Blog State of the Union

Christopher Trimmel: „Eigentlich für mich zu wenig Fußball, mehr Diskussionen“

Alltag erwartete die Berliner Morgenpost gestern und meint heute, Union hätte den Alltag nicht bestanden. Und ich frage mich immer noch: Wenn das, was wir gestern beim 1:2 des 1. FC Union Berlin gegen den SV Werder Bremen erlebt haben, Alltag ist, was ist beim von mir sehr geschätzten Kollegen Färber von der Morgenpost denn dann eine außergewöhnliche Situation? Kometen-Einschlag im Stadion an der Alten Försterei? Es stellt sich heraus, dass  wir alle von Reptilien beherrscht werden? Prüfprotokoll ohne Fehler beim BER? Wir sind uns einig, dass wir gestern einem Spiel beiwohnen durften, das mit dem Spiel, das wir lieben leider nur wenig zu tun hatte. Das lag nicht einmal an den drei Elfmetern, die Tobias Welz schlussendlich gab. Es lag an den vielen, vielen Unterbrechungen.

Und nein, hier folgt kein Jammern über den Videoassistenten, der unseren Sport kaputt macht. Dort sitzen auch Menschen, die Fehler machen. Mit mehr Leuten, die darauf schauen reduziert sich die Fehleranfälligkeit, aber sie ist eben auch nicht bei  Null. Tobias Welz hatte im Prinzip mit dem ersten Elfmeter schon das Spiel aus der Hand gegeben und aus meiner Sicht zu keiner Zeit die Spielleitung in einer Souveränität inne, wie wir das von Referees erwarten dürfen. Aber es  gehören zwei Mannschaften  noch dazu, die bei jeder Kleinigkeit lamentieren, Videobeweis fordern und nur noch den unsportlichen Vorteil suchen. Mit etwas Ruhepuls würde ich sagen, dass Union sich von der Unsicherheit des Schiedsrichters hat anstecken lassen und damit die Konzentration auf das eigene Spiel verloren hat. Aber verlieren müssen hätte Union die Partie trotzdem nicht. Das war am Ende ein verlorener Punkt und aus meiner Sicht eine bittere Lehrstunde was das Thema Konzentration betrifft.

Auf AFTV gab Christopher Trimmel diese Einschätzung, der ich mich voll anschließe:

Es war ein intensives Spiel, viele Zweikämpfe, viele Diskussionen, viel hin und her. Eigentlich für mich zu wenig Fußball, mehr Diskussionen. Da müssen wir uns alle mehr beteiligen und auch dem Schiedsrichter helfen. Das war schon ein bisschen verrückt. Wenn du in jeder  Situation den Videoschiedsrichter forderst, eine Rote Karte forderst, einen Elfmeter forderst, dann wird es irgendwann verrückt. Dann ist ständig der Finger im Ohr und du wartest und wartest. Da gerät so ein bisschen das Fußballspielen auf die Seite und das wollen wir nicht.

Ich möchte an dieser Stelle noch die unglaubliche Elfmeterparade von Rafal Gikiewicz würdigen, auch wenn die anschließende Ecke doch zum Tor führte. Das war ein Monster-Save. Und was für ein tolles Foto von der Hintertor-Kamera von Matze Koch.

Torwart Rafal Gikiewicz (1. FC Union Berlin) hält den Elfmeter von Davy Klaassen (Werder Bremen)
Rafal Gikiewicz hält den Elfmeter von Davy Klaassen, Foto: Matze Koch

Das hier sind die weiteren Spielberichte der Berliner Medien:

Und hier noch die Kommentare:

Auf den Rängen

Ich finde das Statement von der Waldseite wichtig, dass als Reaktion auf die Selbstverbrennung der iranischen Fußballanhängerin Sahar Khodayari gezeigt wurde: „Kein Stadionverbot fürs Geschlecht, Fan sein ist ein Menschenrecht. RIP Sahar Khodayari.“ Mir persönlich ist das lieber, als wenn Vereine ihr Logo färben, wofür sie selbst exakt nichts  weiter als Photoshop bedienen müssen. Aber wenn eine männlich dominierte Szene so etwas sagt, zeigt mir das auch, dass dort in den vergangenen Jahren ein Umdenken stattgefunden hat. Es ist ja auch in Deutschland noch nicht so lange her, auch wenn es keine Stadionverbote gab, dass Frauen in Fanszenen nicht akzeptiert waren. In dem Zusammenhang weise ich gerne auf das Projekt Fantastic Females hin, das die Geschichten von Frauen in Fußballszenen erzählt.

Auch wenn ich es nicht möchte, dass der Gegner Union als Gastgeber beklatscht, weil ich nicht möchte, dass Union nur für die Stimmung an der Alten Försterei wie so ein Schulanfänger gelobt wird, sondern auch für die sportliche Leistung respektiert wird. Trotzdem empfand ich das nach Abpfiff als eine große Geste der Bremer Anhänger, die den Gesang der Unioner applaudierten.

Während des  Spiels kam es schon über die Szenen hinweg zu einem gemeinsamen Statement beim Thema Stadionnamen. Während auf der Waldseite zu lesen war „Stadionnamen erhalten: Für immer Weserstadion“ …

… gab es im Gästeblock das Banner „Für immer Stadion an der Alten Försterei“.

Banner der Bremer Fans "Für immer Stadion an der Alten Försterei"
Banner der Bremer Fans „Für immer Stadion an der Alten Försterei“, Foto via Tobi

Auf den anderen Plätzen

Die B-Junioren gewann gestern beim FC Carl Zeiss Jena mit 5:1 und belegen weiter Rang 8 in der Bundesliga. Den Spielbericht gibt es hier.

In der Regionalliga spielt das erste Frauenteam heute um 14 Uhr zu Hause gegen Hohenneuendorf. Das zweite Frauenteam tritt in der Berlin-Liga nachher um 15.30 Uhr bei Borussia Pankow an.

Bei den Männer-Junioren gibt es in der A-Jugend-Bundesliga um 14 Uhr das Auswärtsspiel beim Hamburger SV.

Und sonst so?

Eine kurze Zusammenfassung vom Zeitzeugengespräch mit dem Hertha-Fan und Shoah-Überlebenden Walter Frankenstein gibt es hier.


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14 Kommentare zu “Christopher Trimmel: „Eigentlich für mich zu wenig Fußball, mehr Diskussionen“

  1. Hi,

    Mir kommen der Welz und die Videoassistenten hier zu gut weg. Klar, die Niederlage kann man nicht auf den Schiri abWelzen (ha!). Die Spieler haben zum Chaos beigetragen, wie Trimmel (sehr stark) anmerkt. Aber nur weil keiner der beiden Vereine offensichtlich benachteiligt worden ist, sollte man sich mit der gestrigen Spielleitung ruhig trotzdem etwas intensiver auseinandersetzen. So etwas katastrophales habe ich noch nie gesehen. Die Spielführung hat es unmöglich gemacht, herauszufinden, wer besser ist. Und somit den Sinn des Spiels komplett ad absurdum geführt. Da hätte man auch würfeln können, der Typ war so nervös als wäre das sein erstes Mal.

    Und wenn wir Videoassistenten haben, warum werden falsche Entscheidungen dann nicht korrigiert (Elfer Nummer eins)? Warum bekommt füllkrug kein gelb rot (evtl. Sogar glatt), Sahin und Subotic aber schon?

    Ich bin ja jetzt etwas entspannter als direkt nach Abpfiff. Inzwischen wünsche ich Herrn Welz keine persönlichen Krisen mehr an den Hals, er ist auch nur ein Mensch, genau wie die VAs. Fehler passieren. Aber man sollte deswegen trotzdem Konsequenzen daraus ziehen. In diesem Fall bedeutet das, dass Welz offensichtlich nicht in der Lage ist, ein Bundesliga-Spiel zu kontrollieren. Was er auch dann noch können müsste, wenn die Spieler viel lamentieren. Kann er nicht.
    Also weg aus dem Profisport. Oder zumindest der ersten Liga.

    Warte Mal, erste Liga? Ja tatsächlich, wir sind erstklassig! Naja, dann ist es natürlich alles halb so wild… ?

  2. Warum werden eigentlich diejenigen, die den VAR in Gänze ablehnen, immer mit Begriffen wie „jammern“ diskreditiert?
    Und das auch noch von Unionern, die es eigentlich besser wissen müssten, werden sie doch häufig selber mit ihrem Wunsch nach einem Fußballspiel ohne das Ambiente einer Vormittagsverkaufsveranstaltung auf Tele5 in irgendeine „naiv, aber harmlos“-Ecke gedrückt.
    Verstehe ich nicht.

    • Nur kurz zur Klarstellung: Ich fand den Schiedsrichter gestern echt schlecht. Darin sind wir uns sicher einig.

      @Kogo Ich wollte niemanden verächtlich machen. Sorry, wenn das so herüberkommt. Ich wollte nur deutlich machen, dass ich den VAR gestern nicht als ursächlich für die schlechte Schiedsrichterleistung halte.

  3. Naja, gestern war wohl weniger der VAR das Problem sondern der Schiedsrichter auf dem Platz, der trotz Viedeohilfe seltsame Entscheidungen getroffen hat. Das Ergebnis ist für mich besonders ärgerlich weil ich Werder in dieser Saison für einen direkten Konkurrenten um die Plätze über dem Strich halte.

  4. Das mit dem Antisexismusbanner unserer Ultras hast du gut gesagt. Nach Tönnies weiß man, was „sagen und machen“ in Führungspositionen heißt. Bravo liebe Ultras, ich bin sehr stolz auf euch

  5. silberhacke

    werder wollte das spiel zerstören, und das ist gelungen. der schiedsrichter hat das seinige dazu beitragen, und wir sind in die falle getappt. die jungs von der weser waren entschieden abgebrühter, wenn es darum ging, das spiel zu verlangsamen, den ball hinten hin und her zu schieben, liegen zu bleiben, zu diskutieren, zu lamentieren. ich habe schmiedebach vermisst, der genügend frechheit und klasse besitzt, dem was entgegen zu setzen und das spiel und seinen fluss aufzubauen. die langen bälle waren gestern allesamt sinnlos und ärgerlich. na ja, es gibt so tage.

    EISERN

  6. Es ist doch nur ein Spiel! Warum soll man sich nicht gegenseitig respektieren und die Idee des Gegners und deren Fans würdigen? Das macht doch den Fußball aus.
    Mir macht Sorgen das wie gestern der Schiedsrichter, keinen A(….) rm mehr in der Hose haben und zu einer getroffenen Entscheidung stehen. Alle warten auf den Assistenten. Ist der nicht da um Grobe Fehlentscheidungen zu korrigieren. Toll gestern ein Handspiel erkannt! Aber für Kleinigkeiten herangezogen?
    Mich würde gern eine Reportage interessieren welche Bilder dem Video- Assistenten zur Verfügung stellen.

  7. @kogo

    ick kann dich absolut verstehen!

    wenn das so wie gestern läuft, dann fragt sich wohl jeder echte fußballfreund, unabhängig jeder vereinszugehörigkeit, ob das nicht unser geliebtes spiel letztlich ad absurdum führt…?

    ein großer teil der unioner wird ähnlich fühlen – ABER:

    wir sind seit der relegation gegen den VfB wohl auch fast alle gespaltene persönlichkeiten, was das thema angeht.
    denn wir wissen: ohne den seinerzeitigen VAR-entscheid (der sachlich absolut korrekt war!) würden wir heute kaum in der bundesliga spielen…

    ich bin in dieser frage innerlich sehr zerrissen.

    es gibt dennoch keinerlei grund, die skeptiker oder auch radikalen ablehner des videobeweises nicht ernst zu nehmen.

    ich denke aber auch, das rad der fußballgeschichte wird sich nicht mehr zurückdrehen lassen, da die ganz großen vereine mit ihrer macht felsenfest dahinter stehen:
    abermillionen „stehen auf dem (falschen) spiel“!

    und bleiben wir ehrlich…wir wollen in der konsequenz zu 90 % teil dieses zirkus` sein und bleiben.

    ich würde das videobeweisprozedere dahingehend reformieren, dass es wie im eishockey angewandt wird:
    je mannschaft gibt es eine maximale anzahl pro spiel, strittige entscheidungen überprüfen zu lassen…ansonsten gilt die „tatsachenentscheidung“.

  8. p.s.

    wen es mal wieder nach fußball pur gelüstet:

    heute um 13:30 im zoscke:
    lichtenberg 47 gegen babelsberg 03!

    hatte gestern vor dem spiel einen netten kurzen plausch beim birchen mit den tollen 47er unionern david hollwitz, christian gawe und sebastian „bobby“ reiniger!

    sie alle und auch die anderen 47er jungs freuen sich über jeden unioner, der vorbeikommt und sie in der regionalliga unterstützt.
    diese jungs haben das absolut verdient!

    in diesem sinne:

    bis gleich & eisern!

  9. Sportanwalt

    Ich genieße die Diskussionen hier im SoTU sehr – hier gibt´s noch Pluralismus.

    Danke Grobi, Silberhacke, Schlejel, Sebastian, Daniel etc. etc.

    Eisern.

    zu den Kleinigkeiten, die der von mir immer noch ungeliebte Gentner gestern nach dem Spiel erwähnt hat: uns wurde nun schon zum zweiten Mal in nur 4 Spielen ein Elfmeter „gestohlen“. Unerfahrenheit (2 Gegentore gegen Leipzig und beide Gegentore gestern führe ich u.a. darauf zurück) und Schiedsrichter-Entscheidungen gegen uns werden es in der Summe noch schwerer machen, unser Ziel zu erreichen. Man braucht nicht nur Matchglück, sondern auch „Schiedsrichterentscheidungsglück“.

    Kohfeldt und Nagelsmann sind da für ihr Alter schon mit allen Wassern gewaschen und bearbeiten die Schiedsrichter 90 Minuten ganz bewusst…

  10. silberhacke:
    ich habe schmiedebach vermisst, der genügend frechheit und klasse besitzt…
    Da würde ich mich zu 100 % anschließen. Die Aufstellung und Ausrichtung der Mannschft wurde durch die „Vorkommnisse“ der ersten Minuten „über den Haufen geworfen“! Die Einwechselungen und deren Zeitpunkt wird uns Daniel bestimmt noch erklären – ich fand sie zumindest diskussionswürdig!
    Ein angepassteres Reagieren von Außen und wir hätten…vielleicht…?
    u.n.v.e.u.

  11. Schmiedebach habe ich vermisst, statt Gentner. Der war gegen RB, schlecht in gegen Werder. Nachdem er rausging wurde das Team auch wieder gefährlicher. Es war in Augsburg (vor Ort gestehen) ein viel kompakteres Mittfeld, weil der Sechser noch auf einmal ständig auf den zweiten Pfosten läuft und riesen Lücken reißt. Und von Dortmund braucht man gar nicht reden.

    Dass die Stimmung schlecht war, lag aus meiner Sicht auch an der Mikrofonunterstützung. Viel zu laut. Der Kapo kann da auch alleine singen, wenn er alles übertönt. Auch schwer erträglich für mich die Belehrung über den mangelnden Support bis in die Gegengerade zu hören. Für so einen Kindergarten bin ich deutlich zu alt.

  12. Zum VAR und dem dem Schiedsrichter Tobias Welz wurde schon genug gesagt und diskutiert, so dass ich mir nur wiederholen würde. Not: 6 im Kicker.
    Was mir neben unserer zu erwartenden Stimmung im Stadion imponiert hat, was das Auftreten der Bremer Fans. Meine Sympathien hat der Verein ja schon seit dem 5:0 gegen die Unaussprechlichen, Ende der 80’ger im damaligen Europapokal und dem Coup vom ehemaligen Werder Manager, Willi Lemke, jedem Gastspieler einen Beutel mit Präsenten plus nem Hunni zu Einkauf in die Hand zu drücken. Das nannte sich damals die Taktik der modernen (Kriegs) Führung. Ich freue mich auf das Rückspiel in Bremen.

  13. […] die Werder-Fans am Dienstag noch einmal mit einer großen Choreo protestiert – wie schon gemeinsam mit der Waldseite beim […]

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