Als Stadionsprecher Christian Arbeit gestern zum Ende der Mannschaftsaufstellung den Gästetrainer Steffen Baumgart begrüßte und „Fußballgott“ sehr laut von den Rängen zurück schallte, war ich mir sicher, dass das Spiel gegen Paderborn ein legendärer Fußballnachmittag werden würde. Das Wetter war erstmals richtig frühlingshaft. Und es herrschte ein herrlich aufgeregtes Treiben im Stadion. Die herrliche Frühlingsluft füllte die Lungen und die Gesänge und Anfeuerungen ließen sich fantastisch an. Dazu eine feine Choreo auf der Gegengeraden. Allein, es sollte vor allem für Steffen Baumgart ein legendäres Spiel werden.
Das 1:3 für Paderborn war ein verdienter Sieg. Das macht es mir zumindest einfacher, dass ich mir nicht die Laune verhageln lasse von dieser Partie. Paderborn war insgesamt besser, wobei das 0:1 kurz der Halbzeit den Gästen sehr gut ins Spiel passte. Hinter mir sagte jemand vor Anpfiff: „Entweder es wird ein 4:0 für uns oder Paderborn gewinnt 0:4.“ Und damit hätte man es auch sein lassen. Denn ehrlich gesagt hatte das Spiel genau das. Union hätte den Druck und die Überlegenheit der ersten 15 bis 20 Minuten in Tore ummünzen müssen. Danach kam kaum merklich ein Bruch ins Spiel. Es war kein richtiger Bruch, den ich an einer Szene hätte festmachen können. Vielmehr war es ein langsames Herübergleiten über 10 bis 15 Minuten, in denen dann Paderborn das Heft des Handelns übernahm und sich bessere Chancen erarbeitete, während Union sich immer mehr festbiss in Zweikämpfen und gegen die Überzahl, die Paderborn in Ballnähe herstellte, keine Mittel wusste.
Dazu kam so etwas wie … Urs Fischer nannte es in der Pressekonferenz nach dem Spiel „individuelle Fehler“, vielleicht ist es auch Formschwäche, ich weiß es nicht … Jedenfalls offenbarte im Prinzip fast jeder in der Viererkette Probleme, gegen das aggressive Anlaufen der Paderborner und verlor teilweise auf haarsträubende Art und Weise den Ball. Es war aber auch nicht einfach. Denn die Innenverteidiger mussten sich teilweise entscheiden, ob sie den nach außen ziehenden Spieler verfolgen und dafür die Mitte freimachen oder ihn ziehen lassen, in der Hoffnung, dass er noch an einen Außenverteidiger übergeben wird.
In der zweiten Halbzeit war es wenig, was Union konstruktiv nach vorne zeigte. Nun könnte ich schreiben, dass wir so etwas eher nicht gewohnt sind, aber beziehen wir die Heimspiele gegen Ingolstadt und Bielefeld mit ein, so lässt sich doch langsam so etwas wie ein Muster erkennen. Denn auch hier hatte Union sichtbare Probleme im Aufbau gegen einen Gegner, der sich beim Abwurf beziehungsweise Abstoß nicht komplett zurückzieht.
Das Kuriose ist aber, dass Union dadurch nicht komplett aus dem Spiel war. Sebastian Anderssons Kopfball zu Beginn der zweiten Hälfte war zu unplatziert und in der ersten Hälfte gab es eine Dreifach-Chance, die ein bisschen wie aus einem Charlie-Chaplin-Film aussah, so slapstickhaft wurde sie vergeben. „Beide Mannschaften haben nach vorne gespielt, beide Mannschaften hatten ihre Möglichkeiten. Wenn wir da in Rückstand geraten, wird es natürlich nicht so einfach für uns“, sagte Steffen Baumgart dazu. Was ich damit sagen möchte: Es war nicht alles schlecht. Urs Fischer stellte in der Mitte der zweiten Halbzeit auf ein 4-4-2 um und zum Ende sah es wie ein 3-4-3 aus. Der Trainer ging das Risiko, lieber hoch zu verlieren, anstatt es nicht versucht zu haben, mit Wucht doch etwas mitzunehmen. Das war schon alles in Ordnung so.
Was ich übrigens nicht hören will: „Diese ganze Wechselei, so können sich die Jungs doch nicht einspielen.“ Nur weil das Ergebnis nicht stimmt, kann doch plötzlich nicht falsch sein, was über den Großteil der Saison richtig war. Das ist so eine Betrachtung vom Ergebnis her. Wichtiger dürfte sein, sich nicht nur hinten heraus zu befreien, sondern auch unter Druck herauszuspielen und vielleicht auch ballorientiert nachzurücken. Da war gestern eine Unentschlossenheit zu spüren, die ich so von Union nicht kenne.
Kiek an, ich stand direkt unter der Spitze des Fernsehturms. Schön, mal wieder eine gegengeradefüllende Choreo „gesehen“ zu haben.
(Foto 1: @rudelbildung von @textilvergehen) pic.twitter.com/VDBHqwgNOu— Sirius (@si_rius_) March 30, 2019
Hier gibt es Fotos vom Spiel:
Und das sind die Spielberichte der Berliner Medien:
- Bei Unions 1:3-Pleite trifft Polter ohne Happy End (Kurier)
- 1:3! Union patzt im Aufstiegsrennen gegen Paderborn (BZ)
- Unions Serie reißt trotz Polter-Comeback (Morgenpost)
- Union verliert erstes Heimspiel seit Januar 2018 (Tagesspiegel)
- Union Berlin strauchelt im Aufstiegskampf (RBB)
Mir ist die Heimserie egal. Und natürlich freue ich mich über Sebastian Polters Comeback. Aber Sebastian Polter ist nicht der Heilsbringer. Ich hätte mich gefreut, wenn er nur zum Angstmachen des Gegners auf der Bank Platz genommen hätte und stattdessen Union das Spiel gewonnen hätte. Ich bin da durchaus beim Kurier, der in einem Kommentar schreibt: „Union muss jetzt nur aufpassen, sich nicht verrückt machen zu lassen.“
Vielleicht sollten wir es alle mit Rafal Gikiewicz halten, der nach dem Spiel schrieb: „Wir haben heute alles versucht, haben gekämpft, aber Paderborn hat zwei Tore mehr geschossen. Ich sehe die Saison aber wie einen Marathon und nicht nur 90 Minuten! Es sind noch 7 Spiele in denen wir es in unseren Händen haben! Wir brauchen Euch Fans und Eure Unterstützung! In einer Woche geht es weiter!?“
Auf den anderen Plätzen
Die A-Jugend hat gestern gegen Dresden einen Punkt im Kampf um den Klassenerhalt geholt und 2:2 gespielt. Damit stehen weiter 4 Punkte zwischen dem Team und einem Abstiegsplatz bie noch 5 ausstehenden Partien. Den Spielbericht gibt es hier.
Glückwunsch zum Punktgewinn an den #EisernenNachwuchs. Die Jungs erkämpfen sich nach einer 1:0-Halbzeitführung zuhause noch einen Punkt vs @DynamoDresden #fcunion ??? pic.twitter.com/m4TfUBMqm0
— 1. FC Union Berlin (@fcunion) March 30, 2019
Und sonst so?
Wir nehmen heute den Podcast zur Partie auf. Ein weiterer Schwerpunkt neben dem Spiel gegen Paderborn ist das Thema Kostenbeteiligung von Fußballklubs an Kosten für Polizeieinsätze. Dafür haben wir uns mit Renke verstärkt, der gemeinsam mit Steffi dafür sorgen wird, dass die Volljuristen-Quote in dieser Episode bei 50 Prozent liegen wird. Wenn ihr Fragen für den Podcast habt, schreibt sie gerne in die Kommentare. Und wenn ihr uns live um 19 Uhr zuhören wollt, könnt ihr das hier machen.
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Schon wieder keine Bigpoints! Wie Hübner selbst sagt: „Wenn du die dicken Chancen im Spiel nicht machst, kann man oben nicht mitspielen“
Erinnert mich schon schwer an die Saison 16/17, da ging im Endspurt eben auch nichts.
Für mich haben die Jungs gestern klar den direkten Aufstieg verspielt.
Nun kann wenigstens der Verein eindeutig für die 2 Liga planen, für mehr reicht es halt eben nicht. Auch gut.
Frage an die Podcastrunde: Wer ist aus eurer Sicht derzeit nicht in Form? Auf wen sollte der Trainer eher setzen? Was kann man tatktisch jetzt (noch) ändern bzw. forcieren?
Ich finde Paderborn hatte gestern genau das was uns gefehlt hat und schon seit einigen Spielen abgeht. Wir haben keine Genauigkeit und Überlegtheit in den letzten Pässen und im Abschluß. Wir hatten am Anfang sehr gute Chancen. Nur eine davon hätte gereicht und wir hätten unser Spiel aufziehen können. Schade drum. Aber Glückwunsch an Paderborn. Sie waren wirklich sehr stark und haben das taktisch super gemacht gegen uns.
Grüße
Wir haben sehr wohl ein Problem, es ist wie jedes Jahr und daran ist nicht die Fitness schuld. Die halbe Mannschaft hat keinen Vertrag für die nächste Saison. Viele Spieler wissen, dass sie bei Aufstieg gehen müssen oder eben keinen neuen Vertrag bekommen und glauben wenn man in der zweiten Liga bleibt wird vielleicht der Vertrag verlängert. Sie denken einfach nicht daran, dass man dann mit anderen Vereinen eine viel bessere verhandlungsbasis hat wenn man von einer Aufstiegsmannschaft kommt. Man kann nicht 20 Minuten guten Fußball spielen und dann hat man es auf einmal verlernt. Es sind einfach zu wenig die unbedingt aufsteigen wollen.