Blog State of the Union

Endlich wieder so ein Union-Spiel

Nach dem Spiel am Donnerstag gegen St. Gilles waren manche Unioner genervt davon, freundliche Worte von den Gastgebern zu hören, während sie sich über die Niederlage des eigenen Teams geärgert haben. Die Gefahr, mehr Lob vom Gegner zu bekommen, als einem lieb ist, bestand gestern nach dem Bundesliga-Spiel gegen Eintracht Frankfurt nicht. Nicht, wenn man in sozialen Netzwerken gelesen oder gehört hat, was Frankfurt-Fans zu dem Spiel sagen. Und auf jeden Fall nicht, wenn man Oliver Glasner gefragt hat. Der hat schon beim übertragenden Sender Dazn nach dem Spiel seine Frustration leicht durchscheinen lassen, und auch sein Auftritt in der Pressekonferenz (die er entgegen dem Protokoll allein ohne die Union-Vertreter gegeben hat), war bemerkenswert. In diesem Sinne, mit einem genervten Gegner, verdientem Glück und drei Punkten war es ein Spiel, wie wir es zum Glück in dieser Saison schon oft gesehen haben – aber eben seit ein paar Wochen nicht mehr (auch wenn in Wolfsburg nur wenige Minuten dazu fehlten).

Kevin Behrens Union Berlin
Das letzte, was Frankfurt sieht bevor es gegen Union verliert. Photo: Matze Koch

Glasners Ärger bezog sich vor allem auf seine Defensive, die es Union mit schlechten Aktionen bei den Toren ermöglicht hätte, ohne Torchance zwei Tore zu machen. Zugleich wird der Eintracht-Trainer auch unzufrieden damit gewesen sein, dass seine Mannschaft in der ersten Halbzeit keine ihrer Torchancen genutzt hat, davon gab es wirklich einige und hochkarätige.

Aber es gab eben auch Frederik Rønnow. Der hat, schon wieder, ein phantastisches Spiel gemacht. Und ich möchte dafür plädieren, dass auch als Qualität ernst zu nehmen, die Union in dieser Saison hat. Gerne werden Torwartparaden ja als Glück beschrieben, dabei sehe ich keinen Unterschied dazwischen, wenn ein guter Mittelfeldspieler eine Chance kreiert, eine Abwehrspielerin dominant einen Zweikampf gewinnt oder einer starken Aktion im Tor. Frederik Rønnow ist für Union in dieser Saison viele Punkte wert und auch ein Spieler, dessen Potential hier ausgeschöpft wird.

Er war aber auch in der ersten Halbzeit schon nicht der einzige Unioner, der Dinge gut gemacht hat. Im Spiel der Mannschaft waren zumindest einige ordentliche Ansätze zu sehen: Die Intensität, mit der defensiv im Mittelfeld der Ball attackiert wurde, war besser als zuletzt, und Pässe in die Tiefe für Läufe von Sheraldo Becker wurden einige Male schneller und besser gespielt.

Als entscheidenden Punkt für eine Steigerung seiner Mannschaft hat Trainer Urs Fischer nach dem Spiele eine taktische Anpassung ausgemacht: Nach 25 Minuten stellte Union das Mittelfeld um, von einer eins-zwei Formation mit Rani Khedira tiefer und Janik Haberer und Paul Seguin eine Position höher auf eine zwei-eins Anordnung mit Seguin als zweitem Sechser. Damit wurde der gefährliche Raum vor dem Strafraum für Frankfurts Mittelfeld (Sow, Kamada, Götze, was mir ehrlich gesagt etwas Angst gemacht hat) enger gemacht. Außerdem wurden Seguin damit die Entscheidungen in der defensiven Orientierung erleichtert – nicht zuletzt Christopher Lenz hatte ihn zuvor einige Male mit seinen Bewegungen vor Dilemma gestellt. Aber: Chancen hatte Frankfurt danach bis zur Halbzeit trotzdem noch einige, weil die Eintracht dann auf dem Flügel zu guten Flanken kam, aber auch, weil es Union nicht gelang, die zuletzt oft beklagten unerzwungenen Fehler im Aufbau ganz abzustellen.

Aber dann kam eben eine zweite Halbzeit, in der Union sofort präsenter war. Und Oliver Glasner muss da vielleicht auch noch mal seine verärgerte Wahrnehmung des Spiels reflektieren, denn zum Beispiel der Angriff von Union, der zur Ecke und zum 1-0 durch Rani Khedira geführt hat, war wirklich wirklich gut gespielt, auch wenn der Ball darin einmal mehr als dreißig Zentimeter über dem Boden gespielt wurde: Haberer und Seguin haben sich da gut zum Ball bewegt in einer Weise, die zuletzt öfter gefehlt hat, Sheraldo Becker hat eine gefährliche Position eingenommen und Union kam zu einer gut vorbereiteten Flanke die für Kevin Trapp im Tor unangenehm unter die Latte segelte. Das war kein Zufallsgebolze.

Wo Glasner Recht hat: Die Ecke war dann mit zwei komplett freistehenden Robin Knoche und Rani Khedira ebenso katastrophal verteidigt wie später die Situation vor dem 2-0 durch Kevin Behrens, und RK² hatten Glück mit einem sehr freundlich springenden Ball.

Nach der Führung hatte Union dann noch einige gefährliche Konter, und es ist sehr ärgerlich, dass Sheraldo Becker im Abseits stand, bevor er (endlich wieder einmal) einen davon erfolgreich abschließen konnte. Aber das war eben für das Ergebnis egal, weil Kevin Behrens diese Aktion hatte, die perfekt zusammenfasst, wie seine Karriere bei Union verlaufen ist. Wie er sich in diesen Zweikampf wirft, sich mit dem Kopf und ausgestecktem Bein den Ball vorlegt und ihn irgendwie Trapp durch die Hacken schießt.

So hat Union also dieses Spiel gewonnen, und Frankfurt braucht jetzt aus neun verbleibenden Spielen drei Siege mehr, um Union in der Tabelle noch zu überholen. Auch sonst lief an diesem Spieltag sehr viel gut, sodass Union nun am 25. Spieltag mit zehn Punkten Vorsprung auf den letzten nicht-Europa-Platz (!) und drei Punkten auf Platz 5 (!!) auf einem Podestplatz in der Liga steht (!!!). Kann man so machen, scheinbar.

Und Union hat mit diesem Sieg natürlich auch die zuhause-ungeschlagen-Serie gegen nicht-Union-Mannschaften fortgesetzt. Bemerkenswert finde ich dabei übrigens, dass Union in dieser Saison in der Heim- und Auswärtstabelle auf dem gleichen Platz (vier!) steht.

Presseschau

Das schreiben die Berliner Medien über das Spiel

Eine ausgewogene Frankfurter Perspektive auf das Spiel gibt es von Marvin Mendel (Eintracht-Podcast) im Rasenfunk zu hören.

Union-Frauen

Auch für die Frauen gab es gestern einen Sieg, mit einem 4-0 gegen Hertha Zehlendorf (Spielbericht von Union). Das Team von Ailien Poese hat also wirklich wieder zu seiner Form gefunden, schade, dass das nicht mehr wirklich zu mehr als Platz Zwei in der Regionalliga reichen kann (Viktoria an diesem Wochenende mit einem 7-0 gegen Erfurt).


Entdecke mehr von Textilvergehen

Subscribe to get the latest posts sent to your email.

11 Kommentare zu “Endlich wieder so ein Union-Spiel

  1. danke für den tollen Kommentar, besonders für die Abwehrspielerin!!! ?

    Ich seh’s ansonsten genauso: extrem wichtige 3 Punkte und endlich auch wieder Ansätze von Spielfreude und Schnelligkeit, besonders in Ballannahme und Weiterleitung. Schade, dass Beckers Tor wohl knapp Abseits war, ich hätte ihm so ein Tor gegönnt.

    Eisern!

    • PS: das Fragezeichen sollte eigentlich ein Smiley sein :-)

  2. Stadiontourette

    Die Krönung des Spiels war die kleine Tochter von Kevin, als sie vor der Waldseite tanzte. Herzerwärmend Göttlich!

  3. Ich kann gut nachvollziehen, warum andere Teams/Fans kotzen, solche Spiele gegen uns zu verlieren. Würde mir andersrum genauso gehen. ;)

    • Honeypie

      Na wir kennen das doch aus Sandhausen, Ahlen, Paderborn… Hilflose Überlegenheit.

  4. Daniel vom Schlachthofviertel

    Herzerweichend fand ich, wie Frederik Rønnow seinen eigenen Moment vor der feiernden Waldseite bekommen sollte und von den Mannschaftskollegen erst nach vorn geschoben werden musste.
    Wann fangen wir endlich an, bei seinen Paraden „Rønnow, Rønnow!“ zu skandieren?
    Ich bin gerade genervt von Bemerkungen in Nicht-Union-Kreisen, dass wir ja „nur“ durch seine Stärke keine Tore fangen und „nur“ durch Standards welche schießen. Na und? Ist Frederik vielleicht kein Teil des Teams? Doch. Ist er. Und sind die Szenen, die zu Standards führen, nicht rausgespielt. Doch. Sind sie. Alles nur der blanke Neid!

  5. Wie sehr abseits war denn eigentlich Sheraldos Tor? In den Zusammenfassungen wird das komplett ignoriert.

    Mich irrtierten die Pfiffe gegen Lenz. Versteh ich nicht. Gab es da irgendwie böses Blut beim Weggang?

    • Das Abseits war schon recht klar, ein Meter oder so, aber zum Verteidiger in der Mitte, der nicht eingreifen konnte… das fand ich nervig.

      Pfiffe gegen Lenz gab es glaube ich nicht, also nicht ihn persönlich, sondern nur als er ne Ecke ausgeführt hat. Da wird halt der Gegner ausgepfiffen, begrüßt wurde er ja wohl standesgemäß.

  6. in der Zusammenfassung von Sport 1 ist die Szene zu sehen, war 0,5-1 Meter, also deutlich Abseits.

  7. @Andreas & Daniel
    danke für die Antworten

  8. Rønnow Rufe sehr laut und intensiv kamen in der 2.Halbzeit von uns aus der Gegengeraden! (Fast noch besser als bei Luthe damals)auch schon im letzten Heimspiel, da nur noch nicht ganz so intensiv…
    Die Dauergrinse bleibt… EISERN

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert