Blog State of the Union

Wir gewinnen und staunen

Noch ein Spiel, noch ein Sieg. Mir fallen weiterhin kaum neue Superlative für die Ergebnisse ein, die diese Union-Mannschaft einfährt. Sondern ich kann sie einfach nur ungläubig bestaunen und dabei manchmal fast ein unheimliches Gefühl, quasi sportliche Höhenangst bekommen. Das gilt auch für den 2-1-Sieg von Union gestern gegen Mainz, der absolut typisch für diese Saison ist.

Denn natürlich war das kein glamouröser Auftritt der Mannschaft. Aber es war ein Spiel, das sie im vollen Bewusstsein ihrer Stärken angegangen ist, und in dem es überhaupt keine Überraschung war, dass daraus nach einer halben Stunde ein Führungstor resultierte. Diesem Tor von Kevin Behrens waren nicht besonders viele Chancen vorausgegangen. Aber es hat auch gezeigt, dass sich die Mannschaft durchaus spielerisch entwickelt hat: Die Führung fiel nach einer 25-Sekunden-Ballbesitzphase, die mit einer sehr schönen Balleroberung von Danilho Doekhi begann, und in der Union zweimal mit viel Übersicht das Spiel verlagert hat, bevor Paul Seguin eine Flanke an den Fünfmeterraum spielen konnte, die alles andere als spekulativ, sondern strukturell vielversprechend war.

Danach schien es, als würde das Spiel auch auf diese Weise typisch für die Saison: Union macht das 1-0, lässt danach nichts mehr zu | dem Gegner fällt nichts ein und am Ende steht dieses Ergebnis. Das war aber nicht ganz das Drehbuch für diesen Nachmittag. Denn weil Mainz zumindest noch ein paar Bälle in den Strafraum von Union gebracht hat, passierte Paul Seguin ein Handspiel das klar elfmeterwürdig war, auch wenn es den VAR brauchte, um das zu bemerken. Marcus Ingvartsen (Fußballgott!) traf sehr sicher zum 1-1.

Aber was danach in dem Spiel passiert ist, war einer von zwei Aspekten der Partie, die mich besonders beeindruckt haben: Union hat es geschafft, sofort wieder auf druckvollen Angriff umzuschalten. Das Spiel fand unmittelbar nach dem Ausgleich vor allem in und um den Mainzer Strafraum statt. Zehn Minuten reguläre Spielzeit sind so tatsächlich jede Menge Zeit, um ein Siegtor zu schießen. Und Union brauchte dafür dann tatsächlich nicht mal fünf, bis mit einer (ebenfalls typischen) Mischung aus Klasse, Einsatz und Entschlossenheit Jordan den Ball vor der Waldseite ins Tor dreschen konnte. Die Dynamik des Spiels beschreibt die Süddeutsche besser, als es die Zeile aus der Überschrift („War das schön? Nein. Ist Union Tabellenführer? Ja“) vermuten lässt.

Aissa Laidouni ist eine echte Verstärkung für den 1.FC Union Berlin.
Wird sehr schnell zu einem Lieblingsspieler: Aissa Laidouni. Photo: Matze Koch

Der andere beeindruckende Aspekt an dem Spiel war: Aissa Laidouni. Er hat jetzt im Pokal und gegen Mainz insgesamt 50 Minuten für Union gespielt, und es ist jetzt schon sehr klar zu sehen, was für eine Verstärkung er für die Mannschaft sein kann, und wie er perfekt in sie hineinpassen kann. (So sehr, dass ich mich frage, wie es sein kann, dass er die letzten fünf Jahre in der rumänischen und ungarischen Liga verbracht hat.) Denn es hat wirklich nicht lange gedauert, bis man seine fußballerische Klasse und seine Anzünd-Fähigkeit sehen konnte. In seinen gut 20 Minuten gegen Mainz hat Laidouni mindestens vier sehr sehr gute Pässe gespielt und genauso viele starke Zweikämpfe geführt. Er scheint ein Spieler zu sein, der Unions Qualität am Ball erhöht, ohne dafür irgendetwas von den anderen, essentiellen Stärken der Mannschaft aufgegeben zu müssen. Ich bin ein bisschen verknallt.

Union ist jetzt gerade Erster in der Bundesliga, auch wenn das nicht wirklich zählt, weil der Spieltag noch nicht zuende ist. Aber die Berliner Medien hindert das nicht daran, diesen Fakt in ihren Überschriften aufzugreifen…

Am Sonntagmorgen kam von Union dann noch eine Personal-Nachricht: Kevin Behrens hat seinen Vertrag, der offenkundig bisher bis zum Ende dieser Saison lief, verlängert. Für wie lange hat der Verein dabei wie gewohnt nicht mitgeteilt.

Vielleicht hat Union mit der Verkündung dieser Vertragsverlängerung gewartet, bis die Sportschau ihr ‚Tor des Jahres‘ 2022 gekürt hat. Denn für sein Siegtor gegen Werbung Leipzig im April war Behrens dafür ja gemeinsam mit Sven Michel ebenso nominiert wie Andreas Voglsammer für sein traumhaftes Derbytor. Allerdings kamen die Unioner da nicht unter die ersten drei des Votings. Aber das ist ja auch egal, denn Kevin Behrens gibt auch so genug aktuellen Anlass für gute Nachrichten, mit zwei Toren allein in dieser Woche.

Dieser Spieler, dem wir das Truthahn-Meme verdanken, hat in seinen anderthalb Jahren bei Union wirklich eine erstaunliche Entwicklung gezeigt. Mit minimalen Erwartungen oder Vorschusslorbeeren gekommen hat er für seine Rolle extrem effizient abgeliefert: zwölf Tore in weniger als 2000 Einsatzminuten, also mehr als ein Tor je zwei komplette Spiele, sind phantastisch. Übrigens schaltet Behrens sich dabei auch mehr als Ballverteiler in die Angriffe mit ein, als man vielleicht auf Grund seiner Erscheinung vermuten würde. Alles in allem ist das Grund genug dafür, dass er jetzt, in der (wieder mal) erfolgreichsten Phase der Mannschaft sogar zum Stammspieler in der Spitze werden könnte – und dafür, dass diese Vertragsverlängerung hochverdient und für beide Seiten eine gute Nachricht ist.


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5 Kommentare zu “Wir gewinnen und staunen

  1. Hinweis zur Spielstatistik: wir sind knapp 3km mehr gelaufen.

  2. Musiclover

    Schade, dass das Spitzenspiel gegen Viktoria Berlin nicht in der AF ausgetragenen wird. Hätte man doch auf die große Bühne bringen können und in Zusammenarbeit mit dem Viki-Hauptsponsor live auf Sport1 bringen können. Ging doch vor ein paar Wochen auch schon.

  3. Robert aus Karow

    „Ich bin ein bisschen verknallt.“

    Ich auch!

  4. Aissa scheint der Mann für den entscheidenden letzten Pass auf Jerry (und andere) zu sein. Wenn er so weiter performt werden wir noch sehr sehr viel Freude an ihm haben. Mal sehen, wann er den Sprung in die Startelf schafft.

  5. Daniel vom Schlachthofviertel

    Kinder, ist det schön! Ich hoffe immer noch, wir gewöhnen uns nicht daran ganz oben zu stehen.
    Ach ja, und: Ich fände es schön, wenn wir alle Aïssa Laïdouni wie offiziell vorgesehen mit den zwei hübschen Punkten über den „i“s schreiben würden.
    (der Klugscheißer in mir möchte jetzt erklären, dass das ein Trema ist und bedeutet, dass das „i“ hier getrennt vom vorhergehenden „a“ ausgesprochen wird. Aber ich schluck’s runter. Will Euch ja nicht nerven. ;-) )

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