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Über das Verlesen vorgefertigter Erklärungen.

Man wolle gemeinsam „eine gute Saison erleben“, begann Sandhausens Kapitän Frank Löning seine Rede im heimischen Hartwaldstadion beim Spiel gegen den 1. FC Union und hatte zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit des Publikums sicherlich noch auf seiner Seite. Der Text ging aber weiter.

Dabei haben wir alle – Spieler, Trainer, Fans, Clubs aber auch Sponsoren und Medien eine Vorbildfunktion. Millionen sehen an jedem Wochenende die Leistungen der Teams und sind fasziniert von der Stimmung in den Stadien. Dazu gehören Leidenschaft, Emotionen und Stehplätze. Als Kapitän des SV Sandhausen spreche ich für meine Mannschaft und unseren Klub. Helft mit, diese Werte, die die Bundesliga so einzigartig machen, zu erhalten. Es gibt aber auch Dinge, die in unseren Stadien nichts zu suchen haben. Wir stellen uns klar gegen Rassismus, gegen Diskriminierung, gegen Gewalt und auch gegen Böller, Rauchbomben und Bengalos. Unterstützt den Fußball mit fairen und legalen Mitteln! Damit helft Ihr uns. Wir zählen auf Euch und hoffen auf eine erfolgreiche Saison. Vielen Dank!

Schnell ließ sich feststellen, dass ein nahezu identischer Wortlaut über den gesamten Spieltag hinweg jeweils von den Kapitänen der Heimmannschaft der ersten drei Ligen verlesen wurde. Die Bezugnahme auf den Verhaltenskodex aus der Sicherheitskonferenz „Für Fußball. Gegen Gewalt.“ ist offensichtlich. Ebenso offensichtlich ist die Tatsache, dass die DFL bestrebt bleibt, ohne Dialog an den Fans vorbei zu agieren, um ihre Wertvorstellungen durchzusetzen. Von oben herab, und unter Androhung von Zwang. Oder bin ich die einzige, die zwischen den Zeilen liest: „Stehplätze bleiben euch nur dann erhalten, wenn ihr gegen Pyrotechnik vorgeht“? Fühle nur ich mich gewissermaßen erpresst, obwohl ich niemals auch nur mit Streichhölzern oder Wunderkerzen hantiere? Soll ich Nebenmann und Nebenfrau verpetzen, um meinen Stehplatz zu erhalten? Wie um Himmelswillen kann man Rassismus und Pyrotechnik gleichsetzen?

Die Vereine sind in der Zwickmühle. Sie können so wie Sandhausen diese Erklärung verlesen, ernstgemeint oder emotionslos. Sie können sich einigermaßen sicher sein, dass im Stadion wenig davon zu verstehen sein wird, weil Fußballfans ihre eigene Meinung dazu vertreten. In Hamburg war das der Fall, in Frankfurt ebenso wie im Berliner Olympiastadion. Die Erklärung vereint die Fans auf eine Weise, die von der DFL so vermutlich nicht beabsichtigt war.

Es ist den Vereinen nicht verboten, eine eigene Erklärung abzusetzen. „Lasst uns auf Bengalos verzichten, damit wir immer alle zusammen stehen können“ hieß es etwa in Frankfurt anlässlich des Ausschlusses eines Teils des Heimpublikums.

Man kann sich darüber streiten, wie sinnvoll es überhaupt ist, in den Minuten vor dem Anpfiff eines Fußballspiels derartige Erklärungen abzugeben. (So geschehen in unserer Küche.) Wahrscheinlich ist, dass sie ungehört verpuffen. Wo das nicht der Fall ist, wünsche ich mir von den Vereinen: Seid Vorbilder! Wenn ihr etwas sagen müsst, lasst es nichts haarsträubend Dummes sein. Fußballfans sind nicht nur überwiegend keine Verbrecher, sondern meistens auch keine Idioten.


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26 Kommentare zu “Über das Verlesen vorgefertigter Erklärungen.

  1. Toller Text!

  2. Wer setzt denn hier wo Rassismus mit Pyrotechnik gleich?

  3. @TrainerBaade Wie liest Du denn „Es gibt aber auch Dinge, die in unseren Stadien nichts zu suchen haben. Wir stellen uns klar gegen Rassismus, gegen Diskriminierung, gegen Gewalt und auch gegen Böller, Rauchbomben und Bengalos.“? Ich als Aufzählung mehrer gleichrangiger Dinge, die es zu bekämpfen gilt. Ohne Unterschied, ohne Differenzierung. Zumindest sehe ich keine. Zeig sie mir, ich fände sie wichtig.

  4. Die Gleichstellung von Rassismus und Gewalt mit Pyrotechnik ist ja ein altbewährtes Mittel in der Sprachregelung von DFB/DFL auch im Narrativ „der Medien“ (unzulässige Verallgemeinerung zum Zwecke der Abkürzung).

    Wo Du da allerdings die Sache mit den Stehplätzen rausliest, musst Du mir nochmal erklären. Das sehe ich überhaupt nicht.

  5. Von Hertha-Kapitän Peter Niemeyer war nur zu verstehen: „Wir zählen auf Euch und hoffen auf eine erfolgreiche Saison. Vielen Dank!“

    Und er soll wircklich etwas gesagt haben, während wir unsere Hymne mit – Alle warten voller Spannung auf das absolute Spiel… – sangen? Es sah eigentlich eher so aus, als ob er Anstalten machte mitzusingen :-)

  6. @BEBerlin Hertha hatte meines Wissens einen modifizierten Text, war aber auch bestes Beispiel für den komplett falschen Zeitpunkt. Logisch, dass in der nicht ganz unstressigen sportlichen Situation alle auf den Anpfiff warten, auch Niemeyer, nehme ich an. Da ist so eine Durchsage noch unsinniger als ohnehin schon.

  7. @robert mir genügt der Hinweis auf Dinge/Werte, die es zu erhalten gilt, „die die Bundesliga so einzigartig machen“. Es ist ja nicht so, als würden sich Stehplätze selbst kompostieren, wenn man mal kurz nicht hinsieht.

  8. […] Vorgefertigte Erklärungen wurden in allen Stadien dieses Landes von den Kapitänen der Erst- und Zweitliga-Mannschaften vorgelesen. Gegen Gewalt und so. Eine Geschichte mit zweifelhaften Erfolg. Das Textilvergehen beleuchtet dies. […]

  9. Das ist meines Erachtens unzulässige Wort- (oder hier besser: Grammatik-) Klauberei. Eine Erwartung an eine notwendige sprachliche Differenzierung aufzubauen, die durch nichts begründet ist, diese dann enttäuscht zu sehen und dementsprechend draufzuhauen, obwohl der Inhalt das nicht hergibt, ist eine künstliche Schaffung von Argumenten, die hier gar nicht nötig ist, weil die restlichen Argumente ja treffend sind. Mit einem derartig selbstkreierten Argument schwächt man aber eher seinen eigenen Standpunkt. Meine ich.

    Welche Themen sollten denn sonst in so einem Appell thematisiert werden als jene, welche überhaupt nur im Stadion zu Leben erwachen? Das ist (diese spezielle Form von) Rassismus. Und das sind Böller etc. Wer daraus liest, dass das gleichgesetzt wird, will das daraus lesen, befüchte ich.

    Ich lese das nicht daraus.

  10. […] aufsagen. Die Erklärung im Wortlaut des SV Sandhausen sowie einen passenden Kommentar drüben beim Textilvergehen. Anschließend dann der Auftakt in diese Saison. Vor dem Spiel schon die Frage, wie Schaaf denn […]

  11. @TrainerBaade Da kommen wir nicht zusammen. Für mein Verständnis wird hier mutwillig ein Zusammenhang hergestellt, um Pyro mit derselben Ächtung zu belegen, die für Rassismus (hoffentlich) überwiegend bereits vorhanden ist. Vor dem Hintergrund der Sicherheitskonferenz finde ich diese Lesart naheliegend, denn es ging dort um nichts anderes als Gewalt und ihre spezielle Ausprägung „Pyrotechnik“, und diese Erklärung ist Ergebnis der Sicherheitskonferenz. „Gegen Rassismus“ ist das Feigenblatt, das immer überall genannt wird. Das bleibt Lippenbekenntnis, es gibt ein bißchen erhobenen Zeigefinger, aber Maßnahmen dagegen werden keineswegs mit der Vehemenz durchgedrückt wie gegen ein Rauchtopfverbot. „Gegen Gewalt“ ist prima, damit aber jeder versteht, dass damit nicht die Staatsgewalt gemeint ist, werden „Böller, Rauchbomben und Bengalos“ genannt. Die gute Arbeit der Fanprojekte, alle funktionierenden Deeskalationsmaßnahmen sowie die Tatsache, dass es nachweislich keine Zunahme von Gewalt im Fußballumfeld gibt (im Gegenteil), werden außer Acht gelassen. Es gibt lediglich mehr Berichte darüber. Man sollte in so einem Appell schlicht nichts thematisieren, das überspitzt gesagt nur ein selbstausgedachtes Problem ist und es mit wirklichen Problemen vermengen.

  12. Der im Stadion vorgelesene Text richtet sich ja auch nicht an die Fans im Stadion, vorallem nicht an die „bösen“ Fans. Er richtet sich an die Millionen am Fernsehschirm, die in typischer DFL/DFB-Manier eingeschworen werden.

  13. @Sohle Vielleicht. Aber mehr so „Ey, kuckt mal alle her, wir engagieren uns gegen >DAS BÖSE<".

  14. Ergänzend zu deinem Artikel:
    Die Hamburger Ultras (CFHH) haben ein Plakat bei der Verlesung der Erklärung gezeigt, in dem sie ihren Unmut kund tun.
    Pfiffe und „Fußball Mafia DFB“! Rufe begleiteten die Verlesung.

    ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sie wußten, daß unser Kapitän ein eigenen Text verlesen hat.

  15. Pfaelzer01

    @ steffi: wie du daraus liest das nur ohne pyro stehplätze erhalten werden kann ich nicht nachvollziehn.. das liest du ja auch daraus das ohne pyro keine emotionen vorhanden sind, oder??

  16. @Pfaelzer01 ich hatte das oben schon erklärt – ich lese den Text als „Anhang“ zu den Aussagen, die beim Sicherheitsgipfel getroffen wurden. Es wurde dort ziemlich deutlich gemacht, dass die Stehplätze ein Zugeständnis sind, das man jederzeit widerrufen kann. Einen Zusammenhang zwischen Pyrotechnik und Emotionen habe ich meines Wissens nirgends hergestellt.

  17. Pfaelzer01

    @ steffi: deswegen habe ich ja auch nachgefragt.. es gibt unzählige publikationen von fangruppen bei denen pyrotechnik gleich gesetzt wird mit emotionen. wenn ich nun deiner logik folge, bedeutet das ohne pyro keine emotionen vorhanden sind.. und das bestreite ich..

  18. Es gibt einen nicht unerheblichen Teil Stadionbesucher, für die Emotionen & Pyrotechnik untrennbar verbunden sind. Ich respektiere das, auch wenn´s für mich persönlich anders aussieht. Das ist allerdings eine Diskussion, die ich an dieser Stelle nicht führen will und werde.

    Wenn Du „meiner Logik“ tatsächlich folgst, ist keine verallgemeinernde Aussage über Pyrotechnik und Emotion getroffen worden.

  19. Pfaelzer01

    @ Steffi: stimmt .. du hast keine Aussage getroffen zu pyrotechnik und emotionen getroffen.. habe ich auch nie behauptet… aber du hast die fragegestellt ob du die einzige bist die den zusammenhang zwischen stehplätzen, pyrotechnik und sicherheitsgipfel sieht..

    und dann habe ich mir halt erlaubt stehplätze durch emotionen zu ersetzen und den rest beizubehalten.. also meiner meinung nach an deiner logik nichts geändert..

    ich denke das problem bei erklärunge ist generell das diese immer algemein gehalten werden und damit spielraum für interpretationen lassen. ob da allerdings eine detailierung mehr erfolg bringt wage ich auch zu bezweifeln..

    für mich ist die oben zitierte erklärung in ordnung. und ich kann nix haarsträubend dummes daran erkennen..

  20. @pfaelzer01 ich glaube, solche Erklärungen bewirken überhaupt nichts. Sie dienen der Imagepflege. Jeder Verein muss selbst wissen, wie er sich da positioniert. Jeder Fan sollte mal darüber nachgedacht habt, ob ihn das betrifft oder nicht. Dass Deine Antwort da anders lautet als meine, ist okay.

  21. Pfaelzer01

    @Steffi: du sagst es.. jeder fan sollte mal darüber nachgedacht haben.. und dazu kann so eine erklärung ein anstoss sein.. ;-)

  22. […] «gewaltbereit», «Ultrà» und selbstverständlich «Pyrotechnik» umschreiben zu können, am besten noch live durch die Mannschaftskapitäne in den Stadien. Sowohl weite Teile der Presselandschaft als auch die üblichen Bundesminister und Verbandsgrößen […]

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