Unions Männer-Mannschaft bleibt keine Zeit. Das hatten am Sonntag sowohl Tagesspiegel als auch die Berliner Zeitung aus meiner Sicht schon ganz richtig thematisiert. Denn während es in der idealen Vorstellung so ist, dass sich die Mannschaft im Winter sortieren und unter dem neuen Trainer intensiv auf die restliche Saison vorbereiten würde, so bleibt davon in der Realität nichts übrig. Transfers gehen (noch) nicht über die Bühne, verletzte Spieler kommen (noch) nicht zurück oder es verletzen sich neue. Und die Zeit zum Eintrainieren und konditionellem Vorbereiten ist auch nicht so üppig.
Wieso sollte es einer Fußballmannschaft anders gehen als uns, die wir Luft holen zwischen den Jahren, im Januar mit voller Kraft und Elan zurück zu unseren Aufgaben gehen, um dann zu merken, dass sich nichts geändert hat an der Umgebung und wir nur raus waren? Die Probleme von Union sind auf jeden Fall nicht weggewischt.
Christopher Trimmel blickt auf das Union-Jahr 2023 zurück
In dem Zusammenhang fand ich die Reflexion von Christopher Trimmel über das gesamte vergangene Jahr in der aktuellen Ausgabe der 11Freunde sehr gut, um sich das Thema noch einmal vor Augen zu führen. Hier ein Auszug:
Nach dem Sommer hatten wir mal Pech, dann gab es individuelle Fehler, die wir vorher nicht gemacht haben, und im nächsten Spiel stimmte die Chancenauswertung nicht. Richtig grottig war es nie, aber immer hat was anderes nicht gepasst. Dabei haben wir unseren Job weiter gut gemacht und riesigen Aufwand betrieben, weil das halt der Charakter der Mannschaft ist. Nur verloren haben wir weiter, und das hinterlässt Spuren. Plötzlich denkst du: Was machen wir da eigentlich? Sind wir vielleicht nicht so gut, wie wir geglaubt haben? Passt irgendwas grundlegend nicht?
Als Urs Fischer ging, sind wir schon sehr müde gewesen, sowohl die Mannschaft als auch das Trainerteam. Wir hatten alles Mögliche versucht, um den Turnaround zu schaffen. Wir haben Abläufe geändert, das Spielsystem, die Aufstellung, aber nichts hat geholfen.
Transfers: Leonardo Bonucci zu Fenerbahce?
Aber wir waren bei der Zeit gewesen. Vor allem bei den Transfers stockt es im Vollzug. Sowohl bei den Zugängen als auch bei den Abgängen. Leonardo Bonuccis möglicher Weggang nimmt dabei den meisten Platz ein (Morgenpost+, Bild, Kicker). Aus Union-Sicht ist es wahrscheinlich egal, ob der Verteidiger nach Italien (zuletzt war Genua im Gespräch) oder in die Türkei zu Fenerbahce geht. Den Berliner Journalisten ist jedenfalls aufgefallen, dass Bonucci mit außergewöhnlich vielen Sachen am Wochenende die Alte Försterei verlassen habe.
Auch Sheraldo Becker (hier wird nun statt Frankfurt das spanische Villareal bei den Gerüchten genannt) oder David Fofana (angeblicher Abbruch der Leihe und neue Leihe von Chelsea nach Sevilla) werden auf der Abgangsseite aktuell medial diskutiert. Ich kann mir das bei beiden nur vorstellen, wenn diese Positionen ersetzt werden können.
Ob das nun Yorbe Vertessen von der PSV Eindhoven (fussballtransfers.com) ist oder Petar Musa von Benfica (Kicker), berührt mich ehrlich gesagt gar nicht so sehr. Genausowenig die Frage nach einem möglichen weiteren Verteidiger, bei dem ich mir vor allem einen Linksfuß wünschen würde. Hier wurden Martin Erlic von Sassuolo Calcio (Kicker) und Kevin Vogt von Hoffenheim (fussballtransfers.com) genannt.
Ausfälle behindern die Vorbereitung auf die Bundesliga
Bei den verletzten Spielern dürfte es dabei bleiben, dass gegen Freiburg mindestens Robin Gosens und Rani Khedira fehlen werden. Ob Danilho Doekhi eine Alternative wäre, kann ich nicht beurteilen. Zumindest bisher konnte er das Mannschaftstraining nicht komplett mitmachen. Es lohnt sich also, am Mittwoch beim öffentlichen Training einmal durchzuzählen, wer tatsächlich in welchem Umfang trainiert. Dazu gibt es am Donnerstag um 13 Uhr noch die Pressekonferenz mit Trainer Nenad Bjelica.
Das sind die weiteren Texte der Berliner Medien:
- Eisernes Murmeltier: Bjelica kämpft beim 1. FC Union mit alten Fischer-Problemen! (Kurier)
- Wird Trimmel als Kapitän abgelöst? (Bild)
Auf den anderen Union-Plätzen
Tatsächlich sehr beeindruckend fand ich übrigens den Auftritt der U19 beim Hallenturnier in Sindelfingen, das mit Platz 2 für den 1. FC Union endete. Einen ausführlichen Bericht findet ihr auf der Vereinswebsite.
Bei den Frauen ist das Profiteam in die Vorbereitung mit Leistungstests gestartet. Im Gegensatz zu den Männern haben sie allerdings viel Zeit. Das erste Punktspiel (Gegner Hertha BSC) ist erst am 3. März. Freundlicherweise nimmt uns der Spielplan auf der Union-Website das Zählen ab und verrät, dass bis dahin noch ganze 54 Tage vergehen. Trainiert wird übrigens nicht mehr auf dem Fritz-Lesch-Sportplatz in Adlershof, sondern ab heute auf dem neuen Trainingszentrum Oberspree (Vereinsmitteilung). Da dort aber noch gebaut wird, sind Zuschauer nicht zugelassen.
Auch die anderen Teams der Frauen (U23 und Juniorinnen) sind in die Vorbereitung gestartet (Vereinsmitteilung). Die U23 holte beispielsweise den Sieg beim Hallenturnier in Brandenburg.
Unions Stadion-Idee passt in das aktuelle Konzept, Stadien zu Cash Cows für Clubs zu machen
Wir diskutieren viel über das neue Stadion an der Alten Försterei. Wobei Stadion da eine Reduktion auf den Fußballbetrieb darstellt. Es ist die Gesamtanlage, die wir da betrachten müssen. Denn die ist darauf angelegt, dass dort an jedem Tag Leben in der Bude ist. Deshalb werden die Profis für den Alltag auch aus der Haupttribüne ins Trainingszentrum ausgelagert. Außerdem kommen laut letzten Plan auch Fanhaus mit Gastronomie und Bühne dazu.
Mit diesen Plänen liegt Union im Trend, wenn ich mir diesen Text der Financial Times (Bezahl-Artikel) durchlese. Darin geht es darum, wie Fußballclubs versuchen, aus ihren Stadien mehr Geld herauszuholen. Das geht über den Spielbetrieb, in dem die Aufenthaltsdauer im Stadion verlängert und dort mehr konsumiert wird (seien es Catering oder Museum oder was auch immer) und vor allem darüber, dass dort mehr als nur Fußballspiele stattfinden.
Mehr Geld aus Fußball-Zuschauern rausholen
Es wird also nicht stumpf die potenzielle Zuschauerzahl pro Spiel erhöht, sondern mehr Geld je Zuschauer rausgeholt und das nicht zwangsläufig nur über Eintrittskarten. Wir kennen das von Union, wo ein nicht unerheblicher Teil des Verkaufs von Fanartikeln beispielsweise am Spieltag stattfindet und vor und nach dem Spiel viel Zeit im Stadion verbracht wird.
Nun befasst sich die Financial Times natürlich nicht im Ansatz mit dem 1. FC Union Berlin, sondern lieber mit den Umbauplänen in Madrid und Barcelona oder denen der großen italienischen Clubs. Als Vorbild wird das umgebaute Stadion von Tottenham genannt. Dort hatten vorher Fans im Schnitt 2 Pfund je Spiel ausgegeben und nun sollen es 16 Pfund sein. Ob man dafür extra eine eigene Mini-Brauerei im Stadion benötigt, lasse ich mal dahingestellt. Aber für den Fall, dass man die gesamte Wertschöpfungskette im Griff haben möchte, ist das vielleicht auch nicht schädlich.
Dieses Beispiel zeigt vor allem, dass man als Club gut Geld verdienen kann, wenn man Dinge selbst unter Kontrolle hat. Wer als Club das Catering auslagert, dürfte beispielsweise wenig Eigeninteresse an längeren Verweildauern im Stadion haben.
Das Stadion als alltäglicher Ort zum Ausgehen
Die andere Seite ist die Verwandlung eines Stadions in einen Veranstaltungsort oder wie es im Power-Point-Sprech im Artikel heißt: „Convert a football stadium that gets used 25 days a year into a multipurpose entertainment venue that’s busy every day of the year.“ (Verwandeln Sie ein Fußballstadion, das an 25 Tagen im Jahr genutzt wird, in einen vielseitigen Entertainment-Veranstaltungsort, der jeden Tag gut besucht ist.)
Nun dürften weder Beyoncé noch Taylor Swift oder NFL-Spiele das Ziel für die Alte Försterei sein. Und ganz ehrlich: So neu ist das Konzept mit anderen Großveranstaltungen auch nicht. Ich glaube, dass das Neue eher ist, dass man das Stadion bzw. den Veranstaltungsort als vollkommen normalen Ort in der Stadt etabliert, wo man abends hingeht. Ob man das so riesig denkt wie in Madrid, Barcelona oder bei Tottenham, wo der Investitionsbetrag jeweils über 1 Milliarde Euro beträgt oder eher ein paar Nummern kleiner wie bei Union, macht für mich von der Idee her keinen Unterschied.
Union profitiert hier von seiner Lage etwas abseits vom Zentrum Berlins. In einem trotzdem dicht besiedeltem Gebiet steht man im Prinzip ohne entsprechende Konkurrenz da. Stünde das Stadion auf der grünen Wiese oder an der Autobahn, wäre das Konzept hinfällig. Hier besteht auch ein signifikanter Unterschied zu einigen anderen Bundesligaclubs, die sich aus aus diesen Gründen nicht so entwickeln können.
Ob und wie das bei Union mit dem Stadionausbau wirklich wird, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Ich bin da sehr gespannt auf News vom Verein.
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Wenn es keine weiteren Neuzugänge gibt werden wir bis zum Schluss zittern müssen!
Hallo ihr, es ist „die“ PSV Eindhoven. :)
@santi Kolk Danke dir. Habe ich verbessert.
Wenn es Ab- und Zugänge gibt, werden wir bis zum Schluss zittern müssen!
Auch weil es kalt ist, könnten wir zittern müssen. Also warm anziehen am Samstag, ordentlich anfeuern und bewegen im Block! UNVEU!
Ich als Traditionalist bleibe dabei: die AF wird geliebt und das Stadion als „Dom“ (Krispin) verehrt, gerade weil sie so sind, wie sie sind. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass diese einzigartige Faszination auch ein mega cooles und hippes Eventzentrum mit gelegentlich stattfindenden Fußballspielen ausstrahlen würde.
Was denken sich eigentlich die Unioner, die am Stadionbauerdenkmal verewigt sind bei solchen Plänen? Einige sind nun schon älter und würden bestimmt gern auf der Gegengerade im Obering sitzen und dafür auch einen Abriss „ihres“ Stadions und den Neubau (> 40.000) verkraften. Bei anderen kann ich mir vorstellen vorstellen, dass sie damit ihr Zuhause verlieren….
Weiter immer weiter…weg von der eigenen Identität bis hin zum glorreichen Ziel der alles überstrahlenden Cash Cow „Eventcenter at the Alte Försterei – Southeast Berlin“!
@Jan
Mal abgesehen vom Veranstaltungsstandort Alte Försterei: Wie wäre denn deine Lösung für das Problem, dass wir in einem Stadion spielen, das nicht bundesligatauglich ist? Die Ausnahmegenehmigung, die wir jetzt haben, erhalten wir ja nur, wenn wir glaubhaft Ausbauolanungen haben und voran treiben.
Wenn wir hin und wieder mal Bundesliga an der Alten Försterei spielen möchten, MÜSSEN wir also umbauen und ohnehin Geld investieren. Sollte man dann lieber eine Lösung wählen, wo wir „nur“ die 8.000 nötigen Sitzplätze erfüllen, ohne den Bestand anzufassen? Wie sollte das aussehen und welchen Nutzen hätte das dann. Wir würden einfach nur Millionen Euro versenken für ein paar tausend mehr Sitzplätze.
Es muss doch ein Konzept gewählt werden, was uns allen in Zukunft ermöglicht, die Spiele zu sehen (also mehr Plätze als jetzt) und sich finanziell auch trägt, also auch mehr Geld einspielen als jetzt.
Ich liebe unser Stadion auch so, wie es jetzt ist. Und ich hab das Stadion ohne Dach noch geiler gefunden. Aber ich vermisse bei allen Kritikern die Alternative. So lassen wie es jetzt ist, bedeutet, dass man auf Dauer nicht mal mehr von Bundesliga an der Alten Försterei träumen bräuchte, weil es schlicht unmöglich wäre.
Eisern
Jakob
Möglicherweise lieber wir Unioner unser Stadion so sehr, dass wir Unioner selber die ganzen Events bevölkern.
Allein wenn ich an die Fankneipe denke, die ganzen Auswärtsspiele, da wird die Abseitsfalle dann wohl im Abseits liegen.
@Jakob: ich bin zwar Traditionalist aber kein Reaktionär. Mir ist vollkommen klar, der der Neubau kommen muss. Was mich nachdenklich macht, ist das immer stärkere Aufbohren/Verwerfen der eigentlichen Umbaupläne. Es gibt genug Leute (nicht Du) die begeistert von ausreichend Plätzen für alle, zu jeder Zeit, wann immer sie gerade Lust haben ins Stadion zu gehen und dann mit der ganzen Familie träumen….
ich wünsche mir mehr Realismus und eine Debatte wie viel Stadion brauchen wir wirklich…aber Weihnachten ist ja leider vorbei….
@Sebastian: entschuldige, ich weiß, dass die Kommentarfunktion nicht als Chat gedacht ist.. Dann habe ich gelesen, dass Du das Thema anfasst und mein guter Jahresvorsatz (stoisch in die Zukunft Unions zu blicken) war kurz dahin. Ich gelobe Besserung!
Eisern!