, Bild, BZ, teilweise (!) Berliner Kurier, Sport 1, teilweise Nitro) wegen ihrer Schlagzeilenhascherei auch nicht, ABER trotzdem sind Medien wichtig. Und: hatte man nicht Fachleute wie Andreas Lorenz extra dafür geholt dass die externe Kommunikation besser funktioniert? Mir kommt es so vor als ob so einige im Forsthaus und dem Umfeld in ihrem eigenen Wolkenkuckucksheim leben, wer Kritik übt wird nieder gemacht und verunglimpft, aufgefordert doch die Verdienste der Vereinsführung zu achten und solidarisch zu sein, sonst sei man ja kein Unioner etc.

  4. @Jens Otto: „Mir kommt es so vor als ob so einige im Forsthaus und dem Umfeld in ihrem eigenen Wolkenkuckucksheim leben, wer Kritik übt wird nieder gemacht und verunglimpft, aufgefordert doch die Verdienste der Vereinsführung zu achten und solidarisch zu sein, sonst sei man ja kein Unioner etc.“

    Hast du hierfür Beispiele?

  5. Andreas Lorenz ist laut Eigenmeldung bei Facebook (10 Dinge, von denen ich denke, dass ich sie denke, Punkt 6 vom 22. April) seit einigen Tagen nicht mehr bei Union angestellt.

  6. Jens Otto

    @ Henrik: schau dich bei facebook um, in den entsprechenden Unioner-Gruppen, auch hier gab es das schon, @ Sebastian, bunkinho: oh danke für die Info, es müsste aber auch noch andere im Forsthaus geben die in der Lage sein sollten professionell zu kommunizieren

  7. Jens Otto

    Ergänzung: nun werde ich mich wieder zurückhalten und die Klappe halten wie ich es die letzten 4 Wochen schon getan habe und nichts weiter schreiben!

  8. silberhacke

    Verstörend, wenn NEUES DEUTSCHLAND exklusiv berichtet. Und auch das Übrige hält man kaum aus in der Birne.

  9. Ich schließe mich da Jens Otto an. Man möchte doch gerne zu den Top 20 gehören und da gehört nun mal auch die Öffenlichkeitsarbeit dazu. Anderseits schottet man sich derart ab. Was soll das bringen? Das zeigt mir nur , dass die derzeitigen Verantwortlichen der Sache nicht gewachsen sind. Aber Herr Munack hat recht , abgerechnet wird am Ende und dann hoffentlich mit allen Konsequenzen.

  10. Robert. W

    Was ist denn der tatsächliche Erkenntnisgewinn der Presse oder der gegnerischen Mannschaft ein Training zu beobachten.Für Standardsituationen? Wahnsinnig kreative Ausführungen nehme ich nicht war. Die Aufstellung und/oder Taktik? Sowieso bei 8 von 11 Spielern klar und auf die anderen Alternativen muss man sich einstellen…
    Dem Gegner nützt im Zweifel ein Video der vorangegangen Spiele eh mehr als irgendeine Trainingseinheit.
    Für mich wirkt es daher eher fast bockig und eingeschnappt – auf jeden Fall unsouverän. Lasst sie doch zugucken!

  11. Wuhleblut

    Bla bla bla, Vermutungen, Spekulationen.

    „Schlechte Kommunikation, weil die Verantwortlichen …bla bla.“
    „Man möchte doch zu den oberen top 20… blaaaa“

    Meine Güte das eine schließt das andere nicht aus.
    Mich nerven diverse pseudo (sorry) Journalisten der Axel Springer Presse. Sind bei jeder PK aus auf Schlagzeilen, statt auf Info und packen in ihre Artikel viel eigene Meinung und Spekulation. (Ob positiv oder negativ für den Verein)

    Ja dann trainiert Union jetz die letzten Spiele eben nicht öffentlich und nun? Haben wir halt mal paar „Infos“ weniger.
    Eisern, ab nach Darmstadt

    (Der Text könnte etwas aggressiv rüberkommen, ich glaube meine volle sbahn is schuld :D)

  12. @Jens Otto: Du meinst also mit „Forsthaus und dem Umfeld“ nicht den Verein sondern Fans, das klang nicht so und kann missverstanden werden.

  13. Das ist halt deine Meinung Wuhleblut, aber nicht meine bla bla bla.

  14. Ich finde es ehrlich gesagt ganz gut, was die aktuelle Nicht-Pressearbeit angeht.
    Die Jungs können sich mehr auf Fussball fokussieren und bekommen von der Unruhe im Umfeld möglicherweise nicht mehr so viel mit. Back to the roots, wie in den 80ern.

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