„Es ist ein bisschen viel, was zusammenkommt in letzter Zeit“, antwortete Urs Fischer auf eine Frage während der Pressekonferenz (AFTV) vor dem Bundesliga-Auswärtsspiel in Heidenheim. Wir kennen den Trainer. Er ist niemand, der sich mit Gegebenheiten aufhält, die er nicht ändern kann. Verletzte Spieler, gesperrte Spieler, plötzlich fehlende Effizienz vor dem Tor, Elfmeter gegen die Mannschaft. Es wäre einfach, darauf zu verweisen. Zu einfach.
Denn gespielt werden muss trotzdem gegen eine Heidenheimer Mannschaft, die Urs Fischer so charakterisierte wie Union in der ersten Bundesliga-Saison. Kompakt, lauffreudig, ohne Schnörkel nach vorne, auf zweite Bälle lauernd und gefährlich bei Standards. Das Aufsteiger-Erfolgsrezept.
Den Blick über das Spiel hinaus verbat sich der Trainer und bei aller Wichtigkeit eines Erfolsgerlebnisses am Samstag mit Blick auf den Spielplan möchte ich sagen, dass er recht hat. Wer jetzt an Braga oder Dortmund denkt, nimmt Heidenheim nicht ernst. Und wer, wenn nicht Union sollte dieses Team ernstnehmen. Ich kann mich an keinen Sieg dort erinnern. Und ein Blick ins Gegner-Archiv bestätigt mich fast: In 6 Spielen gab es dort 5 Niederlagen und 1 Sieg. Der war am 31. Oktober 2015. Wer jetzt gleich im Ohr hat: „Damals mit Damir Kreilach noch Zweite Liga …“, liegt richtig, denn die Treffer erzielten Steven Skrzybski und Damir Kreilach.
Ein bisschen ist das also eine Reise in Unions Zweitliga-Vergangenheit. Aber ich möchte zu bedenken geben, dass nur wir diese Spiele in Heidenheim im Kopf haben. Unsere Mannschaft ist dagegen eine Erstliga-Mannschaft. Die kennt das fast nicht. Stellt euch mal vor, wie Jakob Busk oder Christopher Trimmel in der Kabine sagen: „Jungs, das ist ein voll unangenehmer Gegner. In Heidenheim sahen wir fast nie gut aus.“ Und Alex Kral fragt vielleicht zurück: „Heidenwho?“ Ehrlich gesagt finde ich es gut, dass die Mannschaft da unbefangener herangehen kann als wir Fans. Dafür freuen wir uns alle, dass Marc Schnatterer dieses Mal kein Tor gegen Union erzielen kann.
Geduld. Kompaktheit. Effizienz. Das sind die Schlüssel zum Erfolg. Es ist eine kleine gute Nachricht, dass zumindest Alex Kral im defensiven zentralen Mittelfeld wieder eine Option ist. Knoche und Khedira hingegen fallen laut Urs Fischer weiter aus.
Das sind die Berichte der Berliner Medien vor dem Spiel:
- Knoche muss wieder passen – Kral vor Comeback (Kicker)
- Urs Fischer vor Unions Spiel gegen Heidenheim: „Von Aktionismus halte ich nichts“ (Tagesspiegel)
- Gelingt Union Berlin bei heimstarken Heidenheimern die Trendwende? (RBB)
- Union muss zentrale in den Griff bekommen (Morgenpost)
- Union-Coach Fischer: „Am Limit bewegen, um etwas mitzunehmen“ (BZ)
- Alles wie immer! So trotzt der 1. FC Union der Ergebniskrise (Kurier)
- Verletzter Profi zurück – Trainer Fischer erklärt Plan für Heidenheim (MOZ)
- Überraschende Wahrheit über Unions Krise (Bild)
- Viel Häme statt ständigem Lob: Damit muss der 1. FC Union Berlin gerade leben (Berliner Zeitung)
- Kolumne: Union braucht einen Richtungswechsel (Morgenpost+)
- Union-Krise – Das sind die Probleme im Sturm (BZ)
Aus der Kategorie Immerunioner begrüßen wir in Heidenheim Lennard Maloney, dem Urs Fischer zu dessen Karriereweg in die Bundesliga auf der Pressekonferenz beglückwünschte und sinngemäß sagte: Manchmal müsse man einen Schritt zurückgehen, um zwei nach vorne zu machen. Der Kicker hat einen Text über den laufstarken Spieler, der bei Union im Nachwuchs großgeworden ist.
Leonardo Bonucci war überrascht über Fanreaktion nach Niederlage
Was mir ein bisschen abgeht, ist der Hype um Leonardo Bonucci. Ja, ich kannte ihn, habe aber außer einigen Länderspielen bei großen Turnieren nichts von ihm gesehen. Deswegen ist mein großes Kind, das News vor allem bei Onefootball bekommt und viel Fußball über kurze Videoclips sieht mein Realitätsabgleich. Es sagt mir immer, wer gerade die Top-Spieler sind. Entsprechend aufgeregt war er beim Thema Bonucci.
Wenn ihr das auch seid, dann wurdet ihr diese Woche gut bedient, denn der italienische Verteidiger war beim Mediengespräch und es wurden viele Texte darüber geschrieben. Kernpunkt aus meiner Sicht: Auch nach 17 Profijahren kann ein Fußballer noch überrascht werden. Konkret ging es um das Aufmuntern/Feiern der Mannschaft nach der Niederlage.
- Leonardo Bonucci beim 1. FC Union: „Papa, warum haben die denn euch gefeiert, wenn ihr doch verloren habt?” (Tagesspiegel)
- Leonardo Bonucci erklärt seinen Wechsel nach Köpenick (Berliner Zeitung)
- Union-Wechsel ist für Bonucci eine „verrückte Entscheidung) (Morgenpost)
- Leonardo Bonucci: Erste Liebeserklärung an den 1. FC Union (Kurier)
- Bonucci: „Union ist eine verrückte Entscheidung“ (Bild)
- Bonucci: „Ich musste mal raus aus meiner Komfortzone“ (Kicker)
- Lichtgestalt Bonucci zeigt Menschlichkeit (RBB)
- Bonucci hat neue Liebe – „die Fans sind verrückt“ (MOZ)
Podcasts zu Union
Wer noch einmal auf die Spiele gegen Hoffenheim oder Real Madrid zurückschauen will, kann sich die neuen Episoden von Kiek an oder Mattuschka’s right peg (auf Englisch) anhören.
Wir haben am Donnerstag eine kurze Podcast-Episode zum Buch „Die coolen Jungs stehen jetzt hinterm Tor“ von Mikis Wesensbitter veröffentlicht. Ein signiertes Exemplar könnt ihr bei uns gewinnen, wenn ihr bis heute Abend hier euer Los einwerft.
Dirk Zingler spricht in der Zeit über Ostdeutschland
In der aktuellen Zeit gibt es ein Interview mit Dirk Zingler (aktuell kein Bezahlartikel), bei dem mir nach zweimaligen Lesen nicht so richtig klar war, was die Interviewer eigentlich mit dem Gespräch erreichen wollten. Es hat zumindest den Anschein, dass die abgedruckte Variante nicht das war, was sie im Sinn hatten, als sie mit dem Präsidenten des 1. FC Union Berlin über den Club, Erfolg und den Osten sprechen wollten. Stattdessen ging es darum, warum die Zeit eine extra Ausgabe für Ostdeutschland mache und warum es einen Ostbeauftragten der Bundesregierung gebe.
Ich fand das beim Lesen witzig, weil ich mir die Situation vorstellte, wie vielleicht zwei Interviewer ein Wohlfühl-Gespräch führen wollen und gar nicht damit rechnen, dass Dirk Zingler gerade zu bestimmten Themen eine starke Meinung hat, die auf den ersten Blick gar nichts mit Fußball zu tun haben. Dass diese Meinung nicht allen gleichmäßig gefällt, ist klar. Sonst wäre es keine starke Meinung.
Mir hat deshalb ein bisschen gefehlt, dass Dirk Zingler auch mit Fakten gekommen wäre, die das eigentliche Problem darstellen, nämlich die Repräsentanz von in Ostdeutschland aufgewachsenen Personen in relevanten Bereichen wie Vorstandsetagen, Regierung, Bundesbehörden, Chefredaktionen, etc. Bisher westdeutsche Netzwerke, und das bestätigen aktuelle Untersuchungen, reproduzieren sich selbst und selbst bei Generationswechseln passiert da wenig (Tagesschau zu diesem Thema). Das sind keine neuen Erkenntnisse. Wenn es darum geht, Personengruppen in Führungspositionen zu bringen, die dort vorher wenig bis nicht vertreten waren, müssen Netzwerke aufgebrochen werden.
Ansonsten würde ich mich gerne mit Dirk Zingler über bestimmte Themen streiten und ich vermute, dass uns beiden das Spaß machen würde. Denn ich ziehe teilweise aus denselben Beobachtungen sehr andere Schlüsse als er. Es ist auf jeden Fall ein Gespräch, das einen als Leser auf verschiedene Arten herausfordert. Deshalb finde ich es gut, dass es so veröffentlicht wurde, selbst wenn es vielleicht anders geplant war.
Und sonst so?
Ein paar ganz nette Schnipsel vom Schiri-Einsatz von Oliver Ruhnert gibt es beim RBB. Ich habe beim Kurz-Interview des Spielers auf der Bank, der gerade vom Union-Manager die Rote Karte gesehen hat, etwas geschmunzelt und gleichzeitig daran gedacht, dass das wohl die Szenen sind, die Sky und Dazn auch von der Bundesliga haben wollen.
Und noch ein kleiner Aufruf: Patrick von Kiek an hat nach dem Heimspiel gegen Hoffenheim diese Ulla (Becherhalter) gefunden und würde sie gerne zurückgeben. Wenn ihr sie vermisst, schreibt uns eine kurze E-Mail an redaktion@textilvergehen.de und wir bringen euch mit Patrick zusammen.
Der nächste State of the Union erscheint am Sonntag.
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@ZeitinterviewDZ: ich finde, das DZ den Nagel voll auf dem Kopf trifft. Allein der von ihm verwendete Begriff: „exotisieren“ hat mich begeistert weil er deutlich macht, wie sinnfrei bestimmte Begriffe und Ansichten über das wiedervereinigte Deutschland sind. Genauso sinnfrei wie eine Doku einer ehemaligen Sportschaumoderatorin über ihre „Heimat Ostdeutschland“. Als gäbe es dort keine regionale Identität.
Klasse auch seine Ansicht über den unzutreffenden Vergleich mit einem Stadtrivalen des großen 2. Liga Vereins aus Hamburg. Nur wer nicht (politisch) pauschal ausgrenzt, kann im Stadion mit den Nebenleuten ins Gespräch kommen. Seien es Klimakleber, AfD Wähler, Kommunisten, Christen, Muslime egal. Fussball sollte verbinden, denn so viele Gelegenheiten mit diesen Menschen sachlich unter einem gemeinsamen Erlebnis ins Gespräch zu kommen gibt es im Alltag leider nicht.
„Sag mal sprichst du eigentlich mit mir grade. SACH MAL …“
Herrlich das Ruhnert-Video.
Man bräuchte mal ein verstecktes Mikro, wenn es zwischen Ruhnert, Ziegler und Fischer mal heiß hergeht. Das könnte episch werden.
Wolfgang Ziegler?
@Zeitinterview:
Lieber Dirk Zingler, vielen Dank für dieses Interview. Du sagst, du seiest kein Philosoph, aber irgendwie bist du doch einer. ALLE Antworten auf die relevanten Fragen sind so wertvoll, dass ich keine Einzelheiten hervorheben möchte.
Danke Sebastian.
Für mich wieder mal ein schwieriges Interview unseres Präsidenten. Er fängt an, den Osten als anders herauszuheben (Veränderungen), wehrt sich dann aber gegen Ost-Zuschreibungen (was ist denn der Osten?) und Ost-West-Vergleiche. Das mit der Meinungsfreiheit habe ich so auch schon in anderen Interviews von ihm rausgelesen, v.a. Im Corona-Zusammenhang. Nix Neues und mit wenig Tiefe. Und dass er gerade diese beiden Medien nennt, wenn es darum geht sich, auch ausgewogen und pluralistisch zu informieren, macht es nicht besser – sondern entwertet eigentlich alles, was davor gesagt wurde (oder meinte er das als Witz? Wohl eher nicht….). Weiß nicht, ob ich mich über dieses Interview ärgern oder es ignorieren soll. Am besten ist wohl, wir konzentrieren uns aus die nächsten Spiele: Alte Försterei und FC Union sind für mich Fußball, Bier, Bratwurst, Stimmung, Gemeinschaft – und kein politisches Herumphilosophiren des Präsidenten.
@Schmusi:
Ärgern? Ignorieren?
Am besten einfach als Teil der Meinungsvielfalt AKZEPTIEREN.
(Bei sich wiederholenden Fragen darf der Befragte dann auch schon mal ähnliche Antworten geben, wenn er sich treu bleibt. ;-)
Schön zu lesen, wie Dirk Zingler die Interviewer mit Unerwartetem wphö aus dem Konzept bringt. Ich gebe ihm nicht in allem recht und würde ihm in vielem widersprechen, wenn ich die Gelegenheit hätte. Aber seine Meinungsäußerungen sind auf jeden Fall eine Bereicherung der Meinungsvielfalt – und zwar sowohl seine Meinung, als auch die Art der Äußerung.
Der Bericht über Oliver Ruhnert als Schiedsrichter kam zuerst – und etwas länger, meine ich – in der wunderschönen, unverzichtbaren, unvergleichlichen un unschlagbaren Sendung Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs.