Blog State of the Union

Urs Fischers Plan, wie die Mannschaft ihn umsetzt und wie gut Union ist

Unions Saisonstart ist phantastisch, und die Mannschaft spielt unglaublich gut Fußball. Dabei wird vor allem klar, dass im Fußball eine diszipliniert umgesetzte Struktur und Prinzipien einerseits und Kreativität andererseits keine Gegensätze sind. Denn kreative Aktionen wie die, mit denen Union jedes der fünf (nochmal: 5) Tore am Samstag heraus gespielt hat, ergeben sich für die Mannschaft von Urs Fischer eben nur, weil sie sehr präzise gegen den Ball arbeitet und klare Muster verfolgt, wenn sie den Ball erobert hat.

Urs Fischer Union Berlin
Trainer Urs Fischer applaudiert der Mannschaft, Foto: Matze Koch

Zu dieser Arbeit gegen den Ball gehört zum Beispiel, dass die Außenspieler die gegnerischen Außenverteidiger sofort unter Druck setzen, wenn der Ball auf dem Weg zu ihnen ist. Das konnte man Urs Fischer gegen Bielefeld immer wieder lautstark einfordern hören, und das führte dazu, dass Bielefeld offensiv überhaupt nicht in das Spiel kam.

Und Grundlage des nicht nur für Union-Verhältnisse starken Kombinationsspiel ist, dass sich Unions Sechser, vor allem Robert Andrich, immer wieder sehr aktiv und ballfordernd freilaufen, und die Muster zum Spiel nach vorne über Ablagen auf die Außenverteidiger immer wieder greifen. So kommt Union eben in die Position, Max Kruse in den gefährlichen Räumen anzuspielen, in denen er sich immer wieder anbietet und dann Aktionen mit sehr hoher Qualität ausführt.

Aber wird Unions Spiel gerade doch überbewertet, weil das Auftaktprogramm aus Mannschaften bestand, die zu den schwächeren der Liga gehören? Dass das so ist, macht diese Graphik deutlich, die sowohl die gewonnen Punkte als auch die Punkte der bisherigen Gegner zeigt:

Union hatte in den ersten sieben Spielen ein eher leichtes Programm, ja. Aber das kann man der Mannschaft natürlich auch nicht vorwerfen; es bedeutet nicht, dass die gezeigten Leistungen nicht trotzdem überzeugend waren; und es heißt nicht, dass unmittelbar ein Einbruch in Leistungen oder Ergebnissen zu befürchten wäre.

Denn selbst wenn man Unions Ergebnisse vor allem der Tabellenhierarchie zuschreiben möchte, dann würde daraus immer noch folgen, dass die Mannschaft sich in dem Regal über dem Abstiegskampf einsortiert hätte, und das wäre noch immer phantastisch. Und es würde heißen, dass sie in Spielen gegen Stuttgart, Wolfsburg, Frankfurt oder Bremen (die leistungstechnisch noch eher in den Tabellenkeller gehören), auf Mannschaften auf Augenhöhe trifft. Nochmal: Wenn das so wäre und Union gegen diese Mannschaften gemischte Ergebnisse einfährt und gegen schlechtere platzierte oft gewinnt (über die verlorenen Punkte gegen Schalke und Freiburg darf man sich immer noch ein wenig ärgern), dann läuft das auf eine sehr erfolgreiche Saison hinaus.

Und schließlich: Wenn man sich Unions Leistungen in dieser Saison genauer anschaut, etwa anhand der statistischen Merkmale der Mannschaft, dann zeigen sich zwei Dinge: Erstens, die Produktivität der Mannschaft Spiel für Spiel und Szene für Szene rechtfertigt den aktuellen Tabellenstand. Und zweitens, die Mannschaft hat einen sehr klaren Plan dafür, wie sie Fußball spielen will.

Union Berlin Statistiken Bundesliga
Unions Statistiken gegen den Ball. Quelle: StatsBomb/FBRef

Ersteres, also Unions „echten“ Leistungsstand über Punkte hinaus betrachtet, sieht man zum Beispiel daran, dass Union auch bei den expected Goals weit vorn in der Tabelle der Liga liegt, sowohl offensiv (Fünfter) als auch defensiv (Dritter). Union erarbeitet sich die sechst-meisten Schüsse und ist am zweitbesten im Anteil der Schüsse, die aufs Tor kommen (was für gut zu Ende gespielte Angriffe spricht – entsprechend übertrifft auch nur Bayern seine expected goals Werte um mehr als Union seine).

Wenn man Union in dieser Saison spielen sieht, dauert es nicht lange, bis man die taktische und spielerische Entwicklung im Vergleich zur letzten Saison deutlich aufgezeigt bekommt. Und auch beim Blick auf die Statistiken ist das offensichtlich: Union spielt zwar immer noch die zweitmeisten langen Pässe, ist jetzt auch Achter bei kurzen Pässen und Neunter bei der Passquote – beides Werte, bei denen Union in der letzten Saison zusammen mit Augsburg ganz hinten lag.

Und dieses Passspiel findet eben nicht nur in ungefährlichen Bereichen des Feldes statt, sondern Union spielt auch viele Pässe ins Angriffsdrittel (7. in der Liga). Zu diesem Konzept gehören dann auch Flanken (die drittmeisten), die aber oft nicht spekulativ irgendwie in den Strafraum geschlagen sind, sondern oft aus Schnellangriffen resultieren und ein klares Ziel haben.

Zu diesen Schnellangriffen gehören dann natürlich auch die notwendigen Balleroberungen dafür. Interessant ist hier, wie polarisiert Unions Pressing ist: Union hat die meisten Tacklings im Drittel vor dem eigenen Tor, und die zweitwenigsten im eigenen Angriffsdrittel. Es gibt also Räume, in denen Union den Gegner den Ball haben lässt, und welche, in denen der Druck so intensiv ist wie bei quasi keiner anderen Mannschaft in der Liga. Das zeigt sich – ebenso wie die „Ekligkeit“ in der Zweikampfsführung – auch darin, dass Union die höchste Erfolgsrate bei Tacklings in der Liga hat.

Kurz gesagt: Urs Fischers Mannschaft weiß genau, was sie wo tun soll, und bekommt diesen Plan aufs Spielfeld.

Die Berliner Medien über Union

Der Kurier nimmt jedenfalls Unions Leistungen so sehr für voll, dass er Robert Andrich und Christopher Lenz für die Nationalmannschaft empfiehlt. Ich kann ja gerade ganz gut damit leben, wenn die beiden nicht zu Länderspielen reisen müssen.

Außerdem geht es im Kurier um Akaki Gogia, der sich nach seiner langen Verletzung endlich in der Mannschaft etablieren will, auch in Blick auf die kommende Saison.

Die Morgenpost zieht ein Resümee des Saisonstarts der Neuzugänge bei Union.

Bild/BZ thematisieren die Terminüberlagerung von Weihnachtssingen und Pokalspiel. Wie Sebastian hier gestern schon geschrieben hat, ist aber eigentlich ohnehin nicht davon auszugehen, dass das Weihnachtssingen ansatzweise wie gewohnt stattfinden kann.

Außerdem war mit Andreas Luthe mal wieder ein Union-Spieler im Kicker/Dazn-Podcast zu Gast (ab Minute 21). Der Kicker fasst die Aussagen daraus in einem Artikel zusammen.


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14 Kommentare zu “Urs Fischers Plan, wie die Mannschaft ihn umsetzt und wie gut Union ist

  1. Union hat inzwischen das Testspiel gegen Braunschweig abgesagt.

  2. Danke Daniel, für den interessanten Beitrag (zumindest für Statistikfreaks wie mich). Was die XGoals-Statistiken angeht, habe ich zuletzt festgestellt, dass sich die Werte verschiedener Statistik-Seiten (z.B. https://fbref.com und https://understat.com) zum Teil recht deutlich unterscheiden – bei einzelnen Spielen sogar fast (na ja etwas übertrieben) in dem Maße, wie die subjektive Chancenbeurteilung verschiedener „neutraler“ Fans auseinandergeht.
    Von daher würde ich mich sehr darüber freuen, wenn Du, Daniel, zukünftig die Quellen zu den „weichen“ Kennzahlen wie xGoals angeben könntest.

    Noch was ganz anderes: Beim Millernton startet Sporti im Finale des Grand Prix de la Vereinslieder Song Contest auf Startnummer 17. Abgestimmt werden kann ab heute bis zum 22. November. Vielleicht könnt Ihr nochmal drauf hinweisen.
    https://millernton.de/2020/11/10/gpdlvsc-das-finale/

  3. Man kann es auch übertreiben mit den Statistiken ;-)

    Wichtig ist auf’m Platz!

    • @Michael Die Statistiken sind alle (abgesehen vlt von xG) direkte Repräsentationen von dem, was auf dem Platz passiert, beschreiben also einfach nur, was Union macht. Finde nicht, dass das allzu abgehoben ist.

    • tarantandy

      Nichts gegen Daniel, im Gegenteil, ich höre dir parallel gerade gern im Rasenfunk zu. Aber ich persönlich finde es auch absurd, den Statistiken soviel Raum zu geben. Es wirkt auf mich fast schon willkürlich, was da alles betrachtet, analysiert und verglichen wird.

    • @tarantandy ok, dann sag doch mal, welche davon nichts interessantes über Unions Spiel aussagt.

    • tarantandy

      Es sollte eine Statistik geben, die die Schuhgrößen der einzelnen Mannschaften miteinander vergleicht. Schuhgrößen der einzelnen Spieler addiert, geteilt durch Anzahl der Spieler. Je nach Größe des Schuhes (die eigentliche Größe der Füße ist unerheblich, es kommt wirklich auf die Größe der verwendeten Schuhe an) nehmen die betreffenden Spieler ja mehr oder weniger Raum ein und haben größere (oder kleinere) Chancen, einen Ball zu erreichen. Ich bin mir sicher, das könnte ein aussagekräftiger Wert sein… ;-)
      Ich glaube, Daniel, wir gucken einfach anders Fußball, deswegen fürchte ich, dass uns eine weitere Diskussion darüber nicht weiter bringt. Auf deine Frage würde ich antworten, dass mich kein Ergebnis dieser Statistiken interessiert. Für mich fühlt es sich absurd an, mich in Grafiken, die mir wirr erscheinen, zu vertiefen. Selbst „expected goals“, der ich noch eine gewisse Relevanz zugestehen würde, stehe ich skeptisch gegenüber. Denn letztendlich kommt es für mich nicht auf die Wahrscheinlichkeit an, dass etwas passiert. Sondern auf die Dinge, die dann ganz praktisch geschehen. Interessant sind für mich eher die unerwartbaren Dinge. Wenn Marius Bülter aus einer ungewöhnlichen Position überraschend ein Ding reinhaut, dann ist das ein magischer Moment, für den ich Fußball liebe.
      Statistiken haben für mich auch immer etwas Schlaumeier-mäßiges.
      Sie sind relevant in der Medizin, in der Soziologie und in vielen anderen tatsächlich wichtigen Bereichen.
      Im Fußball brauche ich persönlich sie nicht.
      Sieh‘ das als Meinungsäußerung meinerseits – ich achte und respektiere, dass andere einen anderen Zugang zum Fußball haben.

  4. Ja, ich bin auch sehr zufrieden, mit den Veränderung der Mannschaft. Es ist eine Freude die Spiele zu sehen…. und wie so nach und nach Spielweisen umgesetzt werden, die zum Tor/ Toren führen.

  5. […] Gestern hat Daniel schon schön analysiert warum Union derzeit so gut ist und wie Urs Fischers Plan … Einer der Schlüssel liegt dabei wieder einmal in der defensiven Stabilität, die sich auch in den expected Goals der Gegner ausdrückt (Platz drei). […]

  6. Maria Draghi

    Gab es ein inhaltliches Problem mit meinem Beitrag von heute Mittag (wenn ja, welches?) oder wurde der unabsichtlich gelöscht?

  7. Maria Draghi

    Voriger Beitrag kann gelöscht werden. War im falschen Datum unterwegs.

  8. […] glücklich zustande gekommen ist, und auch deshalb ein Absinken zu befürchten wäre. Wir haben hier in Sotu zuletzt nach dem siebten Spieltag darauf geschaut, jetzt, nach weiteren sieben Spielen, kann man das durchaus wieder einmal tun. Auch weil ein […]

  9. […] liegenden Daten sich entwickelt haben. Im Verlauf der Saison haben wir schon ein paar Mal darauf hingewiesen, dass die das sehr gute Abschneiden in der Tabelle unterfüttert […]

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