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Kino: The Class of ´92

The Class of ´92 feiert das Manchester United von Ryan Giggs, David Beckham, Paul Scholes, Nicky Butt und den Neville-Brüdern Phil und Gary. In der Saison 95/96 entschied Alex Ferguson, sie von der Jugendmannschaft in den Profikader zu berufen. In dem Dokumentarfilm von Ben und Gabe Turner werden die Anfänge der Jungprofis bis zum Championsleague-Finale 1999 nachgezeichnet. Zugleich werden die Entwicklung einer Mannschaft und die Veränderungen im England der 90er Jahre sichtbar gemacht. Ganz nebenher ist es ein Film über das Älterwerden (nur in wenigen Fällen: über das Erwachsenwerden).

Um die Teenagerjahre seiner Protagonisten zu zeigen, greift der Film auf Archivmaterial zurück. Dagegen geschnitten werden neue Interviews, in denen Giggs und Kollegen aus der Nachkarriere-Perspektive ihre Jugend bei Manchester United beschreiben. Initiationsriten, besondere Fußballmomente, Jugendsünden. Aber sie charakterisieren auch einander und wirken gerade dabei noch immer wie ein Team. Zwar entsteht trotz der Anekdoten, die sie erzählen, nicht der Eindruck, man kenne sie jetzt persönlich. David Beckham bleibt der, den seine Mitspieler als „zu hübsch für Fußball“ empfanden und dessen popkulturelle Anwandlungen sie eher mit Sorge betrachteten. Es entwickelt sich aber ein Gespür dafür, warum diese Mannschaft soviel Erfolg hatte: Weil selbst David Beckham ein Teamplayer war. Am Ende entsteht das Bild von sechs recht unbekümmerten Teenagern, die sich gemeinsam und nicht als Konkurrenten in das Abenteuer Profifußball stürzen.

Zwei besondere Kommentatoren hat der Film. Eric Cantona, der eben dieser stark verjüngten Mannschaft von Manchester United angehörte. Im Film nimmt er die Rolle des bärbeißigen Teddys ein, den man hat, weil man ihn schon immer hatte, und sagt im gewohnt französischen Englisch rätselhafte Sachen. Der zweite Kommentator ist Zinedine Zidane: Sparsam mit Worten, höflich und elegant in jeder Geste. Beide sind für das Verständnis des Films nicht zwingend nötig, sie sind gewissermaßen die Kirsche auf der Sahnehaube der Torte.

Ich habe schon Filme an ihrem Superstaraufgebot sterben sehen: Dieser gehört nicht dazu. Deshalb, weil der Fokus bei den Hauptpersonen bleibt und niemand mehr Zeit bekommt, nur weil er prominenter ist. Die Einbettung in den zeitgeschichtlichen Kontext funktioniert ebenfalls sehr gut, weil Tony Blair England erklärt. Wer sich für englischen Fußball in den 90ern interessiert, wird viel Freude an The Class of ´92 haben.

Wer´s gestern verpasst hat: Der Film läuft heute um 22:00 noch einmal auf dem 11-mm-Festival im Kino Babylon, Berlin Mitte.


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