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Auch mal einer Meinung sein.

Zwei Filme, die weitesten Sinne als dokumentarisch gelten können, wurden gestern abend beim 11mm-Festival im Kino Babylon gespielt. Weil sich die Redaktion ausnahmsweise komplett einig war, gibts nur einen Text über den Union-Abend.

„Das Rudel“ (Trailer) spürt der Motivation und dem Selbstverständnis der Ultra-Bewegung nach. Es ist weder ein Union-Film -das Wuhlesyndikat steht hier stellvertretend für den Ultra-Gedanken ganz allgemein-  noch eigentlich ein Fußballfilm. Es geht nicht um Fußball, es geht um Fans, nein:  es geht um eine geschlossene Gesellschaft innerhalb der Fanszene. Im Fokus stehen die Aktionen einer Ultra-Gruppierung während zweier Fußballspiele – und wenn ich Fokus sage, meine ich: Fokus. Mittendrin. Rechts und links daneben: Nichts.  „Das Rudel“ besticht durch die Nähe zu seinen Protagonisten. Die Kamera ist immer dicht am Geschehen. Dazu muss man angstfrei sein und Vertrauen haben. Auf beiden Seiten. Die so entstandenen Bilder sind mächtig. Sie überwältigen, und sie zeigen, welche Energie eine verschworene Gemeinschaft freisetzen kann.

Der Film zeigt hingegen nicht, wie die Choreos entstehen oder Transparente gemalt werden. Er zeigt das richtiger Weise nicht. Im Theater wie in der Fankurve geht es immer auch um Illusionsmalerei. Das Bild nimmt Schaden, wenn man sieht, wie´s gemacht ist. Und Erkenntnisse oder Verständnis für das Wesen der Ultra-Bewegung gewinnt man daraus nicht – ebenso, wie man ein Theaterstück nicht besser versteht, weil man Maske und Kulissen gesehen hat.

Und schließlich: „Das Rudel“ relativiert nicht. Es geht nicht um die Ultras im Verhältnis zu anderen Gruppierungen, um ihre Einordnung in Jugend- oder Subkulturen. Der Film konzentriert sich auf eine einzige Frage: Was wollen diese Leute? – und das ist seine große Stärke.

Dokumentarisch ist „Das Rudel“ wohl in den  Bildern und Originaltönen aus dem Stadion, gebrochen wird dieser dokumentarische Charakter aber durch die Erzählstimme aus dem Off, die nicht das Gesehene kommentiert, sondern das erklärt, was man nicht sieht. So fügt sich Kopf ein Bild zusammen, dessen Bewertung jedem selbst überlassen bleibt.

„Eisern vereint“ (Trailer), der zweite Film des Abends, hatte es danach in mehrfacher Hinsicht schwer. Zunächst, weil „Das Rudel“ Maßstäbe gesetzt hat, was filmisches Handwerk betrifft. Aber auch, weil der Stadionbauerfilm kaum mehr planbar war, als die Bauarbeiten sich hinzogen, dehnten, verlängerten, ausuferten und zu keinem Ende kamen. Es scheint, als hätte die Regie dabei die Übersicht verloren, und die fehlt dann auch dem Film. Er zerbröckelt in tausend kleine Anekdoten – eine klare Linie fehlt ihm, ebenso ein Schwerpunkt.

Drei große Vorwürfe sind dem Stadionbauerfilm in jedem Fall zu machen.

Zunächst: Wenn „Eisern vereint“ tatsächlich einen dokumentarischen Ansatz verfolgt, hat das Filmteam einige Monate zu spät mit der Arbeit begonnen. Dem Film fehlt ein Anfang. Unverständlich bleibt daher die Größe der zu bewältigenden Aufgabe, wenn man doch alles schon fertig betoniert sieht und „nur noch“ auf das Dach wartet. Dass hier ein Stadion in weiten Teilen zunächst zerlegt und abgetragen werden musste, wird komplett unterschlagen. Schalen, bohren, Wellenbrecher aufstellen – das fehlt alles.

Sodann: Man darf seine Protagonisten nicht der Lächerlichkeit preisgeben. Wer den Kusturica-Film über Maradona gesehen hat, weiß, wie schwer das sein kann. Unbeschadet überstehen Gossi und Steven den Film, sonst niemand. Das liegt nicht daran, dass die Leute nicht gut waren oder nichts zu sagen gehabt hätten. Man ist nur wenig sensibel mit ihnen umgegangen und opfert seine Charaktere mäßig witzigen Äußerungen. Eine zu Tränen gerührte Silvia Weisheit, die am Morgen des Eröffnungstages letzte Anweisungen gibt und dabei ihre Stimme kaum mehr beherrschen kann, darf man nicht einfach so abwürgen. Und was hat eigentlich dieser Mielke mit unserem Stadion zu tun? Ich hoffe doch nichts!

Zum Schluss:  Ohne die Tränen bleibt der Jubel unverständlich, und ein bißchen Schneefegen macht noch keinen Winter. Natürlich waren alle Beteiligten frustriert, dass sich die Fertigstellung immer weiter verschoben hat. Nächtliches Warten auf Dachteiltransporte ist gar nicht mal so romantisch. Selbstverständlich herrscht auf Baustellen nicht nur eitel Sonnenschein. Und Scheiße, war der Winter kalt! Dass ein großer Teil der Leistung darin bestand, trotzdem weiterzumachen, übermüdet und mit blank liegenden Nerven, transportiert der Film ebenfalls nicht.

Schade.


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13 Kommentare zu “Auch mal einer Meinung sein.

  1. hackelschorsch

    auch mal einer meinung sein – kann ich mich nur anschließen;-)

  2. Stefan (Mycrosoft)

    Super Artikel – vielen Dank für die Einblicke. Bin jetzt immer noch heiß auf den Film „das Rudel“ ;)

  3. Na toll. Ick hab den Film „Eisern vereint“ damals beim 1860 Spiel gekooft und bisher noch nicht angesehen… Jetzt hab ich da nich mehr so ne große Vorfreude drauf. Das Rudel wird aber immer interessanter. Hoffe da kommt dann irgendwann auch mal ne DVD, die dann vll. auch erstmal ein halbes Jahr im Schrank steht, bis ich dazu komme mir die reinzupfeifen.

  4. @steffi

    mir scheint dieser Artikel war ein echter @rudelbildung ;-)

  5. Soso: „Der Film konzentriert sich auf eine einzige Frage: Was wollen diese Leute? – und das ist seine große Stärke.“ Wenn man es als Stärke des Streifens ansieht, seine „einzige Frage“ in die Länge von mehr als 40 Minuten zu ziehen und dann doch unbeantwortet zu lassen, dann gut – dann ist das so.

    Weshalb Sätze wie „Wir haben uns in den Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht immer ganz gut gehalten“ unreflektiert stehen gelassen werden, dazu unwidersprochene Ansichten und Thesen beispielsweise zu Stadionverboten – eine auch und gerade zur Entstehungszeit des Films durchaus aktuelle Angelegenheit – verlauten, ohne sie auch nur ansatzweise, auch im Sinne der Ultras selbst, zu hinterfragen, erschloss sich mir ebenfalls nicht.

    Weshalb eine Plattheit wie die Aussage „Wo hat man schon Gelegenheit, Geschichte zu schreiben?“ – bezogen offenbar auf den Fanblock und die Ultra-Bewegung an sich – einen nicht Szenekundigen schlauer machen soll und aufschließen für Respekt und eventuell Wohlwollen einer selbsternannten Subkultur gegenüber, das erschließt sich mir nicht. Auch nicht, wenn mein eigenes Wohlwollen den Jungs gegenüber durchaus vorhanden ist.

    Regisseur Alexander Schimpke wies es in einem Gespräch nach der Aufführung übrigens zurück, sich, das Medium Dokumentarfilm und damit seinen Film zum braven Sprachrohr einer durchaus umstrittenen Bewegung gemacht zu haben. Er sagte dazu: „Weil der Film auch oft genug zurückgeht, es sacken lässt und jeder sich ein eigenes Bild dazu bilden kann, ich wollte es aus ihrer Sicht erzählen, nicht aus dem Blickwinkel desjenigen, der von außen draufguckt.“ (Und er ergänzte übrigens: „Das wird auch sehr missverstanden. Aus Bereichen des Dokumentarfilmes werde ich dafür sehr angefeindet.“)

    „Eigenes Bild“, „ihre Sicht“ – das sind für mich Phrasen. Viel Rot-Weiß, viel Stimmung. Manchen Ultra dürfte der Film freuen, den Zuschauer aber lässt er m. M. ratlos zurück.

    Ich halte den Film „Das Rudel“ für nicht gelungen. Weil er zu lang ist für zu wenig wirklich Gezeigtes und weil er, wenn die Frage „Was wollen diese Leute?“ tatsächlich beantwortet werden sollte, am Antwortversuch gescheitert ist.

  6. Hi Mikro, du beantwortest Dir m.E. Deine Fragen selbst, ich zitiere Dich mal:

    „Weshalb Sätze wie „Wir haben uns in den Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht immer ganz gut gehalten“ unreflektiert stehen gelassen werden, dazu unwidersprochene Ansichten und Thesen beispielsweise zu Stadionverboten – eine auch und gerade zur Entstehungszeit des Films durchaus aktuelle Angelegenheit – verlauten, ohne sie auch nur ansatzweise, auch im Sinne der Ultras selbst, zu hinterfragen, erschloss sich mir ebenfalls nicht. “

    Es ging ganz offensichtlich eben nicht um das „Hinterfragen“ sondern um das unkommentierte stehen lassen der Sichtweisen der Ultras. „Eigenes Bild“ und „ihre Sicht“ sind da eben keine Phrasen sondern das Stilmittel des Films. Es ist eben kein Film der Außenstehende aufklärt, in dem Sinne „jetzt erzähl ich Euch mal die Wahrheit über die Ultras“ sondern einer, der In der Tat vor allem Bilder sprechen läßt, der ein Fangefühl vermittelt, dass eben nicht nur den Ultras eigen ist, sondern mit dem sich auch viele Ältere, die die wilden 70er miterlebt haben, identifizieren.

    Warum muss den Ansichten der Ultras zu Stadionverboten in diesem Film widersprochen werden? Sie haben ihre Auffassungen, die kommen auch rüber. Man muss diese nicht teilen. Aber man kann sich ein Bild machen. Der Film ist für mich gerade deswegen glaubwürdig, weil er eben nicht die Sicht des gesellschaftlichen Mainstreams auf Fußballfans allgemein und Ultras im Speziellen zum tausendstenmale in Szene setzt und letztlich nur Klischees bedient und nach erzieherischem Einfluss ruft. Er erfordert letztlich aber eine gewisse Offenheit dem etwas anderem Fan-Leben gegenüber. Die Ratlosigkeit beim völlig unbedarften Zuschauer kann ich dabei sogar nachvollziehen. Aus der Ratlosigkeit kann aber eine durchaus positve Auseinandersetzung mit der eigentlich nur etwas anders als gewohnten Fankultur werden. In den 70er gab es das Wort Ultra noch nicht. Hätte es damals schon Ultras gegeben, ich wäre einer von ihnen gewesen. Zumindest war mein damaliges „Fansein“ von dem der Ultras heute kaum zu unterscheiden. Von daher fällt es mir auch Leicht, gefallen an den Bildern aus dem Block zu finden und auch manche Äußerung kann ich verstehen. Nur die Weisheit des Alters, oder der gemachten Erfahrungen lehrt mich, es nicht mehr völlig gleich zu tun. Und Sätze wie den mit der Staatsmacht durchuas kritisch zu sehen. Aber es hätte das Konzept des Films gesprengt, hier die Auseinandersetzungen im Detail zu erklären. Was durchaus schade ist, aber andererseits genug Stoff für einen eigenen Film böte.

  7. Hallo Stefan, Dank für Deine Antwort!

    Ich verstehe diese Textilvergehen-Seite hier nicht als Diskussionsforum und gehe – allein deshalb – hier nicht auf Deinen Text ein. Widersprechen würde ich Dir übrigens gar nicht ausschließlich.

    Es zeigt sich, dass der Film Diskussionen auslösen, Fragestellungen aufwerfen kann. Das macht ihn m.E. für sich nicht besser, denn dafür war er nicht gemacht. Aber wenn gerade „Alte“ – wir Alten – uns angeregt fühlen, und da sind wir zwei ja nicht die einzigen „Rückblicker“, sagt es schon auch aus, dass er sehenswert ist. Das will ich dem Streifen nicht absprechen, auch wenn ich es oben nicht geschrieben, sondern die Einschätzung mit „nicht gelungen“ eventuell sogar zu sehr in eine solche Richtung reduziert haben könnte.

  8. @mikro Diskussion – dafür sind die Kommentare hier tatsächlich da. Und ich empfinde Widerspruch hier als sehr wichtig.

  9. […] « Auch mal einer Meinung sein. […]

  10. @Mikro Das hier ist mein Lieblingsblog (ok, ich besuch keine anderen dermaßen regelmäßig) und die Kommentare sind sicher auch für die Macher hier eine willkommene Bereicherung.
    Also geh verdammt noch mal auf den Text ein, nicht nur auch mich interessiert, was du und Stefan Z.B. sagen wollt.
    Ich sag auch manchmal was, demnächst,

  11. @Mikro was @Milan sagt! es ist nicht so, dass du mit deiner skeptischen haltung allein stehst, und ich bin an allen meinungen interessiert, auch wenn ich selbst schon eine habe. aber eine meinung ist ja noch kein meinungsspektrum – und genau das ist, was ich will, wenn ich blogge. sonst könnt ich ja auch tagebuch schreiben und das ding irgendwo ins schließfach legen.

    @Milan schon mal rot glühende ohren gesehen? ;)

  12. bimmelbammel

    zu dem film „eisern verein“

    soweit ich das noch richtig in erinnerung habe meinten die macher, (damals in der bodega als der film das erste mal gezeigt wurde) das sie garnicht geplant hatten eine doku zu machen sondern sich das am ende ergeben hatte weil sie soviel material hatten (was ursprünglich geplant war hab ich vergessen)

    ich finde auch nicht das irgendjemand der lächerlichkeit preisgegeben wird…ist aber wahrscheinlich wie alles andere auch ansichtssache

    ich hab mir den film auf jedenfall gerne ein zweitesmal angesehn (was auch an der extrem sympatischen omi lag)

    das rudel hab ich „leider“ noch nicht gesehn
    ich hab nach dem trailer irgendwie das gefühl das ich da mit platten sprüchen vollgeballert werde …ob es einen film über eine „jugendbewegung“ oder gruppierung nun besser macht deren zeugs unkommentiert stehenzulassen weiss ich nicht

  13. […] in Leipzig eine “lobende Erwähnung” durch die Jury. Nach der Vorstellung des Filmes beim 1. FC Union Berlin Abend des Fußballfilmfestivals 11mm kamen einige Fragen auf, die wir an Alexander Schimpke weitergereicht […]

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