Blog State of the Union

„Wenn wir unsere Herkunft verleugnen, ist das der Anfang vom Ende“

Langsam können wir durchatmen. Der Hype um Union flaut dank Länderspielpause etwas ab. Aber nur etwas, wenn wir schauen, wie bei Bild das Testspiel von Union heute angekündigt wurde:

Statt gegen Tadschikistan geht es heute aber 19 Uhr im Test im Jahnsportpark gegen den SC Empor. Eintritt kostet 6 bzw. 3 Euro (für Kinder) und die Partie findet im kleinen Stadion an der Cantianstr. 24 statt.

Mal schauen, ob wir Jakob Busk im Tor sehen. Gestern jedenfalls trainierte der Däne voll mit der Mannschaft:

 

Ein anderer kämpft um den Anschluss: Maxi Thiel (BZ). Aber es ist schon nicht einfach, nach einer Verletzung zurückzukommen. Erst recht nicht bei der Konkurrenz, die mittlerweile auf Linksaußen herrscht. Dazu kommt dann noch, dass es für den Trainer angesichts der aktuellen Erfolgsserie keinen Grund gibt, Wechsel vorzunehmen. Für Maxi Thiel heißt das weiter warten. Und vielleicht war es das dann auch mit seiner Zeit bei Union. Egal was kommt: Ich wünsche ihm vor allem, dass er gesund bleibt.

Die BZ nimmt sich der Aufstiegskröten vom Montag an und wir müssen der Tatsache ins Gesicht sehen, dass Toni Leistner deutlich weniger sanft mit den Tieren umging als die Retter vom Spielfeldrand. Der Abwehrspieler sagte in der BZ: „Ich hoffe, sie sind weich gelandet …“ Ich für meinen Teile hoffe, dass jetzt nicht irgendjemand auf die Idee kommt, das Stadion während der Krötenwanderung zu schließen oder fordert, dass Fußball nur noch in Schrittgeschwindigkeit gespielt wird.

„Natürlich wollen wir jetzt aufsteigen. Die Tür ist offen und jetzt wollen wir auch durchgehen“

 

Bild/BZ und Kurier berichten vom Fußballsalon im Deutschen Theater mit Dirk Zingler am Dienstagabend. Dort hatte Dirk Zingler wenig überraschend zur aktuellen Situation gesagt: „Natürlich wollen wir jetzt aufsteigen. Die Tür ist offen und jetzt wollen wir auch durchgehen.“

Für mich interessanter (und auch Teil der Diskussion in unserem aktuellen Podcast) waren andere Punkte, auch wenn die im Grund genommen keine neuen Aussagen von Dirk Zingler waren. Zum einen die Frage nach dem Anpassungsdruck, dem Union sich ausgesetzt sehen wird. Dort machte Zingler erneut klar, dass es den nicht in dem Sinne gibt, dass die DFL Sachen vorschreibt, sondern die Klubs als Teile der DFL Dinge in die Hand nehmen. „Wir wollen uns nicht an die Bundesliga anpassen, sondern die Bundesliga bereichern. Wir wollen die Plattform nutzen, um zu zeigen, dass Fußball anders organisiert werden kann. Die Bundesliga ist nicht gefährlich für uns, wenn wir wir bleiben“, sagte Zingler.

„Wenn wir unsere Herkunft verleugnen, ist das der Anfang vom Ende“

Ein Punkt, an dem Union immer Union bleiben müsse, sei die Regionalität. Der Verein sei halt Köpenick, Südosten von Berlin. Die jetzt schon wieder medial geäußerten Tipps, es wäre doch gut, für ein mögliches Derby ins Olympiastadion umzuziehen, erinnern mich an die Zeit, als Hertha erstmals abgestiegen war und die Frage nach einem Umzug medial gestellt wurde. Das war damals kein Thema im Verein und dürfte es heute auch nicht sein. Allgemein sagte Zingler zum Thema regionale Verwurzelung: „Wenn wir unsere Herkunft verleugnen, ist das der Anfang vom Ende.“ Das dürfen wir nicht nur auf Union bezogen verstanden wissen, sondern ich glaube, dass das auch für Wettbewerbe gilt. Sei es die EM in ganz Europa, statt in einem Land, oder die Idee einer europäischen Klubliga.

„Für wen organisieren wir den Fußball? Wir spielen für diejenigen, die im Stadion sind. Das können wir auch im Fernsehen übertragen. Aber wir sollten unser Spiel nicht verbiegen. Über die Übertragung bekommen wir Konsumenten, aber keine Bindung. Die Bindung kommt über das Regionale. Wir dürfen den Kern nicht kaputt machen. Das macht uns beliebig. Davor fürchte ich mich.“

Was in der Diskussion zwischen Dirk Zingler und Christoph Biermann von 11Freunde herauskam, mag nicht immer allen gefallen. Denn, so toll wir uns selbst finden, so müssen wir doch auch zur Kenntnis nehmen, dass das Union-Modell von Fußballkultur vielleicht nicht mehrheitsfähig ist. Wir sehen die FC Bayern München AG mit großen Investoren, wir sehen Rasenballsport Leipzig, Hoffenheim, Wolfsburg, Dortmund. Die Liste könnte noch ewig fortgeführt werden. Es gibt eine Unmenge an Vereinen, die Fußball anders organisiert. Die den Fußball in Kapitalgesellschaften ausgelagert haben. Zingler will das nicht. Aber er will auch andere nicht bekämpfen. „Man muss andere Sichtweisen akzeptieren“, ist ein Satz, den er sehr oft wiederholt. Es gibt in seiner Welt nicht nur entweder oder. Es gibt auch ein Nebeneinander.

Die Vereinsmitgliedschaft als ein Statement für unsere Fußballkultur

Union-Präsident Dirk Zingler vor dem Spiel gegen den 1. FC Nürnberg, Foto: Matze Koch

Was wiederum nicht heißt, dass man sich defensiv verhalten muss: „Mein Ziel ist es, dass wir unsere Fußballkultur nach Deutschland tragen. Das wollen wir in Deutschland als Alternative anbieten. Wer diese Fußballkultur will, muss Mitglied bei Union werden und nicht beim FC Bayern München.“ Für mich war dieser Satz ein Augenöffner. Weg von der Mitgliedschaft als Option, eher an Karten zu kommen. Das war bei Union sowieso erst in den vergangenen Jahren so geworden. Hin wieder zur Mitgliedschaft als Statement und konkrete finanzielle Unterstützung. So wie noch vor ein paar Jahren. Ein Zeichen, mit dem jeder überall zeigen kann, dass er Unioner ist. Ich meine: Wer von uns ist denn Mitglied geworden, um an Karten zu kommen? Wohl kaum jemand. Wir sind es geworden, weil wir Teil von Union sein wollen und weil wir mitbestimmen wollen.

Zingler sagte zum Thema Kampf: „Die Kraft, etwas zu bekämpfen ist besser investiert in etwas, das wir gestalten können. Mein Kampf ist, dass wir 100.000 Mitglieder bekommen und nicht, dass andere weniger bekommen. Mein Ziel ist es, dass Union auch in 10 Jahren ein selbstbestimmter Profiverein ist.“

Vereine sollten niemandem gehören

Wie auch in anderen Teilen unserer Gesellschaft ist Mitbestimmung auch im Fußball nicht mehr selbstverständlich. Und hier fand ich die Ansätze, die Zingler nannte, plausibel. Er findet, dass Vereine niemanden gehören sollten und der Erfolg des deutschen Fußballs gerade diese Bindung an die einfachen Menschen war. Als Zingler all das sagte, musste ich an die Mail der DFL denken, die am Dienstag als Pressemitteilung verschickt wurde. Darin wurde erklärt, dass DFL-Geschäftsführer Christian Seifert in New York die globale Wachstumsstrategie der Bundesliga vorgestellt habe. Darin wurden Alleinstellungsmerkmale des deutschen Fußballs genannt: „u.a. nationale und internationale Top-Spieler, die vielversprechendsten Jung-Profis, eine einmalige Stadion-Atmosphäre, die günstigsten Ticketpreise, der höchste Zuschauerschnitt aller Fußball-Ligen, die meisten Tore aller Top-Ligen.“ Das wird also in New York gepriesen, während wir hier in Deutschland das starke Gefühl haben, dass einiges davon auf dem Spiel steht.

Worauf wir uns bei Union einigen können und was zumindest jetzt unter Dirk Zingler unverrückbar bei Union ist: „Der Verein entscheidet, was der Verein will und nicht eine einzelne Gruppe. Deshalb muss man viel erklären, alle mitnehmen. Kommunikation ist entscheidend. Wir müssen deutlicher formulieren, wofür wir stehen. Und dann müssen sich die Menschen entscheiden. Unser Kern ist es, erfolgreich Fußball zu spielen.“


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4 Kommentare zu “„Wenn wir unsere Herkunft verleugnen, ist das der Anfang vom Ende“

  1. […] interessant, Stichwort Nische, auch was man drüben beim Textilvergehen von einer Veranstaltung mit Dirk Zingler schreibt. Wo es um die eventuelle Zukunft von Union und […]

  2. […] Für wen organisieren wir den Fußball? Wir spielen für diejenigen, die im Stadion sind. Das können wir auch im Fernsehen übertragen. Aber wir sollten unser Spiel nicht verbiegen. Über die Übertragung bekommen wir Konsumenten, aber keine Bindung. Die Bindung kommt über das Regionale. Wir dürfen den Kern nicht kaputt machen. Das macht uns beliebig. Davor fürchte ich mich. (Dirk Zingler, Präsident Union Berlin, zitiert nach textilvergehen.de) […]

  3. […] Im Deutschen Theater fand gestern Abend eine weitere Ausgabe des Fußballsalons statt. Diese Veranstaltungsreihe wird von 11Freunde-Chefredakteur Christoph Biermann ausgerichtet und moderiert, und hatte gegen Ende der letzten Saison auch schon einmal Dirk Zingler zu Gast. […]

  4. […] Rolle von Union in der Bundesliga sieht er weiter so wie vor fast drei Jahren, als er bei Christoph Biermann im Deutschen Theater zu Gast war. Nicht ideologisch eine Veränderung herbeiführen wollen, sondern anderen Clubs und vor allem […]

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