Jay DeMerit ist hierzulande nicht allzu vielen Menschen ein Begriff. Wer sich ein wenig intensiver mit englischem Fußball abseits von Manchester, Liverpool und Chelsea beschäftigt oder sich im Rahmen der WM 2010 mit der US-Nationalmannschaft auseinandergesetzt hat, könnte jedoch über den Namen gestolpert sein. Der auf dem diesjährigen 11mm Festival aufgeführte Film „Rise and Shine – The Jay DeMerit Story“ erzählt dokumentarisch die Geschichte eines Spielers, wie sie sich nicht kinoreifer hätte abspielen können.
DeMerit, aufgewachsen in Green Bay im amerikanischen Bundesstaat Wisconsin, versucht sich als Kind in diversen Sportarten. Klar, wer in Green Bay geboren wird, wächst praktisch per Gesetz im Trikot der Green Bay Packers auf, ihres Zeichens eines der erfolgreichsten Teams der NFL. Jay hingegen versucht sich in Basketball, Leichtathletik und Soccer, einem Sport, der in den USA vor allem im Jugend- und im Frauenbereich verbreitet ist. DeMerit entscheidet sich bald für eine Karriere im Fußball und bekommt ein Stipendium an einem College in Chicago. Er spielt eine kurze Zeit beim Nachwuchsteam von Chicago Fire, bei der Sichtung der nordamerikanischen Profiteams fällt er jedoch durchs Raster. Jay DeMerit, das wird dem Zuschauer schnell klar, ist kein Mensch, der schnell aufgibt. Mit 21 Jahren und eigentlich schon viel zu alt, um noch eine Karriere als Profifußballer zu beginnen, wagt er mit weniger als 2000 Dollar in der Tasche zusammen mit einem englischen Freund vom College den Sprung über den großen Teich und versucht sein Glück in England.
Es nötigt in der Tat Respekt ab, mit welcher Beharrlichkeit Jay erfolglos von Club zu Club zieht und trotz zahlloser Rückschläge nie aufgibt. In der Regel darf er noch nicht einmal ein Probetraining absolvieren. Kommt es zu einem Testspiel, hat er oft nur fünf bis zehn Minuten Zeit, um sich den Trainern zu präsentieren. Er lebt von der Hand in den Mund, verdient wenige Pfund die Woche bei Spielen in den untersten englischen Ligen, den sogenannten Sunday Leagues, auch Pub-Leagues genannt, und wird ansonsten von der Familie seines Freundes mitversorgt. Nach vielen Monaten des beharrlichen Trainings erhält er die Chance, einige Testspiele mit dem Amateur-Club Northwood FC, einem Verein der 7. Liga, zu absolvieren. Als Northwood noch in der Saisonvorbereitung schließlich als Trainingsgegner des Zweitligisten Watford antreten darf, macht DeMerit, inzwischen bereits 23 Jahre alt, ein erstes Mal das „Spiel seines Lebens“; es soll nicht das letzte bleiben. Was dann passiert, ist praktisch einem Märchenbuch entsprungen und beinhaltet Begriffe wie Profi-Vertrag, Aufstieg, Premier League und Weltmeisterschaft 2010.
So unglaublich wie die Geschichte des Spielers Jay DeMerit, ist auch die Entstehungsgeschichte der Dokumentation selbst. „Rise and Shine“ ist eine Low-Budget-Produktion, was man dem Film auch anmerkt. Die Regisseure Nick Lewis, hauptberuflich Rechtsanwalt, und Ranko Tutulugdzija, praktizierender Akupunkteur, machen keinen großen Hehl daraus, dass weder sie noch die übrigen Mitstreiter irgendeine Erfahrung mit dem Filmemachen hatten. Eine gute Story, viel Enthusiasmus und Crowdfunding via Kickstarter – mehr brauchte es nicht, um die Geschichte von Jay DeMerit zu erzählen. Die Schnitte sind teilweise etwas holprig und an der einen oder anderen Stelle wird die Geschichte dann, typisch amerikanisch, leider auch ein wenig pathetisch erzählt. Als es letztlich mit Jay und den US-Boys nach Südafrika zur WM 2010 geht, wird es stellenweise sogar etwas „cheesy“ – Amerikaner lieben Heldensagen. Dennoch, die Karriere von Jay ist außergewöhnlich und der Film eine Bereicherung des Festivals. Filmkritiker, welche vorrangig auf Schnitt-Technik oder künstlerische Details achten, werden wohl mehr als genug zu kritisieren finden. Für mich als Fan ist es eine Geschichte, die – wieder einmal – zeigt, wie viel der Fußball den Menschen bedeutet.
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Eine tolle Geschichte. Der Sport zeigt wie man sich mit Fleiß und Arbeit seine Träume verwirklichen kann. Auch wenn nicht alles auf Anhieb klappt, den Kopf in den Sand stecken ist die falsche Variante.