Blog State of the Union

Torwart-Bewertung: Der Kicker kann das Fach in Fachmagazin streichen

Als ich am Montag in den Kicker schaute, fiel mir fast der Kaffee aus der Hand. Und das lag nicht an plötzlicher Schwäche, weil ich tags zuvor ein sehr tiefes Loch gegraben hatte, damit die Telekom uns doch einmal einen Hausanschluss legen kann. Nein, meine Hand zitterte leicht vor Wut und Enttäuschung. Ein Gefühl, das ich im Zusammenhang mit Union schon lange nicht mehr kannte. Der Kicker führte Frederik Rönnow an siebter Stelle aller Bundesligakeeper.

Das ist so unfassbar, dass ich gar nicht weiß, wie ich das bewerten soll. Fangen wir mal bei den normalen Daten an:

  • wenigste Gegentore aller Bundesligastammkeeper (27): Frederik Rönnow
  • meiste abgewehrte Schüsse (77,5 %): Frederik Rönnow
  • am weitesten über dem xSaves-Wert über die Saison gerechnet (+9): Frederik Rönnow
  • wenigste Weitschuss-Gegentore (1): Frederik Rönnow
  • Bester Flankenfänger (10 %): Frederik Rönnow

Ich könnte jetzt versuchen, die Entscheidung des Kickers irgendwie nachzuvollziehen. Aber das Ergebnis ist zu lächerlich. Wären sie auf Social-Media-Interaktionen aus, hätte ich gedacht, dass sie das mit Absicht machen, um Reaktionen zu provozieren: einen allgemein anerkannten Top-Spieler nach unten bewerten und umgekehrt, um die Algorithmen von Plattformen zu bedienen, deren Belohnungssysteme Empörung bevorzugen. Aber es ist am Ende der Kicker. Und bei der Zeitschrift kann ich mir beileibe nicht vorstellen, dass die Redaktion so denkt.

Es zeigt vor allem, wie sehr sich der Kicker mit seiner Rangliste von der Bewertung der Fachwelt entfernt hat. So schreibt Torwart-Experte Sascha Felter zu der Liste nur:

Unions Torwarttrainer Michael Gspurning ist viel zu höflich, als dass er öffentlich sein Unverständnis teilen würde. Die Belohnung für seine herausragende Arbeit mit den Keepern ist nicht nur ein Top-Rang von Frederik Rönnow im Ranking auf der Bundesliga-Website oder von Sascha Felter beispielsweise bei 11Freunde (Bezahl-Artikel) oder im Rasenfunk. Nein, Michael Gspurning ist mittlerweile auch Torwarttrainer der österreichischen Männer-Nationalmannschaft.

Kurzum: Die Fachwelt erkennt die Leistung von Frederik Rönnow und Michael Gspurning über die Maßen an. Es wird also vielleicht Zeit, dass sich der Kicker nicht mehr Fachmagazin, sondern nur noch Magazin nennt. Denn mit Fachwissen hat das tatsächlich wenig zu tun.

Frederik Rönnow, einer der besten Bundesliga-Keeper, außer für den Kicker Foto: Matthias Koch

Sven Michel verlässt Union

Am Montag gab es die Gewissheit, dass Sven Michel Union nach anderthalb Jahren bereits wieder verlässt (Vereinsmitteilung, Kicker). Das war angesichts der Meldungen der vergangenen Tage zu erwarten, auch wenn ich persönlich mit der Wahl Augsburg nichts anfangen kann.

Schon im März hatte der Angreifer in einem längeren Sky-Interview durchblicken lassen, dass er auch im Falle einer Champions-League-Qualifikation gehen würde, sollte er nicht auf Einsatzzeiten kommen. Und irgendwie hat er recht. Was nützt es, sich die Wettbewerbs-Hymne anzuhören, wenn man vielleicht nur auf der Tribüne sitzt?

Sven Michel feiert mit Christopher Trimmel die Champions-League-Qualifikation. Doch spielen wird er im Wettbewerb nicht. Foto: Matthias Koch

Ich wünsche Sven Michel alles erdenklich Gute. Er hat als Spieler in der kurzen Zeit all das verkörpert, was wir gerne bei Union sehen. Die Zuneigung war ihm jedenfalls schnell sicher.

Die Bild nutzt den Abgang von Michel und auch die erneute Leihe von Tymo Puchacz (geht für ein Jahr nach Kaiserslautern, Vereinsmitteilung), um die potenziell wechselwilligen Spieler beziehungsweise Profis mit wenig Einsatzperspektive genauer anzuschauen. Aus der Liste sehe ich Kevin Möhwald zwar als Spieler mit der geringsten Perspektive, aber auch mit dem geringsten Ehrgeiz zu wechseln. Ansonsten glaube ich wie die Bild, dass Milos Pantovic und Paul Seguin am ambitioniertesten sind, was einen Transfer im Sommer betrifft.

Das sind die weiteren Texte der Berliner Medien aus den vergangenen Tagen:

Personenkult im DFB-Pokal

Nachdem ich am Sonntag vergessen hatte, dass Pokalauslosung im DFB-Pokal der Männer ist, reiche ich gerne den Gegner nach: Astoria Walldorf. Das klingt mondäner als es ist. Wahrscheinlich wird das Spiel im Dietmar-Hopp-Sportpark stattfinden. Und bei dem Namen des Stadions vergeht mir sofort wieder die Lust. Dieser Milliardärs-Personenkult ist wirklich kaum auszuhalten.

Für die Geographie-Freunde unter uns: Wer schon einmal in Sandhausen war, wird Walldorf leicht finden können. Für alle anderen: es liegt zwischen Mannheim und Karlsruhe. Mit „Mitte unten“ macht ihr aber auch nichts falsch.

Viktoria bleibt Union erhalten

Nachdem Viktoria am Sonntag mit 1:3 auch das zweite Spiel der Aufstiegsrunde gegen den HSV verloren hat (Hinspiel 0:3), wird die Regionalliga Nordost der Frauen im nächsten Jahr weiter ähnlich aussehen wie die Regionalliga Nordost der Männer. Es ist ein Nadelöhr, dort herauszukommen. Denn neben Viktoria, Union und Türkiyemspor dürfte vielleicht auch Hertha Ambitionen auf die Meisterschaft haben, von Rasenballsport Leipzig II mal abgesehen.

Doch auch nächstes Jahr gibt es eine Aufstiegsrelegation. Die Aufstiegsspiele wurden schon für den 9. und 16. Juni 2024 festgelegt. Aus 5 Regionalligen werden 3 Aufsteiger in die Zweite Liga ermittelt. Ich habe keine Infos darüber gefunden, ob die Meistermannschaft der Regionalliga Nordost wieder in das Aufstiegsspiel muss oder ob die direkten Aufsteiger rotieren wie bei den Männern. Wenn ihr dazu Informationen habt, schreibt es bitte in die Kommentare.


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12 Kommentare zu “Torwart-Bewertung: Der Kicker kann das Fach in Fachmagazin streichen

  1. Andi der Kroate

    Viele IT-ler kennen Walldorf als den Stammsitz von SAP, den größten deutschen Softwareanbieter und ehemaligen „Arbeitgeber“ von Hopp.

  2. Eisern_12679

    Danke für Deine Einschätzung zur kicker-Rangliste Sebastian! Ich dachte gestern auch, ich bin im falschen Film. Nicht nachvollziehbar, was die sich dabei gedacht haben. Wahrscheinlich gar nichts…

    Und alles Gute für Sven. Einmal Unioner, immer Unioner!

  3. Der kicker ist ein DFB- höriges Schleimorgan.
    Ich hab die App schon lange gelöscht.

  4. Der kicker würfelt nicht nur, er kann auch die Punkte darauf nicht zählen: „Robin Knoche – Der Abwehrchef von Union Berlin war auch in der Rückrunde ein Garant für den Erfolg der Eisernen. Defensiv zuverlässig, steuerte zudem vier Pflichtspiel-Tore bei.“ https://www.kicker.de/bundesliga-sommer-2023/innenverteidiger/rangliste 2 Tore in der BL + 4 EL + 1 Pokal = 4? Und warum taucht in der Liste nicht Doekhi auf?

    • kleinkeul

      Bezieht sich wohl nur auf die Rückrunde. Aber auch das ist bei der Art von Einschätzung nur Spekulation. ;)

  5. Das Problem der Bewertung durch den KICKER tritt Woche für Woche auf bei der Benotung der Spielerleistungen auf. Das Geschmäckle beim Bewerten wächst seit zwei, drei Jahren auffällig. Da spiegelt sich in einem Fachmagazin der gesamtgesellschaftliche Verlust an Objektivität, wie er in einer offiziellen Öffentlichkeit stattfindet, wider.

  6. Die kicker-Rangliste bezieht sich nicht auf die gesamte Saison, sondern nur auf die gezeigten Leistungen ab Januar. Da war Freddy ja nun wirklich nicht so dolle, vor allem im Bayern-Spiel: Vom kicker gabs da ne 3,5…. Da hab ich dann auch keine Fragen mehr, außer: WTF?
    Bin schon ganz gespannt wo ein gewisser Kevin Behrens landet….

  7. Honigmelone

    Zum Kicker kann ich da nur sagen, es ist dann auch kein Fachmagazin (sowie Du ganz richtig sagst, Sebastian). Ich glaube, dass dort Geld fließt, wie immer.

  8. Sven Heyer

    Au weia naja ist nen Phrasenschweinsatz, mir fällt aber kein besserer ein. “ Traue keiner Statistik, die du nicht selber fälschst.“.
    UNVEU

  9. @ kleinkeul Ja, hast recht, ich übersah das

  10. Knut Krüger

    Kicker? Nicht aufregen , nicht kaufen , nicht lesen , fertig !!

  11. Das ist doch gleichzusetzen mit den Nominierungen der A-Nationalmannschaft. Wie Ruhnert schon sagte: Union hat keine Lobby. Ich hab da lieber Arbeiterschweiß als Weinverkostung!

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