Während ich dachte, dass Union mit Jordan Siebatcheu und Diogo Leite nun auf der Zugangsseite für diese Transferperiode durch sei, hat das Team von Manager Oliver Ruhnert andere Pläne. Der norwegische Mittelfeldspieler Morten Thorsby soll noch von Sampdoria Genua kommen, berichten erst italienische Medien, dann auch deutsche (Bild, Kurier).
Ich bin tatsächlich auf zwei Punkte gespannt. Erstens: Wie wird sich Torsby im Team einsortieren? Gerade im zentralen Mittelfeld hat Union ein großes Angebot an Spielern. Ist er ein auch durchaus torgefährlicher Box-to-Box-Spieler? Denn das ist schon ein Profil, das für die Mannschaft interessant sein kann. Andererseits hat Union gerade dort ein riesiges Angebot.
Kader soll auf 30 Spieler schrumpfen
Das bringt mich auch zum zweiten Punkt: Bevor es so eng in der Kabine wird, dass manch ein Spieler vielleicht gar keinen Sitzplatz bekommt, dürfte es einige Abgänge geben. Der Kurier nennt da Levin Öztunali oder Kevin Möhwald als Kandidaten. Oliver Ruhnert nennt eine Kadergröße von um die 30 Spieler als Zielmarke. Aktuell sei man da größer unterwegs, hätte das aber eingepreist. Sie hätten gerne das Team auf der Zugangseite frühzeitig beieinander, um sich einzuspielen.
Auf der Abgangsseite werde man bei Union unter anderem wieder mit Leihen operieren (das Thema hat die Morgenpost auch aus einem Gespräch mit Ruhnert mitgenommen). Aber es sei auch so, dass Spieler, die gehen dürfen, noch kein für sie adäquates Angebot hätten. Schauen wir auf den Kalender, sind wir Mitte Juli, es ist also noch eineinhalb Monate Zeit für Wechsel. Auch für ungeplante. Deshalb zieht Oliver Ruhnert im Gespräch bei AFTV (das für ein klubeigenes Interview eine außergewöhnlich große inhaltliche Dichte aufweist) auch kein endgültiges Fazit.
Aber charakterisiert das Ziel bei der Kaderzusammenstellung wie folgt: „Bei den Zugängen ist uns das gelungen, was wir uns vorgestellt haben. Wir haben Perspektive mit ein paar jungen Spielern und wir haben Erfahrung dazugeholt.“ Mehrfach im Gespräch sagt er, dass die Erhöhung von Qualität das Ziel gewesen sei. Das ist nach den Abgängen von Marvin Friedrich, Max Kruse, Taiwo Awoniyi und Grischa Prömel sicher kein kontroverses Ziel im Club gewesen.
Ich bin sehr gespannt, ob das im Bundesliga-Alltag sichtbar sein wird oder ob wir das vielleicht vor allem in der Europa-League spüren werden. Vielleicht auch beides. Denn der Fokus liegt ganz klar auf der Bundesliga. Europapokal ist Bonus. Das macht Ruhnert deutlich. Aber das zeigen eigentlich alle Aussagen von Verantwortlichen bei Union.
Erhöhung von Verbindlichkeiten zur Investition in die Mannschaft
So beispielsweise auch die von Präsident Dirk Zingler in einer Medienrunde im Trainingslager. Dort sagte er über die Transfers von Union und damit in die Investition in den Sport: „Ausschließlich sportlicher Erfolg bringt wirtschaftliche Stabilität. Wir nehmen Fremdmittel auf und erhöhen die Verbindlichkeiten, um in den Sport zu investieren, weil wir überzeugt davon sind, dass dieser Weg richtig ist. Jetzt sind wir in der Lage, unsere Verbindlichkeiten zu senken und weiter in den Sport zu investieren. Gesund sparen kann man sich als Unternehmen nicht.“
Die eigentlich interessante Frage ist: Ab wann hat Union mit Fremdmitteln investiert und bis wann war das nötig. Letztere Frage kann man wahrscheinlich ungefähr mit dem Beginn dieser Spielzeit beantworten. Jedenfalls impliziert das Zinglers Aussage. Der Angriff auf die Bundesliga und die Etablierung in dieser Liga (nicht nur sportlich, sondern auch finanziell) dürften nur mit großen Investitionen zu stemmen gewesen sein.
Die sind zwar durch die Pandemie (andere Clubs mussten massiv auf ihrer Ausgabenseite einsparen, was sich für Union auf dem Transfermarkt positiv auswirkte) und die nicht eingeplanten zusätzlichen Erfolge (DFB-Pokal, Europapokal, höhere Einnahmen aus TV-Vermarktung der Bundesliga) möglicherweise nicht ganz so hoch ausgefallen, wie es möglich gewesen wäre. Aber aus sich heraus wäre Union dazu nicht in der Lage gewesen. Ich bin gespannt, wie lange wir diese Verbindlichkeiten (Zingler nennt keine Höhe) mit uns herumtragen werden.
Kritik an Derby-Ansetzung am ersten Bundesliga-Spieltag
Ich finde nicht, dass der Präsident viel Neues sagt. Und für seine Verhältnisse war das auch wenig kontrovers. Zwischen den Zeilen hört man bei ihm durchaus Stolz darüber hinaus, dass sich andere Clubs über Unions Erfolg ärgern. Das dürfte für ihn ein Zeichen dafür sein, dass man auf dem richtigen Weg ist. Denn Erfolg bedeutet halt auch, dass man anderen etwas weg nimmt beziehungsweise, dass andere nicht erfolgreich sind.
Medial wird vor allem die Kritik an der Derby-Ansetzung gegen Hertha am ersten Bundesligaspieltag kritisiert. Das kann ich einerseits nachvollziehen, weil sich dadurch nicht erst eine Derby-Geschichte für die Saison aufbauen kann. Aus Vermarktungs- oder Hype-Sicht hat Zingler da voll recht. Für jemanden wie mich, der zunehmend von diesen Derbys genervt ist, hat die Ansetzung allerdings auch etwas Gutes. Es ist einfach schnell vorbei. Ob das Derby in einer der zahlreichen Englischen Wochen besser gepasst hätte, in denen Union alle drei Tage ein Spiel absolviert, lasse ich auch einmal dahingestellt.
Hier sind die Medienberichte vom Gespräch mit Dirk Zingler:
- Union-Präsident Zingler zum Auftakt-Derby: „Hätte es mir später gewünscht“ (Kicker)
- Derby-Ärger beim 1. FC Union: Präsident Dirk Zingler schießt gegen die DFL (Kurier)
- Union-Präsident Zingler kritisiert Derby-Ansetzung (RBB)
- Das Berlin-Derby kommt zu früh (Bild)
- Zingler: „Das ist wie eine Deutsche Meisterschaft für uns“ (Morgenpost)
Und sonst so?
Bei Timo Baumgartl ergibt sich hoffentlich die Perspektive, dass er bald in Köpenick sein Rehaprogramm absolvieren kann. Das ist abhängig von der Abschluss-Untersuchung nach seiner Krebsbehandlung (unter anderem die Bild berichtet). Ich drücke die Daumen und hoffe sehr, dass er als Profi in den Fußball zurückkehren kann.
Der Kurier beobachtet Unions Angreifer Jordan Siebatcheu und sieht einen Torerfolg nur als Frage der Zeit. Alles andere wäre für einen Stürmer allerdings auch beunruhigend.
Diogo Leite und Kevin Möhwald trainierten am eigentlich trainingsfreien Sonntag individuell mit den Trainern, um schnell mit der Mannschaft aufzuschließen (Berliner Zeitung, BZ).
Delay Sports im Berliner Amateurfußball
Wir sprechen viel über Veränderungen im Fußball, die das ursprüngliche Organisationsmodell in Frage stellen. Das kann die Super League sein, das können die Besitzverhältnisse an Clubs sein (WDR Sport Inside hat beispielsweise gerade eine dreiteilige Podcast-Serie zu 50+1 im Angebot, Teil 1 zur Geschichte der Regel und Teil 2 zu den Ausnahmen der Regel sind schon online). Aber es kann auch von unten passieren durch eine Art Influencer-Club wie Delay Sports im Berliner Amateurfußball.
Für diesen Club wich beispielsweise der Berliner Fußballverband von seiner Regel ab (Verbandsmitteilung), nach der neugegründete Clubs erst einmal drei Jahre im Freizeitfußball aktiv sein müssten. Der RBB hat einen längeren Beitrag zu dem Club, in dem allerdings die Strategie und Besitzverhältnisse des Clubs nicht ganz klar werden. Auch dieser Kicker-Beitrag hinterlässt bei mir mehr Fragezeichen. Dass hier der Fußball nur aus Marketinggründen organisiert wird, ist zumindest mein Eindruck. Ob da mehr dahinter steckt und wie das Ganze sich über mehrere Jahre wirklich trägt, wird wohl erst die Zeit zeigen.
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@Seb Die wichtigste Frage hast du charmant umdribbelt: Wer hat Olli R. Das zu große Shirt verpasst? Das wirft ja reichlich Falten. War es ein Versuch, seine Rundungen zu übertünchen? Oder hater erfolgreich eine Diät hingelegt? Oder hat der Manager so viel Stress, dass die Pfunde automatisch purzeln. Wenn letzteres der Fall ist, muss ich sofort als Manager bei einem Profiklub anheuern aus Eigeninteresse. Ein Mann von Format zu sein ist halt nicht in allen Lebenslagen hilfreich. ;-)
Derby am 1. Spieltag ist als „wichtigstes Thema“ einer Medienrunde auch bezeichnend. Der einen Seite fällt nichts ein, wie man fundiert nachbohren kann, und die andere Seite kostet diesen Zustand aus.
Oliver Ruhnerts Interview finde ich sehr gelungen und auch informativ. Niemand erwartet ernsthaft, dass dabei irgendwelche relevanten Details ausgeplaudert werden.
Die Aussagen von Zingler verwirren mich.
Er fängt an mit: „Ausschließlich sportlicher Erfolg bringt wirtschaftliche Stabilität. Wir nehmen Fremdmittel auf und ERHÖHEN die Verbindlichkeiten, um in den Sport zu investieren…“
Darauf folgt: „Jetzt sind wir in der Lage, unsere Verbindlichkeiten zu SENKEN und weiter in den Sport zu investieren.“
Wer kann meinen Konten lösen?
„Knoten“ soll das heißen, nicht „Konten“.
@der Sepp ich glaube, dass du dir das mit einem Zeitstrahl vorstellen musst. Fremdmittel nehmen, um zu investieren in der Zeit der Zweiten Liga bis einschließlich vergangene Saison. Ab dieser Saison mit erhöhten Einnahmen aus TV und Prämien Senkung der Verbindlichkeiten. So jedenfalls lese ich Zinglers Darstellung. Überprüfen kann ich die Aussagen nicht.
@Der Sepp Ja, so habe ich die Aussagen auch verstanden. Das würde sich auch mit den Finanzkennzahlen des Clubs decken, wo das negative Eigenkapital in den vergangenen drei Spielzeiten deutlich gestiegen ist (Union hat deutlich mehr ausgegeben als eingenommen, die Verbindlichkeiten haben ordnetlich zugenommen). Das müsste sich jetzt langsam ändern, wenn Zingler ankündigt, die Verbindlichkeiten nun zu senken. Um wie viel genau werden wir allerdings wohl erst zur nächsten MV erfahren (oder werden die Zahlen früher veröffentlicht? Jahresabschluss ist bei Union ja immer am 30.6.). Diese zahlen hat die DFL zuletzt dazu veröffentlicht: https://media.dfl.de/sites/2/2022/05/Clubs-der-Bundesliga-2022-23-Geschaeftsjahresende-2021.pdf
@Sebastian Fiebrig: Ist mal wieder ein Kenner-Blick auf die Zahlen im Podcast geplant? Vielleicht zum ersten spielfreien WE in der kommenden Saison? Fand ich immer recht erhellend.
Eigentlich braucht Union gar keine Finanzzahlen auf der MV veröffentlichen. Wie viele Mitglieder interessieren sich wirklich dafür? Wie viele Mitglieder würden überhaupt bemerken, wenn dort statt der echten Zahlen die Lottozahlen vom Wochenende vor der MV veröffentlichen würde?
Ich würde mich auch sehr über einen „Hintergrund-Podcast“ zu zahlen under Gleichen freuen.
@Maria Draghi: Eine Handvoll, die hier regelmäßig kommentieren, auf jeden Fall. ;-)
Wie viele haben gemerkt, dass der auf der MV verkündete Verlust von 10,5 Mio. in 2020/21 nicht die ganze Wahrheit war?