Wir sind verwöhnt, bei Union. Ich dachte nicht, dass ich das einmal schreiben würde. Es geht uns gut, sportlich und finanziell. Wir sind so ungeheuer verwöhnt, dass wir uns beschweren, wenn unser Trainingsauftakt auf einem Fußballplatz stattfindet. Erinnert sich außer mir noch jemand an den Trainingsauftakt im Winter, Georgi Wasilev war eben wieder zurück? Wir standen auf Kunstrasen und fanden das in Ordnung. Wir waren froh, überhaupt einen Trainer zu haben. Und einen Kunstrasenplatz. Ich möchte nicht dorthin zurück.
Foto: Koch
Jetzt haben wir dieses schöne Stadion. Es müsste uns glücklich machen. Wir müssten die ganze Zeit besoffen sein vor Freude. Statt dessen streiten wir uns, seitdem es da ist, was darin sein darf und was nicht. Es ist etwas zu viel Stadion für nur 17 Heimspiele. Das Milchmädchen muss die Kosten nicht mal schriftlich addieren. Sollen wir einfach wieder Gras drüber wuchern lassen? Oder lieber Butterblumen?
Gegen den modernen Fußball
Ein paar von uns sind gegen den modernen Fußball, gegen Club Mate, gegen Prenzlauer Berg und können Jute nicht von Baumwolle unterscheiden. Als Zeichen dessen beschweren sie sich, wenn sie an einem ganz normalen Fußballplatz stehen, statt in einem modernen Zweitligastadion. Das wäre lustig, wenn es nicht so ernst gemeint wäre. Denn: Ich verstehe diejenigen, die Aktien gekauft haben, um mitbestimmen zu können. Ich habe das auch getan. Eine Aktie gekauft. Nicht: Mitbestimmt.
Mir ist auf meiner Aktie ein WM-Wohnzimmer gewachsen. Das war eine Überraschung. Ich hasse Überraschungen. Ich kucke am liebsten mit meinem Hausmeister Fußball, und zwar zuhause. Wir unterstützen die Berliner-Pilsner-Brauerei, Club100 und verschiedene Wurstfabrikanten. Finden wir gut, reicht uns. Und jetzt hab ich dieses Wohnzimmer. Ich hab´s mir nicht ausgesucht, es ist einfach da. Aber ey: Schicke Tapete! Ich vermute, wenn sie´s in vier Jahren in anderen Städten nachbauen, sind wir die ersten, die großfressig fragen: Und wer hat´s erfunden?
Ein Bier, ein Schnaps, ein paar auf´s Maul
Ich möchte dieses Stadion behalten. Ich möchte, dass es seinen Namen behält. Dies beides sind meine Werte. Denn Werte, das hört man in letzter Zeit überall, sind das, um was es geht. Schade, dass es so unmöglich scheint, sie konkret zu benennen. Ich würde mir Listen wünschen! 10 Dinge, die sich nicht verändern dürfen, während sich die ganze Welt verändert. Ich möchte nur dies unverändert lassen: Dass ich an Heimspieltagen ins Stadion An der Alten Försterei gehen kann, um dort Fußball zu sehen. Wenn der Weg dahin über Marketing führt, über ein WM-Wohnzimmer: Go for it! Ich werde damit zurecht kommen.
Was beim Stadionbau funktioniert hat, war die Idee, alle mitzunehmen. Das wird schwieriger, je größer dieses „alle“ wird. Etwas ist aus dem Gleichgewicht geraten. Etwas ist kaputt in der Kommunikation. Wir beleidigen uns gegenseitig und sagen doch „Unionfamilie“. Es ist die Art von Familie, die Zickenschulze aus Bernau hat. Ein Bier, ein Schnaps, ein paar auf´s Maul. So möchte ich die Saison nicht beginnen.
Vielen Dank.
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Die Konflikte ähneln sich – und die, denen unsere Art Fussball schietegal ist, verstehen gar nicht, worum es geht.
Ich weiß, Erik! Und die Leute bei uns ziehen genau diese Parallele: „Lasst uns nicht in die St.Pauli-Falle tappen! Lasst uns lieber nicht die sein, die jeder instinktiv mag!“ ist ungefähr das, was sie sagen. Lieber doof gefunden werden und seine Ruhe haben. Oder noch lieber gar nicht gefunden werden. Aber gleichzeitig gerne Erste Liga spielen, heimlich.
Spricht mir zu 99% aus der Seele. Gut geschrieben.
Ich fühle mich ganz wohl in der Rolle von niemandem gemocht zu werden. Ist recht kuschelig in dieser Ecke.
Es kann niemand von allen gemocht werden. Ich hoffe, ihr findet weiter den Weg, euch selber zu mogen
Ich mag nicht von allen gemocht werden und ich fand es immer ganz gut, dass wir bis auf Dieda keine Feinde aber auch keine Fanfreundschaften haben.
Mir ist auch manches komisch, was so um mich herum passiert und ich bin froh, dass es diesenDiskussion gibt, auch wenn ich nicht alle Positionen der WM Wohnzimmer Gegner teile und das Wohnzimmer lustig finde.
Siehste Jan – und das ist eine Sache, die mir bei St.Pauli jederzeit imponiert hat: Meistens reden sie da miteinander. Ich steh auf Gesprächskultur. Immer schon!
The Burg: Jetzt wüsste ich natürlich gerne, was das Haar in der Suppe war!
@nedfuller Du bist ein Kind der Ersten Liga – da sieht die Welt anders aus, da ficht man ganz andere Kämpfe aus. Zumindest stell ich es mir so vor.
Grandioser Text.
Zum ausschneiden und an die Wand hängen. Nicht für einige, sondern für alle Unioner und für mehr Bodenhaftung.
Eisern!
Hallo Steffi,
genau eben dieses von dir beschriebene „go for it!“ – genau das ist eben nicht Union so wie wir (bzw. ich) es lieben und schätzen gelernt haben. Warum mit dem Trend gehen, warum den Saisonauftakt außerhalb vom Stadion stattfinden lassen? Für mich gehört weit mehr zu Union als „nur“ ins Stadion An der Alten Försterei zu gehen.
[…] Regionalligisten BAK 07. Man sieht sich! Nachtrag 01.07.14: In der Zwischenzeit empfehle ich eine Wortmeldung von Steffi, die auf Grund der aktuellen Querelen dringend mehr Eiserne Bodenhaftung […]
Siehste Paul: Aber Du schaffst es, zwischen Dir und den anderen zu unterscheiden. Das gelingt vielen nicht. Die sagen „Wir Unioner wollen das nicht, und wer eine andere Meinung hat, ist kein Unioner“. Das verhärtet die Fronten.
„Mit dem Trend gehen“ – nee, darum ging es mir nicht. Ich habe Union nicht deshalb in mein Herz gelassen, weil der Verein so´n doller Trendsetter ist. Ich vermute, um Trends ging es auch bei der ganzen Wohnzimmer-WM nicht. Eher um die ganz praktische Frage, wovon sich dieses Stadion ernähren soll. 17 Spieltage reichen nicht. Das dürfte jedem klar sein. Wir müssten also Alternativen dazu finden. Jetzt sag ich auch schon „wir“ :) Streng genommen ist es die Stadionbetrieb AG, die Nutzungen dafür finden muss.
Mir hat gestern jemand geschrieben, dass neue Stadien oft der Anfang vom Ende waren, in anderen Städten. Ich hoffe sehr, dass das bei uns nicht so wird. Das wird nur funktionieren, wenn es Kompromissbereitschaft gibt. Deshalb bin ich für vernünftige Vorschläge offen, die mir meine Heimspieltage frei von Scheißdreck halten. Das meinte ich mit „go for it“.
Je größer die Familie, je größer die Probleme und schwieriger die Kommunikation.
Das Stadion ist aber nun mal mehrheitlich im Besitz des Vereins und der Aktionäre. Seit anderthalb Jahren sogar sehr deutlich. Zitat Zingler, November 2012: `Union-Präsident Dirk Zingler, der über seine Firma Röfa Mobilbeton selbst Anteile hatte: „Die Alte Försterei ist tatsächlich das Stadion der Unioner, es gibt keine privaten Großaktionäre mehr und demzufolge auch keine Abhängigkeit von handelnden Personen in privaten Unternehmen. Die Verantwortung für das Stadion tragen die Menschen, die dort eine Heimat gefunden haben und denen es am Herzen liegt.“
Zweiter großer Teilhaber an der Arena sind die Vereinsmitglieder. Sie besitzen nach dem Aktien-Verkauf im vergangenen Jahr 43,52 Prozent.` Also Mitglieder und Aktionäre bei solch großen Aktionen fragen, sie haben ein Recht dazu…
Ich kann mit PVaDAF auch sehr gut leben, verstehe aber jeden der sich über dumme tweets und „falsche“ Fans im eigenen Wohnzimmer aufregt. Bin gespannt wo die Reise hingeht und wer alles mitgeht. Mir drängt sich im Augenblick leider der Eindruck auf, wir wären auf das Geld aus der Vermarktung stark angewiesen. Ist auf der finanziellen Seite wirklich alles so rosig, trotz Super-Auslastung? Wer diese Spirale überdreht, kann schnell wie Herr Orth auf Pauli enden…
Wie absolut wunderbar geschrieben, Steffi.
Danke!
Liebe Steffi.
Ich teile deine sicher sehr schön formulierten Worte nur sehr bedingt.
Ich bin auch nicht gerade Fan der Wohnzimmer idee aber ich respektiere die Begeisterung anderer Unioner dafür.
Ich fühle mich aber in der Frage wohnzimmer wm u.v.a wm an sich den Ultras weit näher. Also Blöcke auf, Leinwand an fertig. Das Wohnzimmer ist ein schwieriger Spagat mit ner Menge event an einer Seite.
Aber zum Trainingsauftakt war ich nicht, in unser Stadion wäre ich gegangen. Warum die saison in irgendeinem Stadion beginnen und nicht in unserem? Was spricht dagegen? Wenn der Wille da gewesen wäre hätte sich ein Weg gefunden trotz wohnzimmer.. Es gibt Nebenplätze für den sportlichen teil sprich Trainingsauftakt und die Mannschaft kann sehr wohl trotz wm im Stadion vorgestellt werden.
Ein paar stunden Sonntag mittag / nachmittag hätten doch genügt und die couchnutzer hätten wohl einmal erst ne halbe stunde vorm spiel ind Stadion gekonnt.
Aber wir alle als Eigentümer, Fans und als Hauptnutzer wurden vorher nicht gefragt. Das ärgert mich und mir schwant das startet eine Entwicklung, die mit kommerz sehr viel zu tun hat, die die Grundfesten von Union berührt, vielleicht sogar gefährdet.
Ich denke Verein und Stadiongesellschaft müssen mal aktiv werden in unser aller Sinne, nicht nur immer von den tollen Union Werten reden, sondern diese auch leben. Ubd dazu gehört miteinander zu reden und zwar beim nächsten Mal vorher. Das Stadion gehört schliesslich uns allen.
Noch was nebenbei: Ich verstehe go for it auch nicht. Sag doch einfach in verständlichem Deutsch, was Du denkst. Es ist nicht wirklich cool mit Anglizismen zu arbeiten, wenn es nicht wirklich nötig ist. Sorry
@Alex im Großen und ganz genau meine Meinung! Wir sind gar nicht in der Situation, einschätzen zu können, wieviel Geld konkret reinkommen müsste. Ich zumindest hab dazu keine Zahlen.
@schweissi ich sehe nicht den Punkt, in dem wir uns widersprechen. Und wer „cool“ sagt, kann auch „go for it“ aushalten ;) nur eines vielleicht: ich glaube, Nebenplatz des Stadions wäre genauso inakzeptabel gewesen wie Bruno-Bürgel-Weg. Weil es eben etwas anderes ist. Das Problem ist weniger die Verlegung als vielmehr die fehlende Mitbestimmung. Die wird zu Recht eingefordert. Nichts anderes habe ich geschrieben.
Für alle und grundsätzlich: Ich finde das Transpi zum Trainingsauftakt absolut korrekt. Zur WM an sich hatte ich mich an anderer Stelle geäußert.
[…] um Feedback + + + Union: ein kritischer Kommentar, gar nicht so fernab vom WM-Geschehen, beim Textilvergehen + + + Kuckuck: Eine Sekunde Ruhm für den Linienrichter (YouTube) + + + Gewalt: […]
Steffi,
dass Du das Transpi zum Trainingsauftakt korrekt fandest, ist Deinem Text leider nicht zu entnehmen. Für mich liest sich dein Text genau gegenteilig.
Aber Du hast völlig recht, es geht ausschließlich um das Wie mancher Veranstaltungen und die fehlende Mitbestimmung. Nichts anderes wird ja von vielen Unionern vermehrt eingefordert, nicht nur von den Ultras.
Übrigens genau deswegen habe ich das Wort cool benutzt, da bist schön über’s Stöckchen gesprungen (bildlich gemeint und als Witz).
Und cool scheint mir sogar im Allgemeinen deutschenSprachgebrauch recht verankert.
„Go for it“ hört sich für mich so’n bischen nach Werbeagentur und Kundschaft fangen an. Fehlt eigentlich nur, dass Dirk „Yes we can“ ruft.
Was ich damit ausdrücken wollte, ich stehe nicht auf Effekthascherei.
Aber dazu bin ich nicht genug Werbefachmann.
Schweissi – es war doch aber genau so gemeint: „Go for it“ ist Marketingsprache, und DESHALB steht das an bewusster Stelle ;) Nicht, weil ich mit meiner Sprache nicht zurecht komme. Aber dann haben wir das ja jetzt auch klar :)
Das Transparent war überhaupt der Auslöser, mal zusammenzufassen, was gerade so passiert. Deshalb ist es oben im Bild. Ich habe davon ausgehend überlegt, was für mich persönlich daraus folgt. Denn was für alle anderen daraus folgt, kann ich gar nicht wissen. Ebenso wenig kann ich wissen, welche Werte genau mit dem Transparent gemeint waren: Deshalb habe ich darüber auch nichts gesagt, insbesondere auch nichts kritisches oder negatives. Nur überlegt, welche Werte das für mich wären. Aber das Ding an sich -nämlich: mit etwas nicht einverstanden sein und eine Diskussion darüber anzetteln- das ist absolut richtig. Das stand für mich außer Frage.
Genau so kann ich nachvollziehen, dass und warum es Unioner gibt, die mit dem aktuellen Geschehen nicht einverstanden sind – auch wenn ich ihre Ansichten nicht vollständig teile. Womit ich extrem Schwierigkeiten habe: Mit denen, die sagen, wer nicht ihrer Ansicht ist, ist kein Unioner. Das beendet Gespräche ja meist sehr schnell und ergebnislos. Ich selber komme damit klar, dass wir nicht alle einer Meinung sind. Ich komme ebenso damit klar, das wirtschaftlich Notwendige zu tun – darüber wüsste ich allerdings gerne mehr. Und da fehlt, was ich eingangs sagte: Kommunikation. Und in gewisser Weise auch Mitbestimmung.