Gegen den SC Freiburg kommt Union zu einem geradezu ungefährdeten 2-0 Heimsieg. Nach dem traumhaft schönen und sehr praktischem frühen Tor von Marius Bülter (offensichtlich die Szene des Spiels) funktioniert der Plan von Trainer Urs Fischer sowohl defensiv als auch offensiv, und in allen Mannschaftsteilen.
Nach dem Spiel gegen Wolfsburg trat Union wieder mit einer Dreierkette und einem 343 an, und wieder spiegelt man damit die Formation des Gegners. So ergaben sich nicht nur wieder überall auf dem Feld direkte Duelle zwischen den Spielern auf den entgegengesetzten Positionen. Sondern eigentlich ja auch die selben systematischen Aufgaben, für die Union aber die besseren Lösungen fand – individuell und systematisch.
Unions Offensive … findet statt
Christopher Trimmel und Christopher Lenz agierten also wieder als Flügelverteidiger im Mittelfeld, und waren die Spieler, um die sich Unions Offensivspiel im Wesentlichen gedreht hat.
Zu sehen war das schon nach 16 Sekunden, bei Unions erster Offensivaktion, die dem 1-0 noch vorausging: Bei einem Einwurf orientieren sich die Freiburger Flügelverteidiger an den offensiven Außen von Union (Marius Bülter und Marcus Ingvartsen). So überlädt Freiburg eher unfreiwillig die eigene letzte Linie, steht Christopher Trimmel aber vollkommen frei – noch unterstützt durch eine gute Bewegung von Andrich, der zusätzlichen Platz aufzieht – und kann von Lenz den Ball bekommen. Nach Trimmels Flugball kommt Bülter zu einer ersten vielversprechenden Aktion im Strafraum.
Zwar korrigierte Freiburg diesen Zuordnungsfehler danach, und es ergaben sich die aus der Symmetrie der beiden Formationen folgenden Mannorientierungen. Trotzdem war die Rolle der Christophers als Flügelverteidiger für Union sehr wichtig, und insbesondere, dass sie dabei auf die Höhe des Mittelfelds vorschoben, und nicht viel Zeit in der Abwehrkette verbrachten. Denn so hatte Union eine vertikale Staffelung, die es erlaubte, Flachpass-Kombinationen aus der eigenen Hälfte heraus zu spielen.
In den besten Momenten gelang das mit steil-klatsch-Kombinationen, also so, dass entweder die Flügelverteidiger oder die zentralen Mittelfeldspieler Robert Andrich und Christian Gentner den Ball mit Steilpässen aus der Abwehr bekamen, ihn auf die Spieler in der jeweils anderen Position klatschen ließen und dann wieder steil in den Angriff gespielt wurde.
Gerade Gentner nutzte solche Momente auch zu Läufen in die Spitze. Der Klarheit in Unions Spiel kam auch zu Gute, dass diese Muster im Spiel in der gegnerischen Hälfte auch nach langen Bällen, die es natürlich wieder häufig von Union gab, umsetzbar sind. Nur weil Union auch nicht konstant offene Räume in Freiburgs Defensive fand (auch das eine Folge der gespiegelten Formationen), kam man selbst vor allem nach Flanken und zweiten Bällen zu Abschlüssen.
Spielmacher Rafa? Gikiewicz
In den Statistiken von Between The Posts wird übrigens Rafa? Gikiewicz als der Spieler mit dem „most progressive carrying“ genannt. Das ist eher verwunderlich. Denn diese Statistik soll angeben, wer den Ball am häufigsten mit Dribblings in besser Positionen bringt. Dass das wirklich Gikiewicz ist, scheint etwas unwahrscheinlich – auch wenn der Torwart sich angesichts des Werts gern als „Spielmacher“ bezeichnet:
@tom_ur rozgrywaj?cy ?? #BundesTAK https://t.co/zRnpQWhkZt
— Rafa? Gikiewicz (@gikiewicz33) October 21, 2019
Warum Freiburg nichts kreierte
Beeindruckend war aber vor allem auch, wie wenig Offensivaktionen Freiburg hatte, obwohl es für mehr als 90 Minuten in Rückstand lag. Die Mannschaft von Christian Streich kam am Ende auf gerade einmal 0,28 expected goals – hätte also mehr als dreimal so lange spielen können, bis wahrscheinlich ein Tor gefallen wäre.
Das lag nicht zuletzt daran, dass Robert Andrich und Christian Gentner im Mittelfeld eine durchaus schwere Rolle hatten, die aber sehr gut ausfüllten. Die beiden waren für einen sehr großen Raum zuständig, das passte aber gut zu ihren Stärken. Denn beide sind Spieler, die gerne sehr weiträumig spielen, ihre Stärken nicht unbedingt in engen Räumen, dafür aber in robuster Zweikampfführung haben. Oft waren sie sehr dynamisch darin, ihre Freiburger Pendents in der Ballannahme zu stören, wenn die denn einmal anspielbar waren. Nur selten kam es dagegen vor, dass Abrashi und Höfler sich um die Unioner im Mittelfeld herum aufdrehen und Pässe in den Angriff spielen konnten – eins der wenigen Beispiele dafür ist Freiburgs Angriff nach genau 30 Minuten.
Umgekehrt ließ Freiburg in Ballbesitz die Dinge vermissen, mit denen man personen-orientierte Verteidigungsstrukturen auflöst: schnelle Ballzirkulation, flexibel hergestellte Überzahlsituationen oder eben gewonnene eins-gegen-eins Duelle.
Gelegentlich erlaubten sich Andrich und Gentner gegen den Ball sogar Vorstöße in die vorderste Reihe, um Ballgewinne zu produzieren. Das hatte auch damit zu tun, dass Freiburgs Aufbauspiel nicht zur Entfaltung kam: Auch hier gab es eine Gleichzahl zwischen der Freiburger Dreierkette und Unions Angriffstrio, das die Passwege ins Mittelfeld zustellte und hohen Aufwand betrieb, um die Freiburger unter Druck zu setzen.
Freiburg kam so nur zu sehr wenigen kontrollierten Aktionen in seinem Angriffsdrittel und musste trotz des Versuchs, mit Kurzpässen das Spiel aufzubauen, letztlich einige lange Bälle in Richtung der Abwehr von Union spielen. Diese Situationen verteidigte Union sehr zuverlässig mit sehr guter Antizipation vor allem von Micha Parensen und Marvin Friedrich.
Als Christian Streich in der Halbzeit auf ein 442 umstellte, passte auch Union seine Defensivformation an: Urs Fischers Team stand nun häufiger im 541. Sebastian Andersson störte die Viererkette mit Unterstützung des Mittelfeldspielers, der jeweils am nächsten am ballführenden Freiburger war. Vor allem fand Freiburg aber im Mittelfeld nicht mehr Räume.
Zwar hatte am Ende Freiburg deutlich mehr Ballbesitz und vor allem mehr flache Pässe bei Union. Und auch der Anteil der langen und kurzen Bälle innerhalb von Unions Spiel war nicht sehr anders als etwa gegen Frankfurt. Aber Union war am Ball in vielen Momenten viel konstruktiver und mit seinen flachen Pässen mehr nach vorn gerichtet als in den Spielen, die zuletzt verloren gegangen sind.
Ausblick
Angesichts der zwei Spiele mit Dreierkette stellt sich nun natürlich die Frage, ob man die auch in den kommenden Partien wieder sehen wird. Für das Spiel am kommenden Wochenende in München gegen Bayern könnte man auch durchaus Argumente finden, die für diese Variante sprechen: Wenn Union in einem tiefen 541 gegen den Serienmeister spielt, könnten die Außenspieler im Mittelfeld helfen, die Außenstürmer der Bayern zu doppeln, und müsste Union dafür nicht auf eine massive Restverteidigung im Zentrum verzichten. Mit den positiven offensiven Aspekten, die gegen Freiburg zu sehen waren, hätte das freilich nichts zu tun – aber daran ist ja auch kaum zu denken. Oder?
Mit so einer Ausrichtung würde man schon den Versuch aufgeben, Bayern im Mittelfeld zu stören (denn das ist in Unterzahl und angesichts des Qualitätsgefälles relativ aussichtslos – trotz der aktuellen Probleme Bayerns genau damit). Bestenfalls kann man so eine große Zahl der dann sehr vielen Aktionen im eigenen Strafraum verteidigen. Aber fast definitiv nicht alle, und dass dabei aber ein positives Ergebnis herauskommt, ist aber sehr unwahrscheinlich.
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