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Eltern haften für ihre Kinder.

Eine Replik.

Matthias Wolf, der ein feines Gespür für Befindlichkeiten hat,schreibt in der heutigen Berliner Zeitung anlässlich der Freigaben für Kenan Sahin und Jérôme Polenz

„Und wenn der ungeliebte Profi dann vom Hof gejagt ist, werden zwei Gehälter frei für neue, nun ja: Familienmitglieder.“

Man kann es so sehen, oder nüchtern: Es wird Platz für neue Profis.

Matthias Wolf ist Journalist, und er versteht von Fußball mehr, als sich mir je erschließen wird. Er ist keiner von denen, die alle Leute duzen, fehlenden Abstand kann ihm niemand vorwerfen. Eins ist er aber wohl nicht: Fan eines Vereins. Es gibt etwas im Dasein eines Vereinsanhängers, das der rationalen Betrachtung nicht zugänglich ist. Etwas unkritisches, undistanziertes, disziplinloses. Hat mit Fußball nichts zu tun. Und wo das wächst, ist knapp daneben auch der vielgerühmte Sinn für die „Unionfamilie“ angesiedelt.

Die Unionfamilie sind in erster Linie Fans. Gar nicht so oft kommt es vor, dass ein Spieler mit dazu gezählt wird. In familiären Kategorien sind die meisten Spieler eher eine Art ausländischer Austauschschüler. Die Gasteltern unterstützen sie nach besten Kräften, wissen aber zugleich, dass die gemeinsame Zeit endlich ist.

Oder, um auch mal eine krummen Vergleich zu bringen: das Bild vom Fußballprofi als Familienmitglied hinkt. Und das nicht nur auf einem Bein.


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10 Kommentare zu “Eltern haften für ihre Kinder.

  1. Schönes Bild: „Die Unionfamilie sind in erster Linie Fans. Gar nicht so oft kommt es vor, dass ein Spieler mit dazu gezählt wird. In familiären Kategorien sind die meisten Spieler eher eine Art ausländischer Austauschschüler.“

    Und wie sieht es in der Betrachtungsweise dann mit den anderen bezahlten Angestellten des Vereins aus? Nurmalsofrag …

  2. Großartig erklärt und formuliert. Ich habe auch schon lange darüber nachgedacht, wie die Spieler heutzutage zur Union-Familie gehören oder sich gehörig fühlen. Weil ja (fast) keiner mehr sein (Sportler)Leben lang bei einem Verein bleibt, wie seinerzeit Sigusch oder (Rot)Hendel.
    Aber der Vergleich mit einem Austauschschüler ist sehr treffend!

  3. @bunki ich wollte damit nicht sagen, dass „vom verein bezahlt werden“ und „fan des vereins sein“ sich ausschließen. ich setze es nur bei den spielern nicht voraus, das wäre weltfremd. bei vielen angestellten glaube ich umgekehrt, dass sie viel arbeit für nicht so fürchterlich viel geld nur deshalb machen, weil sie (auch) fans sind.

    @lopez danke! ich find das ja auch nicht vorwerfbar.

  4. Wenn man Mathias Wolf auf das Finale um die Deutsche Meisterschaft 1934 im Poststadion oder die Auslegung der Rückpassregel am 34. Spieltag des Jahres 2001 im Spiel zwischen dem HSV und dem FC Bayern anspricht, wird sehr klar, dass auch hier Fantum begründet liegt. Mit aller Irrationalität, Leidensfähigkeit und Liebe, die dazugehört.

    Ansonsten finde ich es gut, wenn ich immer mal wieder an den Grundwiderspruch zwischen Zuneigung zu einem Sportverein und Berufssport erinnert werde. Irgendwie projiziert man als Fan ja seine Wünsche auf Menschen, die ihrem Beruf nachgehen. Ist bei Lichte betrachtet schon ganz schön komisch.

  5. Meißtens billig, wie Wolf Seitenhiebe kreiert.

    Baumgart Bönig Texas fallen mir da aus der jüngsten Entwicklung ein, die der Unionfamilie angehören, jeder auf seine Weise natürlich. Potti ist auch da, aber immer sind es Exprofis.

  6. Oder f a s t immer sind es Exprofis

  7. @sebastian ich habe das blauweiße schlüsselband auch gesehen :) ich weiß nicht, ob man als journalist jemals wieder aus seiner beruflich geprägten denkweise heraus kommt. ab irgendwann weiß man zuviel, um sachen hemmungslos ausschließlich gut finden zu können, vermute ich. dass im profisport ideal und wirklichkeit weit auseinanderfallen, ist ansonsten absolut treffend festgestellt. insofern: guter artikel. nur die vokabel „unionfamilie“ ist in dem text mindestens irreführend verwendet.

  8. @Milan er hat ja der sache nach durchaus recht, aber das bild ist trotzdem schief, meine ich. weil das beispiel nicht gut gewählt ist. ich habe auch an baumgart, bönig und teixeira gedacht. aber die sind ausnahmeerscheinungen.

  9. „Irgendwie projiziert man als Fan ja seine Wünsche auf Menschen, die ihrem Beruf nachgehen. Ist bei Lichte betrachtet schon ganz schön komisch.“

    @Sebastian hui da mit könntest du jetzt eine grundlegend philosophische Debatte über das Fan sein an und für sich und seine Bedeutung für den Bau pangalaktischer Umgehungsstrassen lostreten.

    Tust du aber nicht. Nur soviel habe ich als alter Mann gelernt, manches auf dieser Welt sollte man einfach nicht bei Lichte betrachten, weil der grelle Schein der Neonleuchten über dem OP-Tisch der intellektuellen Debatte das letzte bissel Romantik aus diesem Leben vertreibt und genau die ist es, die es lebenswert macht.

    Zu den Spielern noch ein Satz, es gibt die Spieler da unten mit denen du als Fan warm wirst, dann gibt es ein paar wenige, die du in dein Herz schliesst, weil du ihnen glaubst, dass sie nicht nur ihren Job machen, sondern sich für das was du liebst, den Verein, den Arsch aufreissen, dennen du noch das staunen ansiehst, wenn sie die Stadionrunde drehen ob dem, dass sie es sind die da gemeint sind und dann gibt es die, die wieder gehen können und bald vregessen werden, die vielleicht Fußball spielen können und ihren Job machen.

    Schön, dass wir gerstern Abend erst darüber gesprochen haben Hötteke – Jan Glinker.

    Jan

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