Blog State of the Union

Union setzt immer neue Standards

„Die Sonne scheint“, heißt es unter anderem in der Stadion-Hymne von Darmstadt. Das tat sie gestern wirklich über dem Böllenfalltor, und das nicht mal auf katastrophal heiße Art. Und vor allem über der Mannschaft des 1.FC Union Berlin, die auch ihr zweites Bundesliga-Spiel mit 4-1 gewonnen hat.

Union Berlin Robin Gosens Tor Darmstadt
Robin Gosens hatte ein phänomenales Startelf-Debut – auch dank der Vorlage von Josip Juranovic zum 2-1.

Besonders hervor schien dabei natürlich Robin Gosens. Unions prominentester Neuzugang stand erstmals in der Startelf – und schoss nach drei Minuten sein erstes und nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich zur erneuten Führung sein zweites Tor für Union. Und das waren vielleicht noch nicht mal die beeindruckendsten Szenen von Gosens, wenn man an einige absolut überragende Grätschen denkt, die wichtige Beiträge zur Defensive und wertvolle Balleroberungen brachten.

Union ist beim Aufsteiger zu einem Spiel angetreten, indem es auch auswärts ganz klar favorisiert war. Das hätte auch das erste Spiel der Saison sein können, in dem wir sehen, wie die Mannschaft mit einem Gegner umgeht, der sich dementsprechend gegen den Champions League-Teilnehmer defensiv aufstellt. Würde Union so eine Defensive spielerisch knacken können, hat man sich vor dem Spiel gefragt (sorry an dieser Stelle dafür, dass der SotU vor dem Spiel wegen Terminproblemen ausgefallen ist). In ein paar Ansätzen hat man dann in der Anfangsphase auch gesehen, dass und wie das für Union funktionieren kann. Die erneute sehr frühe Führung fiel aber auf andere Weise: Nach einem langen Ball erkämpften sich Aïssa Laïdouni und Robin Gosens den Ball, und zeigte letzterer individuelle Klasse damit, wie er von der Strafraumkante zum Abschluss kam. Dass sein Schuss auf dem Weg ins Tor noch einen Darmstädter getunnelt hat, war wiederum vielleicht auch ein bisschen Glück (ebenso wie dass er sich beim etwas unelegant geratenen Jubel nicht die Knie zerstört hat…).

A propos Glück: Bei beiden 4-1-Siegen weniger expected Goals zu haben als der Gegner ist genau mein Union. Auch wenn das in Bezug auf diese zweimal 90 Minuten wirklich vor allem eine statistische Spielerei ist. In Darmstadt war Union eben nicht nur 70 Minuten lang in Unterzahl, sondern lag auch noch länger in Führung. Damit konnte man es sich ein Stück weit leisten und es zu einem gewissen Grad nicht vermeiden, dass Darmstadt zu Flanken und Fernschüssen kam und damit mehr Abschlüsse hatte.

Aber in der Phase, in der das Spiel auf der Kippe stand, hat sich Union eben weiter Torchancen erarbeitet. Das hieß an diesem Tag vor allem: Standardsituationen. Ungefähr jede davon war gefährlich, weil bei Union am Geburtstag von Sebastian Bönig die Hereingaben von Josip Juranovic, Blocks und Laufwege gestimmt haben, und Darmstadt überfordert war – am plakativsten zeigte sich das im von einem Darmstädter aufgelegten Tor von Kevin Behrens. Diese Standardsituationen gibt es aber ja nicht geschenkt, Union musste sie sich mit Ballgewinnen, Umschalten und Läufen in die Tiefe in Unterzahl erarbeiten.

Die vielleicht relevanteren defensiven Schwächen zeigte Union in der Anfangsphase vor dem Platzverweis. Darmstadt konnte da einige Male Räume hinter der Abwehrkette attackieren, weil das Mittelfeld von Union noch nicht wie gewohnt dauerhaft die ballführenden Spieler unter Druck setzen konnte. Das hat sicher mit dem Fehlen von Rani Khedira zu tun. Das Trio, das aktuell für Union spielt – Alex Kral, Aïssa Laïdouni und Brenden Aaronson – ist eben nicht nur komplett neu, sondern individuell auch ziemlich offensivlastig.

Dieses Spiel hätte aber auch innerhalb von 10 Minuten gegen Union kippen können. Kevin Behrens köpfte ausnahmsweise einen Ball nach einer Ecke übers Tor. Brenden Aaronson flog vom Platz. Ein in Unterzahl noch unsortiertes Mittelfeld machte Darmstadt Platz, mit einem vertikalen Pass und einer abgefälschten Hacken-Weiterleitung vor Frederik Rønnow zu kommen und den Ausgleich zu schießen. Und Urs Fischer musste mit der frühen Einwechslung von Sheraldo Becker für David Fofana (die offenbar nur taktisch motiviert war, weil Becker auf der Acht spielen kann, auch wenn Fofana zuvor ein paar Mal nach harten Tacklings humpelte) auf die neue Lage reagieren. Aber die Mannschaft ließ sich das Spiel nicht nehmen, und fand weiter Wege, ihre Stärken zur Geltung zu bringen.

Die frühe gelb-rote Karte war für Brenden Aaronson natürlich sehr unglücklich. Auch, weil sie mit den beiden Vergehen „unsportliches Ballwegschießen“ und „Fuß drüberhalten“ regeltechnisch vielleicht klar war, aber jeweils die mildest-mögliche Form dieser Vergehen war. Offenbar ist ihm Internet dafür aus Leeds, wo er zuletzt gespielt hat, Häme entgegengeschlagen:

Union Berlin SC Union Oberschöneweide Vizemeister
Deutscher Vizemeister 1923: SC Union Oberschöneweide. Photo: Textilvergehen

Ein schöner Touch im generell gut gelaunten Gästeblock war die Reminiszenz mit Banner und Fahnen an die Finalteilnahme von Union (Oberschöneweide) im Jahr 1923. Damit war viel blau-weiß (die Farbe des SC Union) im Block, soweit ich mich erinnern kann, gab es so eine prominente Bezugnahme auf die Union-Prähistorie aus der Fanszene bisher noch sehr selten.

Deutscher Vizemeister 1923: SC Union Oberschöneweide.
Die Fahnen im Block. Photo: Textilvergehen

Die Fanszenen von sowohl Union als auch Darmstadt haben dazu aufgerufen, die Crowdfunding-Kampagne „Fußball gehört den Fans“ des insolvenzgefährdeten FSV Zwickau und seiner Fans zu unterstützen. Im Gästeblock wurde dazu zu einer Becherspende animiert:

"Fußball gehört den Fans"
Aufruf die Rettungskampagne für den FSV Zwickau zu unterstützen.

Von AFTV gibt es eine kleine Video-Reportage vom Auswärtsspiel.

Union-Frauen

Die Regionalliga-Frauen von Union spielen um 14 Uhr an der Dörpfeldstraße gegen Dresden. Davor schreibt die Morgenpost noch einmal über die strukturellen Veränderungen bei den Union-Frauen.

Und sonst so

Oliver Ruhnert war gestern Abend im ZDF-Sportstudio zu Gast. Dabei hat er etwas zu möglicherweise noch anstehenden Transfers gesagt (zusammengefasst vom Kicker).


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9 Kommentare zu “Union setzt immer neue Standards

  1. Gressler Thomas

    Seit 1972 bin ich Unioner und was zur Zeit abgeht ist kaum noch zu fassen.
    Danke an Dirk Zingler,Oliver Ruhnert und Urs Fischer das Sie sind wie Sie sind.ruhig,ernsthaft und ehrlich.
    Oft hat man schon von den Spielern gehört wie wohl Sie sich bei Union fühlen.
    Für mich ein deutliches Zeichen dafür das es genügend Spieler in der Bundesliga gibt für die Geld
    nicht alles ist.
    Mit dem Erfolg gibt es früher oder später natürlich auch mehr Kohle,keine Frage.
    Die Aussage der Verantwortlichen: Spieler zu suchen die in erster Linie zum Verein passen und das Wir uns wegen der Champions Leage nicht übernehmen werden gefällt mir.
    Auch die Aussagen zu dem Scheiß der in den Pokalspielen geschehen ist ,Zitat Zingler: Das ist kein Problem des Fussball sondern ein Problem unserer Gesellschaft.Von mir vereinfacht: Wer eine negative Gesinnung hat hat diese nicht nur im Stadion sondern genauso vor oder nach dem Spiel.
    Unioner,zumindest die die ich kenne,zeigen Gesicht ,lassen sich nicht so leicht einschüchtern und sind couragiertund solidarisch.So genug davon,zum Schluss noch was für mich und alle anderen Mystiker !
    Vielen Dank an Nina für unsere Hymne die uns Jahr für Jahr unserem Ziel näher bringt:…..immer weiter ganz nach vorn….bis Wir deutscher Meister sind und das: Schulter an Schulter…. und nicht zuletzt: Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen.
    Die Hymne: eine Prophezeiung an die ich glaube.
    Und niemals vergessen ( immer weiter ganz nach vorn) Eisern Union
    Tom Treasure

    • Du hast einen vergessen ohne den wären wir jetzt ganz woanders:
      Michael Kölmel !! :-)

  2. Sven Martin

    Wenn, auch juristisch legale, Wettbewerbsverzerrung ein Standard ist, dann ja. Auf der Webseite der DFL (www.dfl.de/hintergrund/lizenzierungsverfahren/Finanzkennzahlen-der-profiklubs) sind die Bilanzen aller Bundesligaklubs bis zum 30.6.22 veröffentlicht. Danach wies Union ein negatives Eigenkapital (=Überschuldung) von über 16 Millionen Euro und weitere 62 Millionen Euro Schulden aus. Und das, nachdem man schon 3 Jahre in der 1.Bundesliga gespielt hatte! Zum Vergleich : Darmstadt und Heidenheim, die beiden aktuellen Aufsteiger weisen jeweils positive Eigenkapitale aus. Ergo: Union hat für seinen sportlichen auch sehr viel Geld ausgegeben, was man eigentlich gar nicht erwirtschaftet hatte. Wenn man dann noch berücksichtigt, daß Kino-Kölmel sein Darlehen jahrelang stundete, ahnt man, welch hohes wirtschaftliches Risiko Union ging und geht. Wettbewerbsverzerrung? Zumindest ist es nach den Statuten der DFL legal, wird da ja nur auf eine ausreichende Finanzierung für 1 Saison geschaut. Deshalb ist es auch für Union überlebenswichtig, weiterhin sportlich oben zu bleiben, weil nur so erhöhte TV-Einnahmen und Zusatzprämien (DFB-Pokal, CL) winken. Da wird  dann auch verständlich, warum sich Zingler beim Streit um den DFL – Investorendeal, übrigens entgegen der Proteste der eigenen Fans, auf die Seite der Befürworter des Deals stellte. Es winkte aus einem der geplanten Finanztöpfe ja auch noch eine Millionensumme zur relativ freien Verfügung. In diese Logik reihen sich auch die Transfers von Gosens, Volland und gfs noch Bonucci ein. Diese Spieler holt man nicht, um nur für den Klassenerhalt zu spielen. Selbst von der Antrittsprämie für die CL wird dieses Jahr nicht viel übrig bleiben, wenn man die fälligen zusätzlichen Spielerprämien, die Mieten für das Olympiastadion und die nötigen Umbauten dort nach den strengen Vorgaben der UEFA berücksichtigt. Union muß aber nicht nur die Schulden der Vergangenheit (siehe bilanzielle Überschuldung und ausgewiesene Schulden von 62 Millionen Euro) aufholen, sondern auch Kosten für den Stadionausbau bald finanzieren. Wer sich die Entwicklung der Bau – und Zinskosten anschaut, ahnt, was da an neuen, zusätzlichen Belastungen auf den Verein, ohne ein „dickes“ Eigenkapital  noch zukommt.

    • Danke für die Erinnerung. Sehr aufmerksam und richtig wichtig. Die Bilanz bis zum 30.6.21 war noch schlechter. Danach wies Union ein negatives Eigenkapital (=Überschuldung) von über 29 Millionen Euro und weitere 72 Millionen Euro Schulden aus.
      Nach den Zahlen haben wir in einer Saison schon etwas gut gemacht. Wir sollten da weiter machen. Auf alle Fälle besser in der CL.

    • Negatives Eigenkapital sind keine zusätzlichen Schulden..

      @Sven Martin
      Kommst du mit deinen mahnenden Worten nicht etwas zu spät?
      Einzelne Zahlen zu betrachten ist nicht wirklich sinnvoll. Ohne die GuV kann man den Schuldenstand nicht bewerten. Dazu kommt, dass es bei Union seit 5 Jahren immer aufwärts geht, einzelne Jahre also sehr schwer zu vergleichen sind.
      Union hat seine Einnahmen in der vorletzten Saison um 50 Mio gesteigert bei 10 Mio Gewinn. Die abgelaufene Saison wird wohl noch besser ausfallen und die aktuelle ebenso.

      https://www.fc-union-berlin.de/de/union-live/news/verein/Rekordgewinn-Generationenprojekt-und-neu-gewaehlter-Aufsichtsrat-3016o/

      Man muss nun mal vor der Saison investieren und nicht erst, wenn die Einnahmen kommen. Wichtig ist das Gleichgewicht und da sieht es ganz gut aus.

    • Wenn man schon eine Zahlenanalyse macht, sollte einem auch auffallen, dass Union praktisch den gleich hohen Gewinn (Jahresüberschuss) wie die Bayern auswies (12.685 vs. 12.709 Mio.). Mit Abstand folgt der RB mit 7.138 Mio. Alle anderen hatten weniger Gewinn, zwei eine Null (die Werksvereine) und neun einen Verlust, der BVB mit -35.059 Mio. den grössten.
      Union hat also auch im Vergleich mit allen anderen Clubs auch finanziell sehr erfolgreich gearbeitet.

      Zudem war der Abschluss vom 30.06.2022. Also bereits über ein Jahr zurückliegend. Die Zahlen per 30.06.2023 hat Union bekannt gegeben. Man hat einen Rekordgewinn von rund 20 Mio. erreicht und ist somit bei einem positiven Eigenkapital von rund 4 Mio.
      https://www.fc-union-berlin.de/de/union-live/news/verein/Rekordgewinn-Generationenprojekt-und-neu-gewaehlter-Aufsichtsrat-3016o/

      Wer da weiterhin etwas zu bemängeln hat, der sollte seinen Arzt oder Apotheker um Rat fragen.

  3. Bernd Rüdiger Mentjes

    Bitte „Standards“.

  4. @sven martin
    Union und Wettbewerbsverzerrung ?
    Gehts eigentlich noch ?

    Wettbewerbsverzerrung ist wenn ein Autokonzern für seine Fußballabteilung Jahr für Jahr die gigantischen operativen Verluste ausgleicht, so das diese das Eigenkapital nicht belasten.

    Wettbewerbsverzerrung ist wenn ein Brausekonzern für sein Fußballkonstrukt mal plötzlich wie von Zauberhand 100 Mios Schulden in Eigenkapital verwandelt.

    Wettbewerbsverzerrung ist wenn vom Land die Stadionmiete gestundet wird weil man schlecht gewirtschaftet hat und diese nicht mehr bezahlen kann.

    Und Wettbewerbsverzerrung ist wenn man sich ein schönes neues Stadion zum Teil oder ganz von der Kummune, also vom Steuerzahler finanzieren lässt.

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