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Rede und Antwort stehen

Der Stadtteil Oberschöneweide war einmal so etwas wie der industrielle Pulsschlag von Berlin. Wo aber einst Läden standen, finden sich nun Automatencasinos und Dönerbuden. Um die Lenkung des Wandels kümmerte sich bis 2007* ein Quartiersmanagement. Von der ursprünglich prägenden Industrie ist nicht viel geblieben. Das ehemalige Fabrikgelände von AEG und später Kabelwerk Oberspree (KWO) heißt nun Campus Wilhelminenhof der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Gegenüber in einer Kneipe lädt Moderator Tino Czerwinski zu Saisonbeginn immer Teammanager und Trainer zum Fantreffen des 1. FC Union Berlin ein.

Manager Christian Beeck, Moderator Tino Czwerwinski, Trainer Uwe Neuhaus

So, wie es für den VfL Bochum schon günstigere Momente für Jahreshauptversammlungen gegeben hat, ist auch die Situation für Teammanager Christian Beeck und Trainer Uwe Neuhaus bereits einmal rosiger gewesen. In Vereinskreisen hatte man nicht das „allerlustigste Fantreffen“ erwartet. Nun ist es nicht so, dass sich die beiden Verantwortlichen für den Profibereich vor Schulterklopfen nicht mehr hätten retten können. Aber dass die Veranstaltung beinahe kuschelig verlief, war überraschend. Das lag zu einem wesentlichen Teil an der selbstkritischen Analyse des Trainers.

Dieser ordnete die erste Zweitligasaison in zwei Teile ein. Die erste Saisonhälfte sei überdurchschnittlich und die zweite unterdurchschnittlich verlaufen. Christian Beeck hingegen erklärte den Anwesenden, was richtiger Abstiegskampf sei. Und so fiel auch sein Fazit zum ersten Jahr in der zweiten Liga aus: „Das war eine schöne ruhige und gemütliche Saison.“ Der Manager kam den Anhängern mit viel Witz und Verve, während Neuhaus sachlich und ruhig analysierte. Es ist genau diese Mischung, die die Anspannung von Beginn an löst und jeglichem Missfallen den Wind aus den Segeln nimmt.

Uwe Neuhaus erläuterte die Saisonvorbereitung und die Arbeitsteilung im Trainerstab. Dabei glitt er nie ab in die übliche Sprache, die Pressekonferenzen vor und nach Spielen so austauschbar macht. Zwar gab es in der Substanz nicht viel Neues zu hören, aber für die anwesenden Fans war es die Möglichkeit, sich einmal ein ungefiltertes Bild zu machen.

Die Systemfrage stellte sich Uwe Neuhaus zwar auch. Aber er machte sie für sich abhängig vom vorhandenen Spielermaterial. Entscheidend sei, wie sich die Spieler auf dem Platz bewegen und das System mit Leben erfüllen würden. Daher sei die Diskussion um Systeme für ihn überschätzt. Das Kernproblem liegt für den Trainer seit geraumer Zeit in der Verwertung der Torchancen. In der vieldiskutierten Frage nach der Aufstellung des schon lange glücklosen Stürmers John-Jairo Mosquera nahm sich Neuhaus auch selbst nicht von der Kritik aus: „Vielleicht habe ich zu lange an ihm festgehalten.“ Er verwies aber auch auf die anderen Stürmer, die in der gleichen Zeit ähnlich erfolglos waren. Die Spieler im Sturm seien momentan nicht am Leistungslimit, und das sei natürlich auch die Verantwortung des Trainers. Und er fühle sich persönlich auch dafür verantwortlich.

Vereinspräsident Dirk Zingler beim Fantreffen am 5. Oktober 2010

Angesprochen auf den „Kapitänsfluch“ hatte Uwe Neuhaus eine unkonventionelle Lösung parat: „Wir müssen nur irgendeinen suchen, den wir zum Kapitän machen können, aber eigentlich gar nicht brauchen.“ Während an anderen Orten bei Tabellenplatz 15 und dem Beisammensein von Fans, Manager und Trainer eine explosive Stimmung herrscht, wurde in der Kneipe viel gelacht. Auch Vereinspräsident Dirk Zingler, der zwischen den Zuschauern saß, machte einen gelösten Eindruck. Vielleicht liegt das daran, dass spürbar ist, dass die Verantwortlichen im Verein daran arbeiten und die Situation nicht auf die leichte Schulter nehmen. Vielleicht hat der durchschnittliche Unionanhänger auch genug Misserfolg erlebt, so dass ein 15. Tabellenplatz keinen Angstschweiß mehr auslöst. Christian Beeck hat dazu seine persönliche Einstellung: „Wir müssen nicht in jedes Stück Holz beißen, das herumliegt. Ich habe als Spieler 15 Jahre lang Abstiegskampf mitgemacht. Wenn ich mich da jedes Mal nach einer 4:1 Niederlage in Freiburg zerfressen hätte bis Donnerstag, dann hätte ich jetzt schneeweiße Haare.“

* Der Hinweis auf das 2007 beendete Quartiersmanagement kam von Sterni Peng auf Facebook. Danke.


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11 Kommentare zu “Rede und Antwort stehen

  1. Na da wär ich gern dabei gewesen… Gibt es von euch auch Tonmaterial, welches in Planung steht veröffentlicht zu werden?

  2. Noch einmal herzlichen Dank für die Berichterstattung, da war’s nicht ganz so ärgerlich, dass ich es nicht hingeschafft habe.

  3. @sohle Wir werden mit Sicherheit kein Tonmaterial veröffentlichen. Das hat zuerst etwas damit zu tun, dass wir so etwas vorher mit den Beteiligten absprechen, was wir gestern schlicht nicht gemacht haben. Wir haben zwar keine Ahnung, ob dadurch der eine oder andere Satz anders ausgedrückt worden wäre und außerdem waren ja auch mindestens noch zwei hauptberufliche Journalisten anwesend, es war also keine geschlossene Veranstaltung, aber für mich gebietet es die Fairness gegenüber dem Veranstalter und den Gästen das vorher abzumachen.
    Ob ein knapp zwei Stunden langer Mitschnitt inhaltlich so interessant ist, steht dann sicherlich auf einem anderem Blatt.

  4. Danke für die Zusammenfassung. Nen Mitschnitt braucht keiner ( Naja, die meisten zumindest nicht ;-)).
    Gruss Howie

  5. Bin in „Weit Weit Weg“ und euch sehr dankbar für die Berichterstattungen. Ein Mitschnitt hätte mich interessiert, wohl aber kaum die breite Hörerschaft (siehe Howie). Die Hintergründe – sprich Fairness den Veranstaltern/Teilnehmern – sind natürlich absolut verständlich.

    Danke für die Antwort.

  6. MalerMario

    Hut ab, Seba…nicht nur wegen der treffenden Analyse des Fantreffs, sondern auch vor der Leistung, alles aufzunehmen und so gut analytisch wiederzugeben. Obwohl, dank Deines technischen Grundkurses für technisch unbegabte Maler, erinnere ich mich ja an die blackbox. Wie auch immer: Cuba Si und zu Weihnachten schenkst Du mir eine richtige Havana. ;o)
    Da haben wir länger was von !

  7. Mein Hut ist auch schon ab(genommen). Eine treffliche Zusammenfassung, die durchaus ein paar wichtige Details wieder gibt, aber sich noch mehr auf die Stimmung während des Treffens konzentriert. Super gemacht und super getroffen! Letztlich ist es ja auch ein FanTREFFEN, wo man nicht immer spektakuläre News erwarten kann, sondern es sollte eine Mischung aus Unterhaltung (kommt von „sich unterhalten“), ein paar News und Fakten und einer Veranstaltung sein, die auch Freude machen soll und wo durchaus auch mal gelacht werden darf (soll). Wenn es nach mir geht, kann Sebastian auch zukünftig gern den Zusammenfasser hier auf seiner Seite machen. Er hat sich bewährt! ;-)

    Eiserne Grüße in die Runde und auch hier Dank an die Q-Bar, an die Fantreffler und an Christian Beeck und Uwe Neuhaus!

  8. Schön finde ich die einleitende sozialkritische und im historischen Kontext betrachtete Ortsbeschreibung des Veranstaltungsortes.

    Freude an der Qualität von Sebastians Texten uns Zusammenfassungen habe ich schon sehr lange und hier hat er uns mal wieder eine gute Probe seines Schaffens geliefert. ;)

    Glück hat der Veranstalter aber auch gehabt, dass ein kränklicher Assi lieber zu Hause geblieben ist und somit wurde das harmonische Beisammensein nicht durch Knurrlaute gestört.

  9. @all Danke für die Komplimente.

    @sohle Ich finde das Argument „weit weit weg“ sehr schlüssig. Vielleicht finden wir ja eine Möglichkeit, gemeinsam mit dem Veranstalter @TeeCee und den jeweiligen Gästen das ansprechend darzustellen.

  10. Knurrlaute ist gut @NuSajez, aber immerhin. Was Neuhaus sagt, macht Hoffnung. Im Satz “Vielleicht habe ich zu lange an ihm festgehalten.” stört mich nur das Vielleicht (aber gewaltig ) , andererseits könnte das ein zarter Hinweis zur Besserung bedeuten. Könnte, überzeugt bin ich nicht.
    Daß das System überbewertet wird, seh ich auch so und dass er sich verantwortlich fühlt für die Stürmerschwächen ist ein gutes Zeichen.

    Jo @Sebastian- an dieser Stelle möchte ich mich auch mal bedanken für deine mittlerweile sehr vielen Stimmungs-und Tatsachenberichte. Anfangs erchienen sie mir etwas zu trocken,abe das hat sich lange gelegt und so gabs schon viele humorvolle und lebendige Überlieferungen, ohne den journalistischen Anspruch aufzugeben.

  11. Interressant fand ich die Aussage von UN, dass Santi Kolk bis auf ein Spiel die gesamte Saison bereits Stürmer gespielt hätte. Diese Ansicht hat er sicherlich exklusiv. In den ersten Spielen trieb sich selbiger im zentralen oder offensiven Mittelfeld herum, oftmals auf einer Höhe mit Tusche. Das sich beide dadurch den Platz zum Spielen genommen haben, war da eigentlich nur logisch. Wer mir nicht glauben will, kann sich gern mal die Positionen über das Spiel gesehen anschauen, die es 2 Tage nach dem Spiel immer in der Spielanalyse der Seite Bundesliga.de zu sehen gibt.

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