Ausgelöst von der Berliner Piratenfraktion entspann sich in den letzten Tagen die Diskussion darüber, wie die Verteilung kostenloser VIP-Tickets an Politiker zu bewerten ist. Dem zugrunde lag eine entsprechende Anfrage des 1.FC Union Berlin.
Neu sind nun weder die Praxis der Kartenvergabe noch die entsprechenden Vorwürfe. Bereits im Jahr 2006 wurde ein Verfahren gegen Utz Claassen eröffnet, weil sein Unternehmen Gutscheine für Eintrittskarten zur Fußball-WM an sieben Politiker verschenkt hatte. Er wurde 2008 durch den Bundesgerichtshof vom Vorwurf der Vorteilsgewährung freigesprochen. Kurzum: Alles legal.
Foto: Koch
Neu sind allerdings die Piraten im Parlament, und neu wären dort auch Karten des 1.FC Union Berlin gewesen. „Es gibt keinen offiziellen Vereinsvorgang“, sagte Unions Pressesprecher Christian Arbeit. Der Wirtschaftsrat, der kein Vereinsgremium ist, hatte davon gehört, dass es im Abgeordnetenhaus einen Freikartenpool gibt und angeboten, Uniontickets zur Verfügung zu stellen, wenn das gewünscht wird. „Daraufhin wurde die rechtliche Zulässigkeit aller bislang angebotenen Freikarten geprüft. Wir als Verein haben bislang keine Karten geschickt.“ Klartext: Keine Karten. Nicht vom 1.FC Union jedenfalls.
Damit sollte der Vorgang zu den Akten gelegt werden, bevor auch nur eine einzige Zeile darüber geschrieben wird. Das wird er nicht, weil der Berliner einfach gerne diskutiert. Und vieles daran ist auch diskussionswürdig.
Nachvollziehbar ist der Standpunkt der Piraten, die sagen: Nicht alles, was rechtens ist, ist auch richtig. Der BGH selbst war zu dem Schluss gelangt, dass ein Vorteil darin liegt, wenn Politiker umsonst bekommen, wofür andere zahlen müssen. Folgerichtig ist daher die Haltung:
Sollte es zu unseren repräsentativen Pflichten als Abgeordnete gehören, an Spielen der Hertha oder Aufführungen der Philharmonie teilzunehmen, werden wir die Karten aus eigener Tasche bezahlen. Es ist den Berlinerinnen und Berlinern nicht zu erklären, warum Abgeordnete mit VIP-Plätzen und Freikarten beschenkt werden.
Das umreißt sehr schön den zweiten und dritten Diskussionspunkt. Warum ist das bisher weder im Zusammenhang mit Hertha BSC oder den Philharmonikern jemals einem Abgeordneten aufgefallen? Und wo genau beginnt eigentlich Bestechung?
Aus Sicht der Berliner Kulturbetriebe (zu denen die Fußballvereine selbstverständlich zählen) ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben. Sie müssen dort präsent sein, wo über ihre Anliegen entschieden wird. Präsent sein heißt: Man muss sich ihrer erinnern, und möglichst nicht als Problembär. Das ist leichter für den, der ein Stadion mietet, das der Stadt Berlin gehört. Es ist schwerer für den, mit dem die Stadt Berlin weniger wirtschaftlich verbunden ist. Die Ausgangslage auf Seiten der Kulturschaffenden ist da durchaus unterschiedlich.
Ein Kulturbetrieb kann selten durch ein Exposé überzeugen. In der Regel muss man ihn besuchen und sich einen Eindruck verschaffen. Es ist demnach sogar wünschenswert, dass diejenigen, die über Geld oder Nicht-Geld entscheiden dürfen, genau wissen, was sie tun. So seltsam es klingt: Stadionbesuch als Dienstpflicht kann vorkommen. Eine schicke Informationsbroschüre ersetzt ihn kaum.
Übrig bleibt die Frage, wie ein Angebot aussehen sollte, dass einerseits jedem Abgeordneten ermöglicht, sich angemessen zu informieren und gleichzeitig keinen Missbrauch („bei den Philharmonikern sind die Hackepeterbrötchen so lecker“) zulässt. Entweder muss jeder überall zahlen, oder keiner nirgends. „Keiner nirgends“ hat einen großen Vorteil. Die Hürde, sich tatsächlich mal etwas anzusehen, ist wesentlich niedriger.
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[…] wo und durch wen auch immer Fußball-Freikarten an Abgeordnete vergeben wurden – Der 1. FC Union Berlin hatte in seiner Eigenschaft als Verein bisher nichts damit zu tun. Das ist vermutlich auch ganz gut […]