Blog State of the Union

Diese Mannschaft lässt uns an Unglaubliches glauben

Vor gut drei Jahren, als Union gerade in die Bundesliga aufgestiegen war, fühlte es sich teilweise seltsam bis surreal an, dass unser Verein nun tatsächlich in Pflichtspielen auf globale Marken und Aktiengesellschaften wie Bayern München oder Borussia Dortmund traf. Auch wenn das immer noch etwas besonderes und bemerkenswert ist, haben wir uns nach drei Bundesliga-Spielzeiten im Grundsatz vielleicht einigermaßen gewöhnt. Dass Union aber als Tabellenführer und mit vier Punkten Vorsprung Dortmund empfängt, und es für die darum geht, im ‚direkten Duell‘ den Anschluss an den 1.FC Union Berlin nicht zu verlieren, das ist immer noch hochgradig strange.

1.FC Union Berlin
Wie wir aussehen, wenn wir auf die Tabelle schauen. Grandioses Photo: Tobi/unveu.de.

Und es ist natürlich auch Quatsch, die Ausgangslage vor dem Spiel so zu beschreiben, weil diese Beschreibung nichts mit den Ansprüchen von Union an sich selbst zu tun hat. Trotzdem ist es auf einer ersten Ebene auch die Realität der Tabelle. Und die wird außerhalb von Köpenick und Berlin hier und da auch schon ernster genommen, als wir uns das selber trauen würden.

Das habe ich auch in einem Gespräch über das Spiel gemerkt: Vor der Partie gegen Dortmund war ich im (englischsprachigen) BVB-Podcast Yellow Wall Pod zu Gast. Darin wird deutlich: Von BVB-Seite gibt es für das Aufeinandertreffen nicht allzu viel Siegessicherheit. Wie alle Folgen von fremden Podcasts mit Union-Bezug (auf die wir aufmerksam werden), ist die Episode auch in diesem kuratierten Podcast-Feed zu finden.

Dabei ist es natürlich immer noch so, dass Union einen sehr guten Tag braucht, um gegen Mannschaften wie Dortmund bestehen zu können. Für die Mannschaft muss viel zusammen kommen, um im Kollektiv die geringere individuelle Qualität, die es natürlich gibt, auszugleichen. Ja, wir haben inzwischen in einigen Spielen gegen solche Teams gesehen, wie das gelingen kann. Aber gerade inmitten vieler englischer Wochen bleibt es eine große Herausforderung, die dafür nötige Intensität auf den Platz zu bekommen.

Wie diese Intensität bei Union von Mannschaft, Trainerteam und Umfeld geformt wird, beschreibt Neven Suboti? in einem längeren Interview mit der Süddeutschen Zeitung (in derselben Zeitung gibt es auch einen Kommentar zum Erfolg von Freiburg und Union). Darin geht er auch ein wenig auf spezifische taktische Mittel von Union ein, etwa darauf, dass je nach Gegner Zonen und Duelle gesucht werden, in denen das Team die besten Chancen sieht, das Spiel des Gegners zu (zer)stören.

Genau das wird auch morgen gegen Dortmund notwendig – aber eben auch besonders schwer. Denn Dortmund hat von Nico Schlotterbeck über Raphael Guerreiro und Jude Bellingham (den Spieler, bei dem ich mich aktuell am meisten darauf freue, ihm einfach beim Fußball spielen zusehen zu können) bis zu Julian Brandt einfach sehr viele potentielle Spielmacher. Ich bin also gespannt, an welcher Stelle Urs Fischer und seine Mannschaft versuchen werden, Dortmunds Spiel den catenaccio vorzuschieben.

Wahrscheinlich wird auch Julian Ryerson dazu beitragen. Er hat gegen Malmö die Marke von 100 Spielen für Union erreicht, ist gefühlt mit jedem davon besser geworden und absolut einer der Spieler, die wir von der Tribüne aus erwachsen werden gesehen haben.

Presseschau

In den Berliner Medien geht es heute vor allem um Robin Knoche. Das liegt natürlich unmittelbar daran, dass er per Elfmeter das Siegtor gegen Malmö geschossen hat. Auch wenn das nur am Rande zu seinem enormen Wert für die Mannschaft beiträgt. Außerdem werden ein paar Sätze, die Philipp Lahm in einem RBB-Interview über Union sagt, aufgegriffen.

Beim RBB gibt es außerdem ein Interview mit einem der Redakteure von Transfermarkt, in dem es um die Marktwerte geht, die auf der Seite Spielern zugeschrieben werden. Anlass dazu ist, dass Hertha und Union bei diesen Werten für die beiden Kader inzwischen auf die selbe Summe kommen.

Europa-Po-Prokrastination

Um sich die Zeit bis zum Dortmund-Spiel zu vertreiben, kann man schon mal vorsichtig in die europäische Reiseplanung im Frühjahr einsteigen. Wann Union dann spielt, hängt aber noch von den Ergebnissen in den letzten Gruppenspielen ab:

Trotzdem kann man sich schonmal umschauen, wo die Reise vielleicht hingehen könnte (hier im ’schlechtesten‘ Fall):

Orban-Nachwehen

Der Fall von Viktor Orbans Besuch bei Union hallt noch nach. So schreibt zum Beispiel die Zeit in ihrer Spieltagsvorschau darüber:

Im für Union günstigsten Fall ist das lediglich naiv: Der Verein, der sich für Geflüchtete einsetzt, hat sich für die Propaganda eines Rechtsaußen benutzen lassen, der Geflüchteten daheim Stacheldrahtzäune vor die Nase baut. Im ungünstigsten Fall passt die Visite Orbáns ins Bild eines Vereins, dessen Kultclub-Image von einer Art Bratwurst-und-Bier-Reaktionismus grundiert zu sein scheint: Covid war doch halb so wild, Gendern ist Unfug und vegane Würstchen kommen nicht auf den Grill! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen. Und man wird ja wohl noch Viktor Orbán die Loge aufschließen dürfen.

Und auch in (freien) ungarischen Medien wird der Besuch und die Reaktionen in Deutschland darauf thematisiert.

Der Union-Fanclub Grenzenlos Eisern schließt sich derweil mit einem Statement zur Causa Orban der Tapete auf der Waldseite dazu an. [Disclaimer: Ich bin Mitglied von Grenzenlos Eisern.]

Und eine kritische Auseinandersetzung mit dem Verhalten von Union in der Sache gibt es auch bei fcub.de (wo vor allem Reiseberichte von den beiden europäischen Auswärtsspielen erschienen sind).

Kurz wird das Thema auch in der Folge von Taktik & Suff zum Spiel angesprochen:

Union-Frauen

 

Das Regionalliga-Team der Union-Frauen spielt morgen Mittag (14 Uhr) in Leipzig gegen den SV Eintracht Leipzig-Süd und versucht dort, die Tabellenführung zu festigen (Vorschau des Vereins).

Und sonst so

Im Vorfeld des Hamburger Derbys zwischen St. Pauli und dem HSV gestern gab es einen massiven Polizei-Einsatz. Ein Video zeigt, wie Polizisten dabei Gewalt eingesetzt haben:

Die Polizei Hamburg begründet dieses Vorgehen damit, dass „etwa 150-200 Anhänger des FC St. Pauli von der Stadionreihe aus auf das Heiligengeistfeld in Richtung des Fanmarsches des HSV zuliefen“ und man die Trennung beider Lager so habe durchsetzen wollen. Auch die dabei angewandte Gewalt wird von einer Polizeisprecherin im Prinzip gerechtfertigt: „Insofern sehen die Situationen unschön aus, das ist auch für die Polizei nicht schön, aber es muss nun mal sein.“ Die Verhältnismäßigkeit werde geprüft, heißt es seitens der Polizei. Dass deren Vorgehen aufgeklärt wird, fordert der FC St. Pauli in einer ersten Reaktion auf die Bilder.

Dagegen sehen Experten diese Art von Gewalt als grundsätzlich unzulässig an:

Und Berichten von Augenzeugen zufolge war es mitnichten der Fall, dass im Moment, in der diese Gewalt eingesetzt wurde, eine Konfrontation der Fanlager unmittelbar zu befürchten war. Darüber und über den Fall insgesamt schreibt das St. Pauli-Medium Millernton.

Ach ja, St. Pauli hat das Derby 3-0 gewonnen und ‚Immer-Unioner‘ Marcel Hartel hat dazu eine Vorlage und ein Tor beigetragen.


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8 Kommentare zu “Diese Mannschaft lässt uns an Unglaubliches glauben

  1. Beim RBB gibt es außerdem ein Interview mit einem der Redakteure von Transfermarkt, in dem es um die Marktwerte geht, die auf der Seite Spielern zugeschrieben werden. Anlass dazu ist, dass Hertha und Union bei diesen Werten für die beiden

    Fehlt da noch was, oder ich verstehe den Text nicht?

  2. Ok, habe ich ja Glück gehabt.
    Dankeschön

  3. paul_panzer

    Wie in der Diskussion um Orban immer wieder der Umgang des Vereins mit Corona vorgekramt wird!? Was hat denn der Verein dort falsch gemacht, außer immer wieder zu versuchen einen gesunden Umgang mit Corona zu finden!? Sie haben nicht immer alles richtig gemacht, aber es immerhin versucht.

    • Streng genommen geltende Corona-Regeln (egal, ob man diese unsinnig findet oder nicht) nicht umgesetzt. Gesangsverbot, Abstand, Maskenpflicht am Platz (sofern sie gerade bestand). Dazu dann die passenden Bilder, die durch die Bauweise das Stadions bedingt, diesen Eindruck bestätigten. Fans, die vorm Stadion waren, obwohl sie es nicht durften/sollten. Zinglers Hin und Her mit dem Bayern-Spiel, aber auch so manches Interview danach. Alles viele kleine Dinge, die medial aufgegriffen wurden und das Bild öffentlich verfestigt haben.

  4. Streng genommen hat Union sich immer ganz genau an die jeweils geltenden Regeln gehalten.
    Die öffentliche Erwartung in dieser Zeit voller Schnellvorverurteilungen und sagenhaft unfähiger Politik(er) war aber oft darüber hinaus gehend (zB wurden Spielabsagen vom Verein gefordert, bevor diese überhaupt vom Gesundheitsamt erlassen wurden, das Gesangsverbot war erst nach dem Spiel ein Thema). Daraus bildete sich in Teilen der Berichterstattungen (und in der maximal unreflektiert neurotischen Twitterwelt) ein Narrativ, das Union quasi von Leugnern regiert wird und dauernd versucht Regeln zu brechen.
    Dem zu entgegnen bin ich zu müde geworden…? Ist für mich eine ahnliche Ebene wie der Vorwurf ein elitärer selbstgerechter „Kultclub“ zu sein.

  5. Passt zum immer wieder strapazierten Thema „vegane Bratwurst“:
    Der Stand mit dem vegetarischen gebackenen Ziegenkäse im Fladenbrot ist jetzt aus der hinteren Ecke vom Biergarten prominent umgezogen zum neuen Standort zwischen Gulaschkanone und Purzelchenstand.
    Sollte doch auch mal positiv erwähnt werden, oder?

  6. Du freust dich darauf, Bellingham bei spielen zu sehen? Mag ein begnadeter Fussballer sein, wird mMn überschattet von sehr viel Gejammer, Geschinde und Gemecker mit dem Schiedsrichter. Finde so eine Attitüde immer sehr unangenehm, erst Recht bei sehr jungen Spielen die irgendwie meinen, alles auf dem Platz müsste nach ihrer Nase tanzen.

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