Sascha Lewandowski hat gestern in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Heidenheim weniger über Heidenheim gesprochen als drei konkrete Maßnahmen verkündet, wie er Union aus dem Abstiegskampf heraus in den Winter bringen will:
- Kapitänswechsel von Damir Kreilach (Stellvertreter Parensen/Fürstner) zu Benjamin Kessel (Stellvertreter Maxi Thiel)
- Bajram Nebihi und Denis Prychynenko trainieren ab sofort nicht mehr mit der Mannschaft und dürfen sich einen neuen Verein suchen
- Erfolgsabhängige Trainingsgestaltung
Foto: AFTV
„Das sind Entscheidungen, die ich schon länger mit mir herumtrage“, sagte Lewandowski, der mit hochgekrempelten Ärmeln am Mikrofon stand und ergänzte: „Bis zur Winterpause ist hier alles und jeder auf dem Prüfstand.“ Ich verstehe sowohl die Kapitänsentscheidung (Kreilach zu sehr durch das Amt belastet, Kessel als zupackender Typ) als auch die Ausdünnung des Kaders (Spieler, die nicht eingesetzt werden, selbst wenn größte Not herrscht, helfen nicht weiter). Von der erfolgsabhängigen Trainingsgestaltung bin ich wenig überzeugt.
Einerseits erinnert mich das an den späten Norbert Düwel zu Beginn dieser Saison, der mit solchen Maßnahmen „Routinen durchbrechen“ wollte. Andererseits machte Sascha Lewandowski nicht einmal den Versuch selbst von dieser Maßnahme überzeugt zu sein. Er ist ein Trainer, der seinen Spielern Freiheiten lassen möchte und sie durch Überzeugung erreichen will. Andererseits schaffen es seine Spieler aktuell nicht, das eigene Schuhwerk passend zur Beschaffenheit des Rasens auszuwählen (ich hasse mich für diesen Satz). Die Verzweiflung, gegen seine eigene Überzeugung handeln zu müssen, stand dem Trainer in der Pressekonferenz ins Gesicht geschrieben.
Der rosa Elefant
Und dann stand da noch ein großer rosa Elefant im Raum, den niemand angesprochen hat. Denn mehr als einmal verwies Lewandowski darauf, dass ihm in seinen vielen Gesprächen, die er über die Mannschaft mit Verantwortlichen des Vereins geführt hat, seine Expertise bestätigt wurde mit den Worten: „Das haben wir auch schon beobachtet.“ Konkret ging es darum, dass die Mannschaft nicht in der Lage ist, auf dem Platz Lösungen zu finden und Erarbeitetes in einem Pflichtspiel umzusetzen. Wenn also die Vereinsführung das schon mehrfach und länger (wahrscheinlich seit der Spätphase der Ära Neuhaus) beobachtet hat, frage ich mich, warum dort nicht auch angesetzt wurde.
Meine Vermutung ist, dass das Problem bisher nicht identifiziert werden konnte. Und vielleicht hat erst Sascha Lewandowski sehr deutlich (und vielleicht auch etwas lauter als üblich) klar gemacht, was das Problem ist: Union hat eine Mannschaft, in der sehr viele Mitläufer unterwegs sind, durch deren Mittun alleine eine Team nicht besser wird. Es fehlt teilweise einfach an individueller Qualität, die konstant in Spielen gezeigt wird. Ja, ich glaube, dass die späte Ära Neuhaus und die Dominanz der Person von Torsten Mattuschka dieses Phänomen begünstigt haben. Aber das ist nun deutlich über ein Jahr her und sollte aktuell keine Entschuldigung mehr sein. Der aktuelle Kader hat mit Neuhaus und Mattuschka nur noch sehr wenig zu tun. Wenn Lewandowski sagt, dass er lieber einen Kapitän aus der zentralen Achse gewählt hätte, dort aber kein Spieler gefunden hat, der konstant Leistung bringt, ist damit schon sehr viel gesagt.
Die nächsten Wochen werden weh tun
Wir als Unioner werden jetzt in einen Tunnel einfahren und ich hoffe, dass die Mannschaft schnell einen Weg da raus findet. Denn auch in der Winterpause wird nicht allzuviel zu reparieren sein. Der Transfermarkt ist für Zweitligisten in dieser Zeit kaum bezahlbar und das Angebot ist auch überschaubar. Vielleicht finden sich ein, zwei Leihspieler aus der Bundesliga.
Das einzige Ass, das Union aktuell hat, ist Sascha Lewandowski. Mir wäre ganz recht, wenn auf den Trainer und seine Analyse gehört würde (auch wenn sie weh tut und unangenehm ist) und vielleicht die vereinsinternen Entscheidungen aus dem vergangenen Sommer auch Konsequenzen haben. Denn vielleicht ist nicht nur die Mannschaft zu lieb zueinander, sondern es mit der Kritik- und Entscheidungsfähigkeit im gesamten Verein nicht besonders weit her, wenn wir uns im Union-Organigramm von der Spitze mal weiter nach unten bewegen.
Die PK ist beendet. Benjamin #Kessel und Damir #Kreilach nehmen sich nun noch Zeit für eine Presserunde. #fcunion pic.twitter.com/uxrHb7z06Y
— 1. FC Union Berlin (@fcunion) October 27, 2015
Das schreiben die Berliner Medien zu Lewandowskis PK:
- Benjamin Kessel ist neuer Kapitän (Tagesspiegel)
- Lewandowski tauscht den Kapitän (Berliner Zeitung)
- Kessel löst Kreilach als Kapitän ab (Morgenpost)
- Kessel löst Kreilach als Kapitän ab (Kurier)
- Union setzt Kreilach als Kapitän ab (BZ)
Woanders konnten die auf dieser Baustelle das Unternehmens-Banner nicht hängen?
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Woran machst du fest, dass Lewandowski ein Ass ist? Bisher sehe ich eher unglückliche taktische Entscheidungen (Kompaktheit zugunsten von Offensive aufgegeben) und wenig Erfolg. Er hat bis dato nur im Jugendbereich (Ausbildung!) und mit einem sehr guten Erstligakader gearbeitet, in der 2. Liga hat er noch nichts gerissen. Mit einer Einschätzung der Personalie Lewandowski in Liga 2 würde ich mich also noch etwas zurückhalten.
@musiclover Ich mache das tatsächlich an seiner fachlichen Analyse fest, die er immer wieder konkret äußert. Uwe Neuhaus habe ich in seiner Analyse auch vertraut, nur hat er sie ungerne öffentlich geteilt. Bei Norbert Düwel konnte ich aus den Worten, die er öffentlich gesagt hat, nie schließen, was er nun gesehen oder bemerkt hat. Teilweise hatte ich da das Gefühl, wir hätten unterschiedliche Spiele gesehen. Das habe ich jetzt nicht.
Der fachlichen Analyse von SL kann ich auch durchaus folgen, allerdings scheinen mir bisher die Schlüsse daraus noch nicht zum Erfolg zu führen. Wir stehen zwar erst am Anfang einer Entwicklung, daher lässt sich seine Arbeit auch nicht abschließend bewerten und ich hoffe, er ist hier kurzfristig erfolgreich, aber ganz überzeugt bin ich bisher nicht. Irgendwie wirken die PKs in letzter Zeit auch etwas langatmig, was mich zu dem Schluss kommen lässt, dass die Spieler eventuell einen ähnlichen Eindruck in der täglichen Arbeit haben könnten und sie zunehmend die Lust an seinem Stil verlieren. Könnte eine Erklärung für die zuletzt gezeigten Leistungen bzw. den aktuellen Abwärtstrend sein. Nur so als Idee. Düwel war da wohl der rustikalere Typ und hat vielleicht eher die Sprache der Fußballer gesprochen, auch wenn sein System schwerer zu verstehen war. In der letzten Saison hat er zumindest bewiesen, dass er schwere Situationen erfolgreich meistern kann. Hoffen wir in unserem Sinne darauf, dass dem Sascha das auch gelingt.
Eisern