Blog State of the Union

Die Erfüllung keiner Sehnsucht

Sebastian hat sich und uns hier gestern ein paar Fragen zum Wachstum von Union gestellt. Unter anderem die relativ grundsätzlichen: „Wohin will Union wachsen? Und warum?“ Die kann ich hier zwar nicht beantworten, aber ich habe trotzdem noch ein bisschen darüber nachgedacht.

Union Berlin Champions League
Die Party beim Saisonfinale. Photo: Matze Koch

Denn ich glaube einerseits, dass dieses Wachstum grundsätzlich für den Verein nichts Neues ist. Zumindest nicht in der Ära der Präsidentschaft von Dirk Zingler, in der er immer wieder betont hat, dass es das ureigene Ziel des Vereins ist, so erfolgreich wie möglich Fußball zu spielen (und oft noch ergänzt hat, dass das eben auch schon immer so war). Dass man das also versucht, dafür auch wirtschaftliche Risiken eingeht, ist also nicht, was die aktuelle Phase in der Entwicklung des Vereins besonders macht.

Das ist eher, dass und wie sehr dieser Versuch tatsächlich erfolgreich ist. Und damit lernt Union aktuell auch neue Dynamiken kennen. Da ist die im Profifußball sehr verbreitete, dass Erfolg auch Instabilität mit sich bringt, weil zum Beispiel andere Vereine Interesse an den eigenen Spielern entwickeln. Aber eben auch, weil man selbst dem eigenen Erfolg gerecht werden will, und Verein und Mannschaft auf das neue erreichte Niveau mitwachsen lassen will. Das ist manchmal desorientierend, aber trotzdem folgerichtig. Zum Beispiel falls die berichtete Ablösesumme für die feste Verpflichtung von Diogo Leite, 7,5 Millionen, stimmt: Das wäre dann wirklich eine komplett nachvollziehbare Entscheidung, auch wenn solche Zahlen bis vor kurzem noch utopisch für Union waren. Und zwar vor nicht so langem, schließlich betont Oliver Ruhnert oft, dass die kolportierten 8,5 Millionen für den Transfer von Josip Juranovic eine Phantasiezahl seien. Mit dem Erreichen von Platz Vier in der Bundesliga kommt Union aber zwangsläufig in solchen Sphären an, wenn der erwähnte Leistungsanspruch erfüllt werden soll.

Darin liegt wahrscheinlich auch ein Teil der Antwort auf eine Frage, die ich mir in den letzten Tagen gestellt habe: Warum mich der aktuelle Erfolg längst nicht so sehr ausfüllt, wie das vor allem der Aufstieg, aber auch einige der Schritte danach getan haben. Ich habe in der vergangenen Woche nicht jedes Bild vom Spiel oder dem Feiern aufgesogen, ich habe nicht vor Freude geweint, und hatte nicht bei jedem Gedanken an das Erreichte und Erlebte Gänsehaut.

Dass Union demnächst in der Champions League spielt, ist keine Erfüllung irgendeiner Sehnsucht. Auch nicht einer, von der man nicht wusste, das man sie hat, bis sie erfüllt wurde. Nein, das war einfach unvorstellbar, und dass es eintritt ist sportlich und als Ereignis spektakulär, und war deshalb auch für mich ein Grund zu feiern und etwas, von dem ich die Saison über wollte, dass die Mannschaft es erreicht. Aber eigentlich gerade, weil es so sehr über das hinaus geht, was ich als den normalen Rahmen für Union wahrnehme. Und „um Die Besten, Die Meister, Die Champions zu sehen“ wird auch weiterhin nicht der Grund sein, aus dem ich zu Union gehe.

Denn wir können ja nicht bei Niederlagen sagen, dass der pure sportliche Erfolg ja nicht ist, worauf es uns ankommt, und uns wenn er eintritt nur darüber definieren. Und in all den anderen Aspekten, den vereinspolitischen, die Sebastian gestern schon angesprochen hat, aber auch Stadionerlebnissen von Woche zu (unter der) Woche, war das gerade eben nicht die beste Union Saison aller Zeiten (auch wenn natürlich auch in diesen Aspekten außerhalb der Kreide des Spielfelds auch viel Gutes passiert ist). Auch das hat hier und da meinen Enthusiasmus getrübt.

Ich habe eingangs schon gesagt, dass ich keine Antwort auf die großen Sinnfragen habe. Und was ich darüber denke und fühle ergibt gerade noch nicht mal für mich selbst ein kohärentes Bild.

Die Union-Nachrichten

In der BZ und beim Kicker lesen wir, dass Sven Michel vor dem Abschied steht und sich im Sturm personell noch mehr tun könnte.

Und in der Union-Kolumne von Andreas Baingo geht es um das Alte Forsthaus, dessen Renovierung ansteht.

Auf der Vereinswebseite und AFTV gibt es noch Berichte vom Fußballtag für Kinder am Donnerstag.

Und sonst so

Wer das Meisterschaftsfinale in Deutschland spannend fand, sollte mal das (durch das sehr seltsame Play-off-Runden-Format zustande kommende) in Belgien gestern Revue passieren lassen. In dem lagen unsere Bekannten von Union St. Gilloise wenige Minuten vor Schluss am letzten Spieltag noch auf Meisterkurs, kassierten dann aber noch den entscheidenden Ausgleich und nicht mehr entscheidende weitere Tore, während Toby Alder Alderweireld in der 94. Minute den Verein seiner Heimatstadt, Royal Antwerpen, zu dessen erster Meisterschaft seit 66 Jahren schoss und damit wiederum Gegner Genk den Meistertitel entriss.

https://twitter.com/Millar_Colin/status/1665430239277641729

Sommerpause

So lange die Mannschaft im Juni in der Sommerpause ist, legen wir die hier auch im Blog ein bisschen ein. SOTU gibt es solange dreimal in der Woche, in der Regel montags, mittwochs und samstags.


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12 Kommentare zu “Die Erfüllung keiner Sehnsucht

  1. Ich wünsche euch eine entspannte Sommerpause. Habt ihr euch echt verdient. Klasse Arbeit die ihr hier leistet und jeden Tag meine Pflichtlektüre,

  2. Sven Heyer

    Ich schließe mich dem Vorredner, aber auch dem ( kein) Sehnsuchtskommentar an. Saubere Arbeit Leute, ich werde nicht aufhören euch zu lesen, bis bald, viel Spaß in der ( fast) Pause…
    UNVEU

  3. Ich bin da bei Daniel. Dieses Europa-Ding ist schön, aber irgendwie surreal. Es kommt hinzu, dass ich durch die Stadionsituation immer weniger Spiele sehen kann und ich das ständige F5 auf dem Ticket-Zweitmarkt ist einfach nur noch ermüdend. Das Live-Erlebnis wird zum unerreichbaren Luxusgut. Dadurch ist man immer mehr auf den Fernseher/Computer angewiesen, was zu einer zusätzlichen Abkapselung führt. Und das wirkt sich auch auf die Emotionalität aus.

    • Berlinbaum

      Könnte man für die CL-Heim-Spiele, gesetzt den Fall wir dürften in der AF spielen, nicht einen Kompromiss finden: 1 Spiel (wenn möglich gegen den attraktivsten Gegner) im Oly, die anderen beiden in der AF?

      So würde garantiert, dass jedes Unionmitglied zumindest ein Spiel sehen würde und die Wahrscheinlichkeit, sogar 2 sehen zu können, hätte sich erheblich erhöht.

      Sicherlich nicht gerade konsequent und für viele Traditionalisten keine gute Idee, aber das haben ja Kompromisse so an sich. Insgesamt würden meiner Meinung nach aber die Vorteile überwiegen.

  4. Warmduscherin

    Geht mir auch so. Der grosse Jubel ist nicht in mir drin, obwohl ich es dem Team durchaus von Herzen gönne. Mit jeder Stufe des Erfolgs ist eben auch die Trauer über den Abschied von etwas Vertrautem, Stimmigem verbunden.

  5. Musiclover

    Wo ist denn der Beitrag von gestern? ich finde nur einen von Sonnabend.

  6. Auch wenn ich nicht immer mit euch einer Meinung bin, so gehört ihr doch zu meiner täglichen Lektüre.
    Vielen Dank für die tolle Arbeit, ich wünsche euch allen eine schöne, erholsame freie Zeit

  7. Christian

    Erstmal vielen Dank für die vielen Informationen rund um Union egal ob kontrovers oder linientreu ihr macht einen tollen Job.
    Oftmals auch sehr gut eine andere Sichtweise zu lesen.
    Eiserne Grüße aus Potsdam

  8. Lenn Hart

    Entspannt euch und genießt die Sonne!

    Worauf ich ja noch heiß bin ist die Verkündung des neuen Trikot Designs und ob es ein CL Sondertrikot geben wird.
    Nen Trimbo Jubiläumsflock würde Ichlaut schon gerne gönnen :).

  9. Danke Daniel! ?

  10. Vielen Dank für eure akribische Arbeit, es freut mich jeden Tag euch zu lesen! Ich gönne euch alle ein bisschen ruhiger Sommerzeit, im Herbst wird es bestimmt wieder genug zu tun werden.
    Champions League, Wahnsinn!

    Eisern

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