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Bodo, wink einmal!

Angefangen hat es bei Empor Berlin. Wie bei Marko Rehmer. Er wurde Nationalspieler und ich BWL-Langzeitstudent.

Ich war sieben Jahre alt und in der ersten Klasse einer DDR-Oberschule. Nur dunkel kann ich mich daran erinnern, dass eines Tages im Sportunterricht fremde Leute da waren und alle Kinder gemustert wurden. Bei anderen Jungen aus meiner Klasse fielen Schlagworte wie „Eiskunstlaufen“, „Boxen“ und bei mir sagte einer „Fußball“. Man hatte mich ein paar Sekunden lang angeschaut und in mir einen neuen Rainer Ernst gesehen. Kurz darauf, die Erinnerungen an die Zeit sind sehr verschwommen, fand ich mich im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark wieder, wo direkt neben dem großen BFC-Stadion Schotterplätze lagen, auf denen die Jugendmannschaften von Empor Berlin trainierten und spielten.

So lange ich mich erinnern kann, war ich Mittelfeldspieler. Nach meinen eigenen Spielen bin ich jeden Sonnabend ins große Stadion gegangen, wo ich nach Spielbeginn kostenlos den BFC Dynamo anfeuern konnte. Das war toll. Ich konnte beinahe jedes Wochenende die besten Fußballer der DDR sehen. Andreas Thom, Thomas Doll, Frank Rohde. Und Bodo „wink einmal“ Rudwaleit.

Als der BFC 1988 FDGB-Pokalsieger wurde, durfte ich in der Halbzeitpause des Finals gegen Carl-Zeiss Jena im Stadion der Weltjugend mit meiner Mannschaft eine Viertelstunde lang vor mehreren Zehntausend Zuschauern spielen. Und nach dem Ende des Spiels lief ich auf dem Rasen herum und winkte fröhlich in die Kamera, vor der gerade Bodo Rudwaleit interviewt wurde.

Die Wende änderte an meiner Fußballkarriere nichts, aber meine Helden verließen mich. Die Bälle wurden besser und meine Töppen wurden teurer. Der BFC spielte nicht mehr lange im Jahnstadion, meine Vorbilder Andreas Thom und Thomas Doll gingen in den Westen und vom Fußball im Osten blieb nicht mehr viel übrig. Ich blieb meinem Verein treu und spielte weiterhin Woche für Woche auf Schotterplätzen oder holprigem Rasen.

Und ich wurde Bayern-München-Fan.

Als Andreas Thom von Bayer Leverkusen zu Celtic Glasgow wechselte, wechselte ich zu Fortuna Pankow. Einmal, ich war mittlerweile 15 Jahre alt, haben wir ein in einem Auswärtsspiel auf einem als Fußballplatz getarnten Kartoffelacker unseren Gegner mit 18:0 geschlagen. Nie habe ich in meinem Leben höher gewonnen. Neun Tore bereitete ich in diesem Spiel vor, selbst erzielt habe ich keines. Tore schießen war nie meine Stärke. Außerdem fand ich es schon immer schöner, einen Mitspieler so in Szene zu setzen, dass er nur noch den Ball im Tor versenken muss, als selbst den Abschluss zu suchen.

Bodo Rudwaleit ist mittlerweile Taxiunternehmer und feierte vorgestern seinen 53. Geburtstag, Thomas Doll ist Trainer in Ankara, Andreas Thom Trainer der U17 von Hertha BSC. Und ich bin mittlerweile 31 Jahre alt, Freizeitfußballer und habe in zwei Wochen mein erstes Punktspiel der neuen Saison.


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4 Kommentare zu “Bodo, wink einmal!

  1. Der Riediger, der Riediger … ;)

  2. @milan björn beweist sehr eindrucksvoll die these, daß man sich seinen verein nicht aussucht, sondern umgekehrt. und ein bißchen leidensfähig isser offenbar auch ;)

  3. Da muss ich Ende der 80er auf dem Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena etwas falsch verstanden haben. Noch vor dem Stimmbruch riefen wir da immer „Bodo Eierkopp“, wenn der BFC vorbeikam, um bevorteilt zu werden.

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