Letzten Donnerstag zog die DFL ein Zwischenfazit. Knapp ein Jahr zuvor wurde der Zehn-Punkte-Plan für mehr Sicherheit im Fußball veröffentlicht. Damals noch mit DFB-Präsident Zwanziger und Innenminister de Maizière und allerlei Länderpolitprominenz. Dieses Jahr kam DFL-Vorstand Reinhard Rauball mit dem Leiter für Fanangelegenheiten der DFL, Thomas Schneider in das Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Rauballs Bilanz war, sonst hätte es die Pressekonferenz nicht gegeben, selbstverständlich positiv. Und so nutzte er die Möglichkeit, gegenüber den politischen Entscheidungsträgern eine klare Grenze zu ziehen.
Der Zehn-Punkte-Plan und der darin festgeschriebene Verzicht auf Bundesligaspiele am 1.Mai 2011 sei eine Reaktion auf die Forderung nach Kostenbeteiligung der Profiklubs an Polizeieinsätzen gewesen. Rauball machte deutlich, was er davon hielt: „Diese immer wieder vorgetragene Forderung ist und bleibt populistisch. Es gibt hierfür keine rechtliche Grundlage.“ Das Feedback auf die Umsetzung des Planes aus Politik und Polizei sei positiv und gerade der Effekt, dass diese Forderung kein Thema mehr sei, würde den Erfolg des Planes beweisen. Sollte die Forderung allerdings wieder aufkommen, würde sich die DFL mit allen möglichen Mitteln dagegen wehren. Hier schlug Rauball einen Pflock ein, der ganz klar zeigen sollte: Bis hierher und keinen Schritt weiter.
Der Plan an sich ist abstrakt und wenig greifbar. Daran änderte auch die kommunizierte Zahl von 25 Millionen Euro Sicherheitsausgaben aller 36 Bundesligavereine nichts. Denn diese Zahl hat mit dem Plan an sich nicht viel zu tun. Aufgeschlüsselt sieht sie folgendermaßen aus:
- knapp unter 15 Millionen Euro für den Sicherheitsdienst der Bundesliga
- etwa 6 Millionen Millionen Euro für den Sicherheitsdienst der 2.Liga
- 3 Millionen Euro für die hauptamtlichen Fan- und Sicherheitsbeauftragten der 1. Und 2. Liga
- 1,3 Millionen Euro Finanzierung sozialpädagogischer Fanprojekte
Hier wird klar, dass mindestens 21 Millionen Euro ohnehin für den Sicherheitsdienst ausgegeben werden. Die restlichen 4,3 Millionen Euro können zum Teil mit der Umsetzung des Zehn-Punkte-Planes begründet werden.
Der ohnehin spannendere Teil waren die Ausführungen von Thomas Schneider. Er gab Einblicke in die Arbeit, die sich hinter den ominösen zehn Punkten des Planes verbirgt. „Verbesserung der strukturellen Kommunikation“ steht zum Beispiel an erster Stelle. Darin wurden alle Klubs verpflichtet die Fanbeauftragten und Sicherheitsbeauftragten hauptamtlich zu beschäftigen. Das war nicht immer der Fall, weshalb es im Vorfeld schon einmal an Ansprechpartnern für die Polizei in einigen Klubs mangelte.
Kommunikation ist überhaupt der Schlüsselbegriff. Der Zehn-Punkte-Plan hebt sich wohltuend von der Law-and-Order Politik ab, mit der bisher auf Probleme reagiert wurde. Ein Beispiel für diese schlagzeilenträchtige aber ineffiziente Politik ist die Datei Gewalttäter Sport, die Straftaten rings um Sportereignisse erfassen soll. Tatsächlich wird dort von den Länderpolizeien nach jeweils eigenen Maßstäben mehr oder weniger eingetragen, was rings um Stadien vorfällt. Eine Unmenge an Daten, mit denen niemand mehr etwas anfangen kann. Wieviele vermeintliche Gewalttäter tatsächlich verurteilt wurden, weiß niemand. Valide Daten zur tatsächlichen Gewalt? Fehlanzeige.
Thomas Schneider monierte jegliche populistische Herangehensweise als fahrlässig und sprach auch Stadienverboten die abschreckende Wirkung ab. Ab einer bestimmten Zahl ausgesprochener Verbote sei die Abschreckung ohnehin nicht mehr wirksam, da Stadionverbote dann generell wie ein Damoklesschwert über bestimmten Fangruppen hingen. Sinnvoll sei dagegen gewesen, die Vereine zur Begleitung ihrer Fans bei Auswärtsspielen zu verpflichten. Schneider redete immer wieder von Qualifizierung. Die würde vorangetrieben. Schließlich sei „Sicherheitsbeauftragter“ oder „Fanbeauftragter“ kein Lernberuf.
Der zehnte Punkt des Planes ist das Zuckerstück, das die DFL als Belohnung bereitgestellt hat. Es lautet „Bewährungsmodelle bei Stadionverboten“. In der Tat nimmt sich der Ligaverband mit allen Profivereinen am 5.Mai dieses Themas an. Zunächst geht es dabei um das Anhörungsrecht, das angeblich nicht so oft wahrgenommen wird, wie es zu vermuten wäre. Der spannende Teil der nichtöffentlichen Veranstaltung ist hierbei das Nachmittagsprogramm. Da werden drei Modelle vorgestellt:
- Das Modell einer zweiten Chance für auffällig gewordene Fans (Borussia Dortmund)
- Ein Täter-Opfer-Ausgleich im Fußball (Werder Bremen)
- Anti-Aggressionstraining für Fußballfans (1.FC Union Berlin)
Im Falle von Union war die Zusammenarbeit mit dem Violence Prevention Network eine Reaktion auf die Vorfälle in Bielefeld vor anderthalb Jahren und einer Vielzahl in diesem Zusammenhang ausgesprochener Stadionverbote. Wie diese Modelle von den anderen Klubs angenommen werden und was überhaupt aus dem Zehn-Punkte-Plan geworden ist, wird sich erst nach mehreren Spielzeiten zeigen. Dann vielleicht auch endlich mit validen Daten.
Mehr zum Thema wissenschaftlicher Beirat, Bundesligakodex, Kommunikation mit den Fans und Bewährungsmodellen bei Stadionverboten gibt es im Mitschnitt des Nachgespräches mit Thomas Schneider.
Mitschnitt der Pressekonferenz
[audio:http://www.textilvergehen.de/audio/2011_04_28_pk_dfl.mp3]Nachgespräch mit Thomas Schneider (DFL, Leiter Fanangelegenheiten)
[audio:http://www.textilvergehen.de/audio/2011_04_28_thomas_schneider_dfl.mp3]Entdecke mehr von Textilvergehen
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Vielen Dank, auch für die Bereitstellnug des Schneider-Mitschnittes. Macht einen vernünftigen Eindruck, der Herr.
Dann bin ich mal gespannt, was sich der Ligaverband in Sachen Bewährung so ausdenkt.
[…] Die DFL hat in Berlin ein erstes Zwischenfazit zum sogenannten “Zehn Punkte Plan” gegen Gewalt gezogen. Sebastian von Textilvergehen.de war vor Ort und hat sich ein Bild von den Bemühungen gemacht. Politprominenz war in diesem Jahr nicht vor Ort, aber die handelnden Personen scheinen mit viel Kommunikation eine neue Herangehensweise an das Thema etablieren zu können: Mehr Sicherheit im Fußball. Ohne Populismus. […]