Frauen und Fußball im Iran sind das bestimmende Thema der Filme „Football under Cover“ und „Offside“. Weil sie trotz inhaltlicher Überschneidungen so schön unterschiedlich sind, werden sie hier zusammen besprochen. Beide stehen im Wettbewerb des 11mm-Festivals um den besten Frauenfußballfilm aller Zeiten.
„Passt auf eure Kopftücher auf, die filmen!“
„Football under Cover“ von Ayat Najafi und David Assmann, wiederum eine Dokumentation und bereits 2008 mit dem Teddy Award ausgezeichnet, ist wohl der berlinerischste Film des diesjährigen 11mm-Festivals. Das Frauenteam des Kreuzberger Vereins Al Dersimspor hört davon, dass das Frauennationalteam des Iran noch nie gegen eine ausländische Mannschaft gespielt hat. Die Teilnahme an internationalen Wettbewerben ist ohnehin ausgeschlossen, „weil die Kleidervorschriften der FIFA genauso streng sind wie die des Iran“. Die Frauen dort können zwar trainieren, dürfen aber nur unter Ausschluss des männlichen Publikums einschließlich der eigenen Trainer und vollständig verhüllt spielen. Da die Vorschriften für alle im Land befindlichen Frauen gelten, will es das Kreuzberger Team auf sich nehmen, zu diesen Bedingungen in Teheran zu spielen. Es dauert dennoch ein gutes Jahr, bis alle bürokratischen Hürden überwunden sind und das Freundschaftsspiel zustande kommt. Gespielt wird vor einem ausschließlich weiblichen Publikum, aber als die Frauen applaudieren und jubeln, werden sie ermahnt „Wenn Sie tanzen wollen, gehen Sie in eine Disco!“. Das Beeindruckende an dem Film ist das Projekt als solches, die Organisation des Spiels, die Dokumentation dessen und das Durchhaltevermögen aller Beteiligten. Die Bilder sind nicht immer belastbar, was zu einem Teil sicherlich ihrer Entstehung geschuldet ist. Trotz oder vielleicht auch wegen der fortwährenden Improvisation und der kleinen Unvollkommenheiten im Filmischen ist der Streifen unglaublich lebendig. Wirklich stark sind die Protagonistinnen beider Mannschaften.
„Dein Vater und dein Bruder sind nun mal nicht der Vater und Bruder der anderen Frauen.“
„Offside“ von Jafar Panahi setzt das Thema mit den Mitteln des Spielfilms um. Hier geht es nicht um fußballspielende Frauen, sondern um junge Frauen, die sich im Stadion das Qualifikationsspiel der iranischen Nationalmannschaft der Männer für die WM in Deutschland ansehen wollen. Weil das ebenfalls verboten ist, gehen sie als Männer gekleidet und hoffen, dass sie nicht ertappt und der Sittenpolizei übergeben werden. Selbstverständlich geschieht genau das. Sie werden noch vor Anpfiff im Stadion unter Arrest gestellt. In der Folge verwickeln sie nun die zu ihrer Bewachung abgestellten Männer in Gespräche über das laufende Spiel, über einzelne Spieler, aber auch über die absurde Situation, in der sie sich befinden. Das Stadion, heißt es im Film, schafft den Rahmen dafür, dass sich Männer, die Gebote von Anstand und Moral über Bord werfend, austoben können. Das sei nichts für Frauen. Woraufhin eine der Arrestierten entgegnet „Aus welchem Bergdorf kommst du denn?“. Am Schluss wird komödiantisch aufgelöst. Der Iran gewinnt das Spiel. Der Polizeibus, der die Frauen abtransportieren soll, gerät in Autokorso und Stau, und im allgemeinen Siegestaumel gelingt ihnen die Flucht. Der Zuschauer ist sich trotzdem jederzeit darüber im Klaren, dass alles, was im Film so leicht und lustig wirkt, nach europäischen Maßstäben schlicht Diskriminierung ist.
Das Grundrecht Fußball
Beide Filme sind eher Gesellschaftsstudien als Fußballfilme. Fußball wird hier als Maßstab und Sinnbild verwendet, weil er Zuschauern weltweit Vergleichsmöglichkeiten eröffnet. Während in Deutschland das „Grundrecht auf Fußball“ unter dem Aspekt diskutiert wird, ob die Zuschauer Anspruch auf Bundesligafußball im öffentlich-rechtlichen Fernsehen haben, fragt man anderswo, wie es möglich ist, dass eine Hälfte der Bevölkerung generell vom Fußball ausgeschlossen ist.
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