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Sorgen machen um die Tante

Gestern Abend auf dem Heimweg. Es regnet. Füße versuchen Pfützen und Hundehaufen auszuweichen. „Was kümmert Dich eigentlich die Hertha?“
Normalerweise habe ich damit kokettiert, dass mir die Hertha egal wäre. Und ja, das ist sie mir auch. Normalerweise. Aber jetzt geht es ihr schlecht der Tante aus Charlottenburg. Die Binnenhierarchie stimmt nach dem Abgang von Dieter Hoeneß nicht mehr. Niemand mehr da, der sich auch mal der Berliner Presse entgegenstellt. Niemand mehr da, der auch mal die Wut auf sich kanalisiert. Und dazu Abgänge, die schmerzen. Zugänge, die den Schmerz nicht verblassen lassen. Dazu Verletzte. Ein Kapitän, der keiner sein möchte. Auflösungserscheinungen eigentlich. Dann eine Trainerentlassung. Weil man es nicht besser wußte? Der vierte (!) Torhüter wird öffentlich in einer Art und Weise heruntergemacht, dass man sich fragen muss, wo die Relationen geblieben sind. Keine Unterstützung von der Vereinsseite und ich muss an diese Passage aus Deislers Interview mit der Zeit über Hertha denken:

Sie wissen nicht, wie das ist. Erst geliebt und dann über Nacht gehasst zu werden. Ich konnte mich nicht mal wehren. Ich war verletzt, war weg, konnte keine Antworten geben. Und der Verein forderte eine Entschuldigung von mir. Dafür, dass ich die Fans nicht früher informiert hätte! Dass ich gelogen hätte! Ich war sprachlos. Dabei hätte Dieter Hoeneß sagen müssen: »Liebe Fans, es war mein Wunsch, dass ihr nichts erfahrt.« Stattdessen hat er zugesehen, wie ich aus Berlin hinausgeprügelt wurde. Ich habe Drohbriefe erhalten. »Wir kriegen Dich!«, »Wir killen Dich!«. Das ist es, was mir den Fußball versaut hat. Das war mein Genickschuss.

Und wenn ich heute an den Titelseiten der BZ („Favre pöbelt sich um 1,2 Millionen“) oder Berliner Kurier („Favre Balla Balla?“) vorbeigehe, frage ich mich, was wohl aus der guten Medienpartnerschaft zwischen dem 1. FC Wundervoll und der BZ werden wird, wenn es mal so richtig nicht läuft. Wie stabil ist das Gebilde um Präsident Dirk Zingler und Sportdirektor Christian Beeck? Was würde wohl passieren, wenn einer von beiden aus welchen Gründen auch immer wegbrechen würde? Deswegen finde ich, dass wenig Platz für Häme ist, sondern für Union noch ein langer Weg zu gehen ist. Auch uns drücken hohe Verbindlichkeiten. Auch bei uns kann plötzlich alles falsch gefunden werden, was vorher noch als Erfolgsgarant galt. Ich erinnere nur an den Satz aus der Bild nach der knappen Pokalniederlage gegen Bremen.

Damit es nicht auch in der 2. Liga ein böses Erwachen gibt, dürfen wir diese Schrott-Elf nie wieder sehen …

Es ist schon richtig, dass wir auf uns aufpassen müssen. Und damit haben wir genug zu tun. Aber der Blick nach Charlottenburg führt uns gerade wieder das Umfeld vor Augen, in dem wir uns bewegen. Vielleicht haben manche unseren Leidensweg vergessen: Die zwei Abstiege hintereinander von Liga zwo in die Oberliga von 2004 an. Das Sammeln von Geld für das finanzielle Überleben des Vereins. Und letztlich mein Traum: Ein Pflichtspiel gegen die Hertha. Und das nicht, weil sie abgestiegen ist…

Über Hertha sprach ich übrigens auch mit Probek im Podcast Ballpod am Montag.
Ballpod München, Ausgabe 5 (5. Oktober 2009) [Edit] by probek

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5 Kommentare zu “Sorgen machen um die Tante

  1. Sehr gute Gedanken schön zusammengefaßt.
    Ich guck zur Tante Hertha immer dann genauer hin, wenn sie auf Meisterschaftskurs ist oder ganz unten strampeln tut.
    Wenn sie oben steht, gönne ich ihr die Meisterschaft und wenn sie unten steht, den Abstieg. Völlig frei von Häme habe ich das finstere Herz für Fußballkatastrophen.

  2. …und ich denke immer an rupert scholz: „wir sind die nummer eins und nummer zwei in berlin.“

    auch wenn es menschenrechte auf leid und lebensrisiko gibt – meines bekommen sie nicht – und das von vielen alten westberlinern auch nicht, welche der tante die dieszeitige häme nur gönnen – weil die letztzeitige arroganz zur wustfabrik gestunken hat!

    in diesem sinne – auf ein gepflegtes relegationsspiel – nach welchem sich die presse die finger leckt.

    p.s. – auf micha kranz´positionierung bin ich diesbezüglich besonders gespannt!

  3. Potjomkinsches Dorf in Charlottenburg…

    „Die jehörn einfach in die erste Lija.“ S. ist gebürtiger Köpenicker und seit vielen Jahrzehnten Fan des 1. FC Union Berlin. Gemeint ist aber nicht der gut aufspielende Zweiliga-Aufsteiger, sondern der andere Verein der Stadt, der im P…

  4. Sorgen machen um wen? Okay, Häme ist überflüssig. Aber der Rest. Geh doch nach drüben (Hurra, ich konnte es endlich mal wieder anbringen!!!!)

  5. im Moment ist die Hertha dran und es gehört inzwischen zum guten Ton auf jemandem rumzuspringen verbal – wenn der schon völlig fertig am Boden liegt.
    Ich kann keine Häme empfinden für die olle Tante nur Mitleid mit einigen der Akteure und auch den Fans, grad für die die wie wir ihre Mannschaft noch anfeuern in den bittersten Augenblicken.

    Irgendwann wird der FCU auch mal wieder Futter sein, denn man gibt ja nur dem Volkszorn ausdruck – man schürt ihn ja nicht.
    Nein niemals nicht.

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