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Nachtschicht

Auch die schönste Baustelle der Welt will beschützt sein. Und wenn Steffi und Andora einladen, eine Nachtwache im Stadion an der Alten Försterei zu machen, sollte man die Gelegenheit beim Schopfe packen. Eine Nachtwache dauert von sechs Uhr abends bis sechs Uhr morgens. Es sollte also viel Zeit bleiben, den beiden zuzuhören. Protokoll einer Nacht.

  • 18.00 h Die roten Dachträger strahlen in der Abendsonne. Andora überreicht mir zwei große Schlüsselbünde. Daneben steht Zinni, der mir den wichtigsten Schlüssel erklärt: „Der verbogene ist für das Häuschen mit der Anzeigetafel.“ Zinni kennt mich oder auch nicht. Genau kann ich das nicht feststellen. „Ich stehe immer da hinten.“ Er deutet in die entgegengesetzte Ecke des Stadions. Steffi kommt mit der Verpflegung und wird von Zinni begrüßt: „Du bist doch die mit der Website.“ Ich habe Zinni noch nie vorher gesehen, werde ihn aber nicht mehr vergessen.
  • 19.06 h Das Kabuff, das unser Nachtquartier werden wird, musste erst einmal durchgelüftet werden. Tradition kann manchmal ganz schön muffig sein. Die Zahlentafeln stehen in der Ecke. Eine Acht und eine Null fehlen. Das Telefon klingelt. „Ist jemand vom Baubüro da?“ Alle schon weg. Soll ich etwas ausrichten? „Sag einfach: Uschi, der Schweißer, hätte angerufen.“ Uschi also. Ist notiert.
  • 19.55 h Wir haben eine lange Stadionrunde gemacht. Andora erzählt. Und wenn Andora erzählt, möchte man sich jeden Satz merken. Ich möchte mal ein Buch über Union lesen, dass den Titel hat: „Andora erzählt.“ Er läuft und rudert mit den Armen. Zeigt auf die Stahlträger, die heute montiert wurden, setzt den Rasensprenger um. Andora ist immer in Bewegung. Dabei ist jetzt auch Gerrit: Ein Roter aus Hannover.
  • 20.40 h Die Tore sind verschlossen. Noch einige Jugendspieler sind in den Umkleiden. Wir sitzen vor dem Tor, durch das jemand einen langen Gummischlauch gezogen hat, auf dass dort steht: „Eisern Union!“ Dirk Zingler (Präsident) und Sylvia Weisheit (Projektleiterin Stadionbau) kommen vorbei, um sich das Stadion anzusehen. Andora kaspert vor dem Wagen des Präsidenten. Gerrit hat derweil einen Beleuchtungsballon aufgebaut und versorgt uns mit einem schönen aus fünf Metern Höhe.
  • 21.05 h Dirk Zingler und Sylvia Weisheit sind wieder weg. Andora kommt mit Taschenlampen und wir mit dem Essen zurück zum Tor. Der Ballon ist mittlerweile unser Privatmond. Steffi hat soviel Essen vorbereitet, dass man alle Stadiobauer davon satt bekommen hätte. Andora erzählt. Von Vom letzten Saisonspiel gegen Vorwärts Stralsund, für dass er die Schule geschwänzt hatte. Union hatte damals den Aufstieg verpasst und Andora beim Fahnenappell, der exklusiv für ihn veranstaltet wurde, eine von seinem Direktor verpasst bekommen. Andora erzählt von Potti und springt von Geschichte zu Geschichte. Mal ist es die Geschichte von Union und mal die von Andora. Genau kann man das gar nicht auseinanderhalten.
  • 23.20 h Wir machen eine letzte gemeinsame Stadionrunde zu viert. Es ist dunkel und sehr still. Am Trainingsplatz finden wir eine tote Ente. Ist wohl in der Dunkelheit gegen den Pfosten des Ballfangnetzes geflogen.
  • 01.10 h Andora klopft an die Tür. Alles ist in Ordnung. Er hat den Rasensprenger ausgestellt. Wir verabreden uns für kurz nach vier.
  • 03.50 h Etwas geschlafen. Nun betrachte ich die Bäume und Sträucher. Steht da jemand oder nicht? Die Vögel haben bereits mit ihrem Gezwitscher begonnen. Wird Zeit, dass die Nacht vorbei geht.
  • 04.35 h Die Kaffeekannen und Tassen werden abgewaschen. Der Kaffee für die Stadionbauer muss gekocht werden. Es ist sehr kalt geworden. Während der Kaffee durchläuft, geht die Sonne über dem Stadion auf.
  • 05.50 h Steffi öffnet das Tor. Sylvia Weisheit ist bereits wieder da. Wir trinken eine Tasse Kaffee und ich verderbe mir daran erneut den Magen. Wir verabschieden uns von Gerrit. Andora möchte sich schlafen legen. Ob er das neben dem Baulärm schafft?
  • 06.20 h Nach Hause.

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