Auch wenn Urs Fischer nach dem Spiel am Freitag vor allem von individuellen Fehlern gesprochen hat – die Niederlage gegen Hertha hatte auch einige systematische Gründe. An diesen systematischen Problemen müssten Mannschaft und Trainer nun eigentlich arbeiten, aber mitten in einem eng getakteten Spielbetrieb mit englischen Wochen wie dieser wird das alles andere als einfach. Ich bin daher gespannt, welche Anpassungen wir am Mittwoch im Spiel gegen Mainz sehen werden. Genau darüber haben wir gestern auch im Podcast gesprochen, in dem Till Oppermann (RBB, Cavanis Friseur) zu Gast war:
Podcast: Union verliert das Derby gegen Hertha deutlich mit 0:4. Wir diskutieren gemeinsam mit @tilloppermann, woran das im Spiel gelegen haben dürfte und was sich ändern sollte. Denn klar ist, der Abstand nach unten schmilzt. #fcunion #bscfcu https://t.co/r0pm2wgo7C
— Textilvergehen (@textilvergehen) May 24, 2020
Ich habe oben von systematischen Problemen im Gegensatz zu individuellen Fehlern gesprochen. Das ist aber gerade in Bezug auf dieses Spiel eigentlich falsch, denn was Hertha vor allem gut gemacht hat, war bestimmte individuelle Nachteile von Union systematisch auszunutzen. Insofern hat Hertha dieses Spiel vor allem taktisch klar gewonnen.
Das offensichtlichste Problem für Union waren dabei die Geschwindigkeits-Defizite auf den Flügeln; aber das wichtigste, dass Hertha Unions Defensiv-Formation so auseinandergezogen hat, dass die Mannschaft von Urs Fischer nie wirklich gut in die Zweikämpfe oder überhaupt defensiv ins Spiel gekommen ist – also ihre größte Stärke nicht anwenden konnte.
Dazu haben sich Herthas Sechser immer wieder in den defensiven Halbräumen oder sogar tief auf dem Flügel positioniert, und damit den Raum, den Grischa Prömel und Robert Andrich verteidigen mussten, sehr groß gemacht. Das galt umso mehr, als die beiden Unioner auch im Pressing beteiligt waren und defensiv auf den Flügeln helfen mussten. Andrichs und Prömels ohnehin großer Aktionsradius war so letztlich überstreckt, und es gab viele Räume auf dem Feld, in denen Union nicht so gut verteidigen konnte wie sonst in dieser Saison. Im Einzelnen wird das in dieser Taktik-Analyse des Spiels ganz anschaulich gezeigt. Für die Probleme im Mittelfeld waren dann auch eher diese taktischen Probleme entscheidend, und weniger, dass Christian Gentner nicht gespielt hat – vielleicht auch, um eine Gelb-Sperre zu vermeiden, wie die BZ erörtert.
Ich bin mir sicher, dass auch Urs Fischer seine eigenen Schlüsse aus dem ziehen wird, was er am Freitag gesehen hat, und immerhin hatte er über das Wochenende etwas mehr Zeit, um daran für die kurze Vorbereitung auf Mainz zu arbeiten. Das könnten dann Punkte sein, die sich bei Union gegen Mainz ändern:
- Mehr Präsenz im Mittelfeld: Um das zentrale Mittelfeld zu unterstützen, könnte es entweder eine Formationsänderung mit einem dritten Spieler dort geben, oder (vielleicht wahrscheinlicher) die Taktik so angepasst werden, dass die beiden Sechser mehr Unterstützung aus anderen Mannschaftsteilen bekommen. Die könnte darin bestehen, dass die Innenverteidiger aktiver aus ihrer Kette heraus rücken und Defensivarbeit ins Mittelfeld herein machen. Das gab es bei Union vor der Saisonunterbrechung auch schon. Außerdem könnten die Mittelfeldspieler von Aufgaben im Pressing entlastet werden, und diese anders auf die Sturmreihe verteilt werden – eventuell auch wieder in der 532-Formation mit zwei Spitzen.
- Ein spielerischer Weg zu Torchancen: Gegen Hertha hat Union auf verschiedene Weise Offensivpotential gefehlt. Unter anderem, weil man aus ordentlich vorgetragenen Angriffen aus dem eigenen Aufbauspiel keine Torchancen kreieren konnte. Das hat auch damit zu tun, dass es für die Zehn wenige Spieler gibt, deren Stärke es ist, in engen Räumen Lösungen zu finden und gute Pässe zu spielen. Vielleicht kann Yunus Malli aber genau das noch öfter beitragen, zum beispiel ausgerechnet gegen seinen Ex-Verein Mainz mit Vorlagen auf Anthony Ujah oder Sebastian Polter, die da auch mal gespielt haben.
- Bessere Standard-Verteidigung: Ich bin mir nicht sicher, warum Union in diesem Punkt zuletzt so große Schwächen gezeigt hat, aber wie gut man Ecken und Freistöße verteidigen kann wird ein recht wichtiger Faktor im Saisonfinale werden.
Die Morgenpost schreibt heute außerdem noch, dass „Grischa Prömel offenbart: ‚Wir orientieren uns nach unten'“. Das ist aber natürlich nicht wirklich neu. Der Strich über Platz 16 war die gesamte Saison über die Messlatte für Union:
27#fcunion pic.twitter.com/cIWZmLxYCm
— keano (@keanofcu) May 24, 2020
Und Niemals Vergessen
In unserem Geschichtspodcast über Union hat mir Sebastian gestern erzählt, wie es wirklich zu einer Tour von Union in die Sowjetunion nach dem Pokalsieg 1968 kam – anders als manchmal behauptet, war das kein Ersatz für die ausgefallene Europapokal-Teilnahme.
Podcast: Wir springen ins Jahr 1968, direkt in die Zeit nach dem Pokalsieg mit einer außergewöhnlichen Saisonvorbereitung. Denn Unions Team spielt nicht nur gegen Sao Paulo, sondern bekommt auch eine Reise in die Sowjetunion geschenkt. #fcunion https://t.co/P5yraCi9Mp
— Und niemals vergessen … (@unv_podcast) May 24, 2020
Und sonst so
Ungefähr alle Unioner*innen würden wohl in der aktuellen Lage gerne irgendwie ihre Unterstützung für die Mannschaft zeigen und leiden darunter, dass die Pandemie eigentlich alle Wege, auf denen wir das normalerweise tun, versperrt. Eine Idee ist diese: eine singende Tribüne virtuell herzustellen.
Also wenn ich bis Dienstag mittag genügend Chorsolisten zusammen habe, würde ich es versuchen. Sendet das Audiofile an tomkohlschmidt@posteo.de unter Betreff Unionchor virtuell.
Der Text:
FC Union
Uns're Liebe
Liebe, Liebe, Liebe
Uns're Mannschaft, unser Stolz
Union Berlin— Tom Kohlschmidt (@cuttertom_bln) May 24, 2020
Ich bin mir nicht ganz sicher, wie gut das funktionieren kann, aber wenn ihr Lust darauf habt, beteiligt euch doch daran – aber vergesst dabei natürlich die Worte ‚unser Verein‘ in der vorletzten Zeile nicht. Als Taktgeber gibt es dieses Video, das ohnehin gute Laune macht:
Und vielleicht gibt es ja noch andere Ideen dafür, auch jetzt Support zu zeigen. Wenn ihr welche habt, schreibt sie gern in die Kommentare.
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Ihr habt doch gestern schon die Vorlage geliefert.
Großes Banner auf der Waldseite: Mit aller Gewalt Klassenerhalt!
Ich denke die Raumaufteilung, die Union braucht, ist schwer zu prognostizieren. Mainz hat gegen Mittelstadt ein 343 versucht (fail), gegen den Effzeh war es noch eher ein 4231/4141. Wenn sie also mit 343 kommen, Union also quasi spiegeln, dann sind die relevanten Räume eigentlich besetzt, oder? Wenn sie aber wie gegen Köln (und wie auch Hertha) mit drei zentralen Mittelfeldspielern kommen, haben wir wieder ein Problem. Dann müsste einer der Halbstürmer mit ins Zentrum. Wenn du von herausrückenden Innenverteidigern schreibst bekomme ich ein Bisschen Angst und sehe nur Gikis geweitete Augen vor mir.
Mit aller Gewalt Klassenerhalt!
Ist wirklich eine Zwickmühle zur Zeit. Ich glaube viele, gerade aus der aktiven Fanszene, lehnen die Geisterspiele ab und wollen diesen keinen Rahmen geben. Auf der anderen Seite habe ich aber auch das Gefühl, dass die Mannschaft den Rückhalt jetzt dringend braucht.
Den Vorteil den wir haben ist, dass Mainz am Mittwoch zu uns muss. Wir dafür, seit dem Bayer Spiel, nicht die Stadt verlassen haben und unsere englische Woche länger ist.
Mehr Regeneration für unsere Mannschaft und mehr Zeit um Fehler zu trainieren.
Vllt spielt uns das in die Karten.
War Shitomir das sowjetische Wort für Shitstorm? :-)
PS: War eigentlich die überarbeitete Studie der Leipziger Uni hier zwischenzeitlich noch einmal Thema? Ich habe die überarbeitete Version inzwischen erhalten und mir angesichts der Unterschiede zwischen beiden Fassungen gedacht: Oh Gott – sowas nennen die „wissenschaftlich“? Unter sowas setzen Leute, die für seriös gehalten werden wollen, ihren Namen drunter?
@maria draghi Ich hatte nur die Ursprungsversion, aber noch keine Zeit mich ernsthaft damit zu beschäftigen. Was waren denn deine Haupterkenntnisse?
Meine Haupterkenntnis war, dass in Leipzig offenbar sehr schlampig gearbeitet wird. Viele willkürliche Veränderungen in der neuen Version drin, ohne dass die Veränderungen erklärt und meist auch gar nicht erwähnt werden. Oder Nachlässigkeiten (wie die Verwechslung von Union mit dem SC Freiburg) an einer Stelle, wo die korrigierten Fassung immer noch genau so fehlerhaft ist wie die ursprüngliche.
Also wenn ich etwas so groß aufblase und veröffentliche – und dann sind gravierende Fehler drin – dann bemühe ich mich doch wenigstens darum, dass die spätere Neufassung fehlerfrei bzw. frei von Widersprüchen ist. Was aber nicht der Fall ist.
Wer nimmt einen noch ernst, wenn man etwas auf der großen Medienbühne ausrollt, und dann ist der zweite „korrigierte“ Vortrag immer noch stark fehlerbehaftet?
Naja, hat doch funktioniert, alle Medien haben über die Studie berichtet ohne sie zu hinterfragen. Das die inzwischen überarbeitet wurde erfährt man hingegen nicht mehr. Also alles wie immer.
Ich glaube nicht an die Nachhaltigkeit dieses Geschäftsmodells :-)
Dein Wort in Gottes Ohr. Lobbyismus ist eine Boom-Branche, und wichtig ist das die Botschaft verbreitet wird: Investoren sind toll, und 50+1 ist schlecht. Details sind da nicht so wichtig. :-(
Lobbyismus ist ein Super-Geschäftsmodell; aber das Wichtigste dabei ist Vertrauen (z.B. in eine gewisse Objektivität). Besteht für Vertrauen kein Grund, spricht sich sowas in der Szene normalerweise ganz schnell rum. Dein Lobby-Geschäft kann dann immer noch funktionieren, aber du verdienst keine Marge mehr für Vertrauen. Du verdienst nur noch die Marge wie eine stinknormale Litfaßsäule.