Am Sonntagmorgen hatte ich mich noch ein bisschen über das Interview mit Dirk Zingler in der Bild (Bezahl-Link) noch gewundert. Mir war nicht ganz klar, warum sich Dirk Zingler ohne Not mit solch harschen Worten über den DFB und speziell die Nationalmannschaft äußert. Nicht dass beide Institutionen nicht kritikwürdig seien, ganz im Gegenteil. Aber auf den ersten Blick gab es aus meiner Sicht für Union nichts zu gewinnen, wenn man über den Verband sagt: „Es ist aus meiner Sicht ein katastrophales, peinliches Bild. Der DFB ist an der Spitze hoffnungslos zerstritten und dadurch führungslos. Auf diese Weise entstehen mehr Probleme als gelöst werden.“
Das ist ein bisschen so wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Alle sehen, dass der DFB nackt ist, Dirk Zingler spricht es aus. Aber warum ohne Not den Rücktritt des Nationalmannschaftsmanagers Oliver Bierhoff fordern? Das ist doch nicht der Bereich der Union tangiert? Oder doch?
Für den Kontext der Punkte, die Dirk Zingler ansprach sorgte einerseits gestern Oliver Ruhnert im Doppelpass bei Sport1 und andererseits Christian Seifert, Geschäftsführer der DFL, mit einem Beitrag in der Montagsausgabe des Kickers. Ruhnert sagte über Bierhoff: „Aus den Vereinsvertretern heraus kann ich halt nur sagen, dass es nicht unbedingt so ist, dass Oliver Bierhoff da große Sympathiewerte bei allen hat.“
Konkret ging es ihm um ein Nachwuchskonzept des DFB-Mitarbeiters, das ohne die Clubs entstanden ist, aber signifikant in deren Arbeit eingreift.“ Ruhnert sagte weiter über den Nationalmannschafts-Manager, er: „hat davon überhaupt keine Ahnung, macht es aber.“ Das ist nicht das erste Mal, dass sich der ausgewiesene Nachwuchs-Experte kritisch über den DFB in dieser Causa geäußert hat. Bereits vor einiger Zeit machte er seinem Unmut darüber in der Süddeutschen Zeitung (Bezahl-Link) Luft.
Der wirkliche Angriff auf den DFB von Dirk Zingler lag aber eher bei der Reform zur Champions League. Hier forderte der Union-Präsident eine Positionierung des Verbandes. Interessant ist wieder einmal, wie hier ohne das Nennen eines Namens klar Kritik geäußert wird. Denn es ist der DFB-Vize Rainer Koch, der im entscheidenden Uefa-Gremium sitzt und als heimlicher DFB-Präsident gilt.
Warum Seifert die Bundesliga in Gefahr sieht
DFL-Chef Christian Seifert ist ein viel zu diplomatischer und höflicher Mensch, um ungestüm einen Angriff auf den DFB zu führen. Stattdessen verweist er in seinem Kicker-Beitrag auf die Unfähigkeit der Regionalverbände, die seit Jahren überfällige Regionalliga-Reform umzusetzen. Man möge also aus deutscher Sicht nicht überheblich auf die Champions-League-Reform schauen. Beteiligt am Scheitern der Regionalliga-Reform war übrigens unter anderem Rainer Koch in seiner Funktion als Präsident des Bayerischen Fußballverbands.
Seifert geht es neben diesen fein gesetzten Stichen aber vor allem um eine Sache, die Stärkung der Rolle der Bundesliga. Mehr Geld und Spiele für die Champions League, dürften im Umkehrschluss weniger TV-Geld für die nationalen Ligen bedeuten, wenn deren Attraktivität geschmälert werde. Das umso mehr, wenn es tatsächlich die Chance gebe, sich nicht auf sportlichem Weg über die nationalen Ligen für die Uefa-Wettbewerbe wie die Champions League zu qualifizieren.
DFL-Chef will echtes Financial Fairplay und Salary Cap
Außerdem warnt Seifert ganz deutlich davor, dass noch mehr Geld aus Europapokalwettbewerben für einzelne Clubs die Ungleichheit in den nationalen Ligen noch einmal verschärfen könnte. Wer könnte dieses Lied nicht lauter singen als ein Vertreter der Bundesliga, deren dominante Mannschaft nicht nur aktueller Champions-League-Sieger ist, sondern sich anschickt, zum neunten Mal in Serie Deutscher Meister zu werden.
Der Vorschlag von Seifert zum Zerschlagen des Teufelskreises aus immer neuen und aufgeblähten Wettbewerben um immer mehr TV-Gelder zu akquirieren ist wenig überraschend identisch mit dem Lösungsvorschlag von Union-Präsident Dirk Zingler: Ein Gehaltsdeckel (Salary Cap) muss her, um die aus dem Ruder laufenden Kosten der Vereine zu begrenzen. Dafür benötigt es eine europäische Lösung, weil das nur über die Europäische Union zu regeln ist.
Schaut man sich die von Seifert skizzierten Auswirkungen der Champions-League-Reform in ihrem bisherigen Zustand an, wird deutlich, warum sich Dirk Zingler so deutlich über den DFB äußert. Denn der Verband hat zumindest eine Stimme im Gremium. Und der 1. FC Union oder andere Vereine ähnlicher Größe würden es noch schwerer haben, sich in der Bundesliga zu etablieren, wenn die reichen Clubs noch reicher würden, also noch mehr Geld aus Uefa-Wettbewerben kassierten. Nicht ganz zu Unrecht sprach Oliver Ruhnert im Doppelpass von den fast schon festgelegten Plätzen 1 bis 6 in der Bundesliga und der „Meisterschaft der anderen Clubs“, die Union in der Tabelle anführe.
Ebenfalls über das Interview von Dirk Zingler schrieben Morgenpost, Bild und Kurier.
Was ist bei Union sonst noch los?
Wir können uns nach dem Erreichen der 40-Punkte-Marke ein bisschen darauf einstellen, dass jetzt noch mehr als vorher die Frage nach Europapokal als restliches Saisonziel gestellt wird (Tagesspiegel, Berliner Zeitung, BZ, Kurier).
Keine Woche ohne Kruse-News: Die Bild wähnt Unions erfolgreichsten Offensivspieler (10 Tore, 5 Vorlagen) in einer Krise. Ob das tatsächlich der Fall ist oder Kruse vielleicht ein bisschen wie die gesamte Mannschaft nicht die letzte Überzeugung im Spiel nach vorne ausstrahlt, überlasse ich eurer Bewertung. Oliver Ruhnert ließ gestern übrigens noch die Info fallen, dass Max Kruse auch für nächste Saison noch Vertrag bei Union habe (Kicker).
Und was die Linksverteidigerposition betrifft, gibt es wohl eine Einigung mit dem polnischen Linksverteidiger Tymoteusz Puchacz (Kicker und alle anderen Medien).
Ob Christopher Trimmel nach seinem Nasenbeinbruch eine Maske tragen muss, ist noch nicht klar (Bild, nicht online). Das werden weitere Untersuchungen in dieser Woche klären.
Wenn ihr unserer Diskussion über das 1:1 beim FC Bayern mit etwas Regelkunde über falsche Einwürfe hören wollt, schaltet in die aktuelle Podcast-Episode. Wir spielen auch etwas Oliver Ruhnert, indem wir bei den Angreifern sagen, mit welchen Spielern wir auch in die nächste Saison gehen würden.
Und sonst so?
Der Würzburger Sponsor will seine Werbeverträge mit dem DFB kündigen, weil er sich von den Schiedsrichtern benachteiligt sieht (Spiegel). Ob das auch die Bundesliga der Frauen betrifft, deren Namenssponsor das Würzburger Unternehmen auch ist, bleibt unklar. Ebenso ob das Ganze nicht ein Sturm im Wasserglas ist.
— Christian Ortlepp (@OrtivorOrt) April 11, 2021
Außerdem möchte ich euch zwei Podcast-Episoden ans Herz legen. Zum einen ging es in der vergangenen Woche beim Sport-Inside-Podcast um Kinder- und Jugendsport in der Corona-Pandemie. Hier wirken in einem ohnehin prekären Bereich die Einschränkungen zur Kontaktreduktion sehr stark, sowohl im Schulsport als auch im Vereinsbereich. Es ist ganz wohltuend wie Prof. Christoph Breuer in der Sendung über den 4. Kinder- und Jugendsportbericht spricht und ohne Alarmismus über Probleme und Lösungsansätze spricht. Während wir viele Erwachsene in der Krise draußen beim Joggen und Radfahren zusehen können, machen Kinder und Jugendliche ganz anders Sport. Das wird in der Sendung sehr deutlich und auch, dass Sportgeräte in Parks selten bis nie für diese Bevölkerungsgruppe gemacht sind.
Ich habe selbst zwei Kinder, die sportlich sehr unterschiedlich durch die Pandemie seit März 2020 gekommen sind. Das große Kind hat Fitness, Ausdauersport und Volleyball für sich entdeckt und hat nach einem Jahr eine Modellathleten-Figur. Das kleine Kind hingegen leidet vor allem an Bewegungsarmut und hat sich zwischen November und April kaum draußen bewegt. Damit einher gehen dann die üblichen anderen Symptome wie Antriebsschwäche, Kontaktarmut und der Hang zum Abhängen bei Streamingdiensten wie Netflix, Amazon oder Disney. Vor allem der soziale Aspekt schlägt hier voll durch.
Und als Empfehlung zum Thema Kaderzusammenstellung und Entdecken von Talenten im Fußball empfehle ich euch die Episode des Kicker-meets-Dazn-Podcasts mit Sven Mislintat vom VfB Stuttgart. Der erzählt dort beispielsweise, welche Möglichkeiten und Grenzen datenbasiertes Scouting hat. Erfrischend ist, wie sachlich und locker er darüber spricht, während andere in dem Bereich so reden, als würden sie eine Power-Point-Präsentation halten und sich hinter Fremd- und Buzzwörtern verstecken.
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Vielen Dank für die Einordnung der DFB-Kritik, die sich mir auf den ersten Blick so nicht erschlossen hat.
Wenn man Kindern den Zugang zu Streamingdiensten ermöglicht, sollte man sich nicht wundern, wenn diese sie auch nutzen.
@lysander Danke für den wertvollen Hinweis.Ich werde das beherzigen.
Ui, Erziehungshinweise bei textilvergehen. Großartig! :-D
@lysander: Ich wette, dass du keine Kinder hast.
Lieber Sebastian, vielen Dank auch für den kleinen Schlenker hin zu Euren Kindern. Für uns ist es ein nervenaufreibender Ehrenamts-Job, unsere Kleene mal raus und in Bewegung zu kriegen. Geht fast nur, wenn ne Freundin dabei ist – dann aber Heidewitzka!
Vielen Dank auch für Deine Ausführungen zu Herrn Seifert. Jetzt wird mir das Geflecht dort oben etwas klarer. Hoffe sehr, dass sich die Ausverkäufer des Fußballs nicht – wie in unserer Gesellschaft leider üblich – durchsetzen.
Eisern grüßt Nussi
Da der Kicker schreibt, dass der neue polnische LV der dritte Neuzugang wäre, habe ich mich verhört, dass Ruhnert gestern meinte, der denke nicht, dass es ein Khedira-Bruderduell nächste Saison in Berlin geben wird?
@senfbeilage Da Sami Khedira bisher nur einen Vertrag bis Sommer 2021 bei Hertha BSC hat, könnte das auch darauf bezogen sein. :)
Also ich dachte gleich an einen Hertha-Abstieg, deshalb kein Bruderduell. Im übrigen war O.R. sehr überzeugend bei Sport1.
@sebastian: War auch mein erster Gedanke: Wenn wohl Rani (da haben wohl mittlerweile auch seriöse Quellen von finalen Verhandlungen auf der Zielgeraden erfahren) recht wahrscheinlich kommende Saison für Union aufläuft, dann heisst das für mich: Sami kommt auch !
Gentner-Vakanz (auch mal unabhängig von Andrich), beide Khediras können auch zentral in ner Dreierreihe hinten… wäre stimmig („trotz“ Jäckel, Rapp und ggf.doch noch Hübner, da spricht null gegen ne VV, Friedrichs Abgang scheint hingegen besiegelt) und nicht das erste Beispiel dafür, dass maximale Jobzufriedenheit (und speziell im Fall Union ja auch Sinnstiftung der eigenen Tätigkeit) auch durchaus ne Million (oder gar 2) mehr Gehalt schlagen kann.
DFB: Ich fand die Statements von Ruhnert so ziemlich das Deutlichste und Bemerkenswerteste, was ich in den vergangenen Jahren von Fussballern oder Funktionären gehört habe ! Danke für „ohne wischiwaschi“ !
Allein schon für das Verächtliche „die Mannschaft“ gibt´s 100 Symphatiepunkte von mir ! Was bin ich im Nachhinein froh, wie wohl auch so ziemlich der Rest der Republik, mir nicht eine Sekunde des achtklassigen Produkts genannt „Länderspieldreierpack“ gegeben zu haben.
Zum Polen: Ja, hat nen Geschmäckle, aber der hat eben keinen Bock drauf, sich im September an Brighton oder Fulham verscherbeln zu lassen, sondern will offensichtlich zu Union. Auch hier scheinen sportliche Belange Kohle zu schlagen. Prognose: Wenn der in 4,5 Jahren den Lenz macht, dann hört man von Union auch kein böses Wort. Ich würde das anders bewerten, wenn Union 15 Mios für Andrich oder Friedrich fordern würde…
..den Sonntag abgerundet hat, dass ich in den Werbepausen (vom Doppelpass) zu Sky rüber bin…. da haben sowohl der Moderator als auch die Fachgäste gefühlt 5 mal sogenannte Transferexperten (vom gleichen Sender) abgewatscht. Lol… auf Handzeichen hat der (war auch angebracht) die Klappe gehalten (Max Bielefeld kann sicher auch supi Hausschuhe apportieren)… argumentativ… wars für den schon eh peinlich genug, dass Bayern Lewa gegen 100 Mio plus abgeben könnte, weil ja nun mal Fakt wäre, dass die Berater umtriebig sind und alles auf nen heissen Lewa-Transfersommer hindeutet… das (in Corona-Zeiten) respektlose Bayern-Angebot für Alaba… wofür braucht sky nen eigenes Comedy-Format mit Dieter Nuhr ?
Offen und geradeaus haben Zingler/Ruhnert auf die Fragen geantwortet. Warum jetzt einige daraus etwas negatives machen, erschließt sich mir nicht.
Das Löw und Bierhoff weg müssen wissen (fordern) doch fast alle.
Ich fand auch Ruhnerts Aussagen zu Hertha interessant. Und mal ehrlich, was sollen wir mit beiden Khediras? Sami bekommt 3 Mio für das halbe Jahr Hertha, der ist für uns schlichtweg nicht finanzierbar. Und es kann ja auch sein das die Hertha absteigt (nix dagegen), dann hat sich das Bruderduell eh erledigt. ;-)
Das war ein blitzsauberer und beeindruckender Auftritt Ruhnerts beim Dopa. Da war sogar Reif erstaunlich zurückhaltend, die anderen Statisten hatten eh nur Worthülsen und dümmliches Gelaber. Kollegen (ohne Union Bezug) waren sehr angetan.
Den Zorniger (wenn auch mit RB Vergangenheit) kann man sich auch geben finde ich. Wusste auch mit ein paar Statistiken über Union zu hantieren, was mir zeigt, dass er sich wohl auf Formate vorbereitet, wenn er daran teilnimmt.
ich verstehe ruhnert eher so, dass rani khedira nicht zu uns kommen wird. erstens sagt er zu hellmer, du kennst noch nicht einen namen; zweitens glaube ich, dass ruhnert so seriös ist, nichts (auch nicht durch die blume) über wechselabsichten von sami khedira gerüchteweise in die welt zu setzen.
schön für mich anzusehen war die passage, in der er die runde über den korrekten umgang mit dem hygienekonzept der dfl belehrt, das, so man es befolgt, einen recht sicheren spielbetrieb und umgang der spieler miteinander gewährleistet. da sitzt einer, der was von praktischer anwendung versteht und sich nicht von halbgaren was-wäre-aber-wenn-nebelbomben beeindrucken lässt. bester mann!
[…] Gründen schwierig. Zunächst suggeriert sie, aufgrund eines Zitats aus dem Zingler-Interview (gestriges SotU), dass Union auf die Verkäufe angewiesen ist. Hinzu kommt, dass es wirkt, als seien die Namen auf […]