Es ist spielfreie Zeit. Es gibt nichts Neues. Darum wird ein besonders altes Stück serviert. Als Redakteur der Schülerzeitung „Dreizeit“ aus Berlin-Hellersdorf hatte ich im März 1994 zusammen mit einem Freund die Möglichkeit, den damaligen Trainer von Union Frank Pagelsdorf zu befragen. Das Ergebnis ist ein perfektes Zusammenspiel zwischen unseren kickeresken Fragen und seiner Maulfaulheit.
Dreizeit: Nennen sie uns bitte ihren Werdegang als Fußballspieler.
Pagelsdorf: Zuerst spielte ich von 1978 – 84 bei Bielefeld und wechselte danach nach Dortmund. Zuletzte spielte ich von 1990 bis 1991 bei Hannover 96 und mußte dort wegen einer Knieverletzung meine Karriere aufgeben.
Dreizeit: Union ist ihre erste Trainerstation. Welche Probleme hatten sie?
Pagelsdorf: Am Anfang gab es Probleme, weil es hier Vorurteile gegen sogenannte Westbürger gab. Die Spieler haben mich jedoch bald anerkannt, weil ich auch die Sprache der Spieler spreche.
Dreizeit: Jetzt gibt es hier ja auch einen Präsidenten aus dem Westen.
Pagelsdorf: Ja, der Präsident kommt auch aus der alten Bmdesrepublik. Ich glaube wir haben jetzt auch so eine Mischung gefunden, die
dem Verein gut tut.
Dreizeit: Hatten sie Probleme bei der Anerkennung beim Publikum?
Pagelsdorf: Schwierigkeiten in dem Sinne, daß wir gleich unser allererstes Spiel verloren haben. Da dachten die natürlich, jetzt kommt da so ein oller Wessi und gleich verlieren wir. Aber danach habenwir 15 Spiele in Folge gewonnen, so daß es da keine Probleme mehr gibt.
Dreizeit: Wie wichtig ist das Publikum?
Pagelsdorf: Das Publikum ist ganz wichtig, denn es hat uns bei vielen schweren Spielen immer wieder angetrieben.
Dreizeit: Letztes Jahr waren sie in der Aufstiegsrunde Außenseiter, schafften jedoch den sportlichen Aufstieg. Dieses Jahr ist ihre Mannschaft Favorit. Haben sie Angst vor dieser Rolle?
Pagelsdorf: Sicherlich hat man mit dieser Rolle mehr Schwierigkeiten. In einer Aufstiegsrunde kam es jedoch jede Mannschaft schaffen. Außerdem haben wir uns dieeses Jahr spielerisch gesehen verstärkt.
Dreizeit: Welche Mannschaften wären ihre Lieblingsgegner?
Pagelsdorf: Jede Mannschaft die einmal dieses Ziel erreicht hat, will es dann natürlich auch schaffen. Damit sind alle Gegner, die dort auf einen warten schwer.
Dreizeit: Was glauben sie denn, welche Mannschaften in den anderen Staffeln Erste werden?
Pagelsdorf: Im Norden gibt es da noch einen harten Zweikampf zwischen Brandenburg und den Reinickendorfer Füchsen.
Dreizeit: Angenommen Sie steigen auf, welche Verbesserungen am Stadion wird es geben müssen?
Pagelsdorf: Es wird auf jeden Fall ein neuer Sanitärtrakt gebaut. Es wird auch sonst einiges geschehen.
Dreizeit: Wem sie nicht aufsteigen, werden Sie sich dann einen anderen Verein aussuchen?
Pagelsdorf: Im Moment weiß ich das noch nicht, aber ich habe noch einen bindenden Vertrag, und ich gehe davon aus, daß ich den erfülle.
Dreizeit: Welches ist die größte Schwäche Ihrer Mannschaft?
Pagelsdorf: Die wohl größte Schwäche ist bei uns, daß es einfach an bundesligaerfahrenen Spielern mangelt.
Dreizeit: Welchen Spieler, falls machbar, hätten sie gern?
Pagelsdorf (ohne zu zögern): Matthäus, Olaf Thon, Chapuisat und Tony Yeboah.
Dreizeit: Sie haben eine hervorragende Jugendabteilung. Gibt es hoffnungsvolle Talente?
Pagelsdorf: Ja wir haben viele Talente, und wir wünschen uns auch, daß viele Jugendliche, auch aus Hellersdorf, sich entschließen, bei uns Fußball zu spielen.
Dreizeit: Wenn sie Bundestrainer wären, was würden sie ändern?
Pagelsdorf (lacht): Ich glaube doch, daß die Spieler, die jetzt vorhanden sind, in der Lage sindwieder Weltmeister zu werden. Der Berti
wird das schon richtig machen.
Dreizeit: Haben sie Hobbys?
Pagelsdorf: Ich spiele sehr gern Tennis.
Dreizeit: Und Familie?
Pagelsdorf: Nein. In diesem Beruf ist man einfach zu viel unterwegs. Da hatte ich noch keine Zeit für.
Dreizeit: Zu welchem Verein haben sie ein gutes Verhältnis?
Pagelsdorf: Borussia Dortmund.
Dreizeit: Aber sie schafften es ja auch die Bayern zu einem Freundschaftsspiel nach Berlin zu holen.
Pagelsdorf: Ja, und am 1 . Mai spielen wir gegen den 1. FC Köln, und da hoffe ich auch auf viele Fans.
Dreizeit: Wer wird Deutscher Meister?
Pagelsdorf: Bayern München!
Dreizeit: Ihre Mannschaft ist auch noch im Paul-Rusch-PokaI vertreten. Das ist ihre Chance, falls es mit dem Aufstieg nicht klappt, nächstes Jahr im DFB-Pokal für Sensationen zu sorgen.
Pagelsdorf: Ja, das stimmt. Wir spielen am 13. 4. 1994 gegen den FC Berlin.
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das ganze interview erinnert mich an was, was ich unlängst bei Torsten Wieland über Jürgen Klopp gelesen hab, http://koenigsblog.net/2009/07/15/ordentlich-reden/, ist aber komischer, wegen zeitgeschichtlichkeit. und natürlich wegen westbürger :)
Erinnert irgendwie an Herrn Perez, der Herr Pagelsdorf. 2 Stürmer, ein torgefährliche Mittelfeldspieler und ein offensivstarker Libero…
Und wieso ließ er sich von einer Schülerzeitung interviewen?
Zu dem Interview bin ich damals eher zufällig gekommen. Die Mannschaft trainierte in einem Fitneßstudio, das Bekannten meiner Eltern gehörte. So kam der Kontakt zustande.
Das Interview fand dann im Trainerraum am Stadion an der Alten Försterei im Anschluß an ein Mannschaftstraining statt.
Ach so, ich dachte schon, es sei Teil des Marketinginstrumentariums gewesen, mit dem man den Westbürger ins rechte Licht rücken wollte.