Es wurde Zeit, meine bisherigen Ergebnisse mit meiner Auftraggeberin zu teilen. Ich leistete mir ein Taxi und fuhr in den Norden der Stadt. In Gedanken versunken ging ich meine Notizen durch und starrte auf den Ausdruck des Fotos aus New York. Das Fluchen des Taxifahrers über jede rote Ampel nahm ich nur ganz entfernt war.
Auch wenn ich mich an nicht viele Prinzipien im Leben bisher gehalten habe, so war die völlige Offenheit meinen Klienten gegenüber doch bisher immer so etwas wie heilig. Diesmal jedoch überlegte ich genau, was ich ihr gegenüber äußern sollte. So aufgelöst, wie sie zu mir gekommen war, könnte diese New York Geschichte sie doch wieder nur unnötig wütend machen.
Es wurde dunkel als das Taxi vor ihrem Haus hielt. Ich warf dem Taxifahrer das Geld auf dem Beifahrersitz und er fuhr fluchend davon. Ein leichter Nieselregen hatte auf dem Weg hierher eingesetzt und ich verharrte ein paar Minuten vor dem Eingangstor, um meine Gedanken zu sammeln. In dieser Gegend sollte jemand wie ich nicht allzu lange vor Häusern herumstehen wenn ich nicht die Aufmerksamkeit wachsamer Nachbarn auf mich ziehen wollte. Tief einatmend drückte ich die Klingel.
Sie bot mir einen Drink an und setzte sich erwartungsvoll im Salon auf eines der drei Sofas während im Hintergrund der Kamin knisterte. Es war nicht unbedingt kalt draußen aber um ihr nicht in die Augen schauen zu müssen, stellte ich mich mit dem Rücken zu ihr vor das Feuer. Den Ausdruck des Bildes hatte ich ihr in die Hände gedrückt und sie hörte mir seitdem aufmerksam zu.
Als ich damit fertig war, meine Vermutungen zu äußern, war sie eine Zeit lang still. Mit Schweigen konnte ich noch nie gut umgehen und so brach die Frage aus mir heraus, was denn mit dem Preisgeld wäre, das sie erst kürzlich für ihr Blog bekommen hatte. Und auch auf die möglichen Verbindungen in die Baubranche sprach ich sie an.
Zu meiner Verwunderung ging sie auf diese zwei Punkte überhaupt nicht ein. Ein bisschen feindseliger als nötig, begann sie über New York zu reden. Sie hielt es für unvorstellbar, dass ihr Autor sich ausgerechnet nach New York aufgemacht hatte. Meine Erwiderung, dass das Bild von seiner Instagram Seite käme, ließ sie nicht gelten und beendete das Gespräch nach weiteren fünf Minuten relativ abrupt. Ich fand mich auf der Straße wieder; mehr verwundert als verletzt.
An der Ecke lockte ein Café mit dem Geruch von starkem Kaffee und da es jetzt doch stärker regnete, setzte ich mich an einen der freien Tische. Ich musste meine Gedanken ordnen. Irgendetwas stank hier ganz gewaltig. Warum diese starke Reaktion auf New York? Während ich vor mich hingrübelte, ließ ich meinen Blick über die Spätausgabe der Tageszeitungen schweifen, die die Zeitungsjungen hereinbrachten, um sie an die Café-Kunden zu verkaufen.
Es war nicht viel Neues dabei. Gute Nachrichten und das Dauerthema der Woche, was auch mich weiterhin beschäftigte.
Noch während ich diese Zeilen las, zogen mich meine Gedanken immer wieder zurück zu meinem Fall. Ich konnte mich nicht gegen das Gefühl wehren, dass ich Teil eines größeren Spiels bin, das ich noch nicht ganz verstehe.
Wäre ich nicht so in Gedanken versunken gewesen, hätte ich die drei Gestalten, die das Café kurz nach mir betreten hatten, wahrscheinlich früher bemerkt. Hätte mich das Gespräch mit ihr nicht so ratlos zurückgelassen, hätte ich eventuell wie sonst darauf geachtet, einen Platz mit Blick zur Tür zu nehmen.
So aber saß ich mit dem Rücken zum Eingang und war so tief in Gedanken, dass ich die Gefahr erst zu spät wahrnahm. Genaugenommen nahm ich sie erst wahr, als der Schlag mit einem stumpfen Gegenstand meinen Nacken traf. Da war es bereits zu spät – Dunkelheit und Stille empfing mich.
… Fortsetzung folgt.
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Hallo,
also ich den ersten Teil las, verstand ich nicht so richtig was das sein sollte. Doch heute bin ich so gespannt auf den nächsten Teil das ich es kaum abwarten kann. Ich finde es total toll geschrieben. Vielen Dank. Freu mich auf die nächsten Teile.
LG Tina
Geht mir genauso!
Vielen Dank, macht großen Spass zu lesen.
Ich wusste es immer. Das Textilvergehen wird endlich Qualitäts-Presseschauen nach Deutschland holen.